Keine Frage, das Wort Großstadtdschungel bekommt hier eine ganz neue Bedeutung. Zwar ist Bangkok ein Stadtgigant mit rund zwölf Millionen Einwohnern. Doch kaum einer würde vermuten, dass es inmitten von Thailands pulsierender Hauptstadt tatsächlich noch Ecken gibt, in denen komplett die Wildnis regiert. Wackelige Betonplatten und schmale Bretter pflastern den Weg durch das sumpfige Areal mit seinem Meer an satt grünen Pflanzen.
Überall kreucht und fleucht es. Dazu die muckelig warmen Temperaturen. Denn kaum hat der zumindest phasenweise erfrischende Regen nachgelassen, wandelt sich der Thonburi District im Westen von Bangkok in eine gigantische Freiluftsauna. Der Schweiß rinnt unaufhörlich. Und dies nicht nur wegen der Hitze. Auch die Angst vor wilden Tieren trägt ein Übriges dazu bei.
200 Schlangenarten
„In Thailand gibt es 200 Schlangenarten, von denen 60 giftig sind“, verrät Somchai Mongkonkamonrat. Und sofort setzt der Guide, der sich wegen seines unaussprechlichen Namens schlicht „Mr. Tee“ nennt, noch einen drauf: „Schlangen mit runden Pupillen sind harmlos, die mit dreieckigen immer giftig.“ Allerdings, so der freundliche Thai mit den deutlich unterschiedlich dicken Beinen weiter, müsse man „verdammt nahe an den Kopf der Schlange ran gehen, um dies zu erkennen“.
Nun ja, so experimentierfreudig ist der kleine Truppe der „Dschnungelforscher“ dann doch nicht und heil froh, als hinter einer Biegung eines der markanten Langboote wartet. Im Zickzackkurs saust das Boot durch das dichte Kanalnetz, das so genannte Khlong Bangkok Yai, westlich des mächtigen Chao Phraya Rivers.
Khlong-Tour mit dem Langboot
Die Ufer der kurvenreichen Wasserstraßen sind dicht bebaut. Raum für Individualität fehlt hier komplett. Die Häuserwände stehen dicht an dicht und sind zur Wasserseite meist mit einem hölzernen Steg verbunden. Ein Eimer Farbe, ein Bildchen und ein paar Blumen könnten hier und da echte Wunder bewirken. Und doch hat das Ganze seinen ureigenen Charme. Die Türschwellen sind in der Regel höher gelegt, „damit keine bösen Geister hineinkriechen können.“
Der Kanal selber entpuppt sich als tiefbraune Brühe. Bananenstauden ranken ins Wasser. Müll und jede Menge Algen schwimmen hier umher. Das hindert aber die Kinder nicht daran, hier fröhlich lachend zu baden und immer wieder mit Wonne in den Fluten abzutauchen. Zwischen kleinen Garküchen, Frisörgeschäften und Souvenirläden drängen sich aber nicht nur einfache Wohnhäuser, sondern auch unzählige kleinere oder größere Tempel an das Kanalufer.
Glückliche Karpfen an den Tempelpforten
„Bangkok hat mehr als 500 Tempel“, versichert Mr. Tee und deutet auf mächtige Karpfen, die sich vor den Stufen der Gotteshäuser dicht an dicht im Wasser tummeln. Die Fische im Schatten der Tempel zu füttern, soll angeblich Glück bringen. Entsprechend müssen die schuppigen Wasserlebewesen hier nie Hunger leiden. Im Gegenteil – sie alle sind mehr als wohl genährt. Und die Karpfen scheinen um ein Kuriosum zu wissen: denn in den Gewässern unmittelbar an einem Tempel sind sie geschützt. An anderen Stellen des Kanals dürfen sie hingegen geangelt werden.
Die Karpfen sind aber nicht die einzigen tierischen Anwohner, die entlang des Khlong Bang Luang zu finden sind. Am Ufer rekeln sich riesige Echsen faul in der Sonne. Reiher warten geduldig darauf, bis sich der eine oder andere Fischhappen leichtsinnigerweise an der Oberfläche blicken lässt.
Einkehr im Home-Restaurant
An den engen Kanalkreuzungen kommt das Langboot zum Teil nur nach mehrmaligem Vor und Zurück um die fast rechtwinkeligen Kurven. Der hohe Bug behindert dabei nachhaltig die Sicht. Doch dem Skipper macht dies scheinbar wenig aus. Er hat ein fröhliches Lied auf den Lippen oder ruft seinen Freunden und Bekannten am Ufer etwas zu. Gleichwohl weiß er genau, welch große Faszination das Kanalnetz im „Venedig Asiens“ auf die „Farangs“, wie lang-nasige Europäer gerne genannt werden, ausübt.
Nach rund einer Stunde Fahrt macht das Langboot an einem steinernen Steg fest. Schon kündet Mr. Tee das nächste Highlight an: den Besuch eines so genannten Home-Restaurants. Streng genommen handelt es sich nicht um eine gastronomische Einrichtung. Vielmehr öffnen hier Thais ihre Privatwohnungen für Fremde, um diese dann gegen ein kleines Entgelt mit landestypischen Speisen zu beköstigen.
Zwischen Königsfamilien und Fernsehern
„Das ist eine Win-Win-Situation. Die Gastgeber verdienen sich ein bisschen zum Lebensunterhalt dazu, und Ausländer können einen Einblick gewinnen, wie die weniger betuchten Thais tatsächlich leben“, bringt Mr. Tee das kulinarische Abenteuer auf den Punkt. Das Suchin Ead, das Home-Restaurant unserer Wahl, besteht im Erdgeschoss aus einem kleinen Vorraum, einer kleinen Küche und einem kombinierten Wohn-, Ess- und Aufenthaltszimmer. Dazu gibt es noch ein kleines Badezimmer, in dem wenigstens sechs Dutzend Zahnbürsten in irgendwelchen Becher stecken.
In einer Ecke des Wohn-, Ess- und Aufenthaltszimmers finden sich zwei Kleiderständer. Diese tragen vermutlich alles, was die Familie zum Anziehen besitzt. Die Wände sind voll mit Familienfotos und Bildern der Königsfamilie. Zwei Fernseher, in denen verschiedene Programme laufen, betteln um Aufmerksamkeit. Dazu gibt es ein durchgesessenes Sofa und einen Tisch mit Plastikdecke und einfachen Schemeln drum herum. Die Füße des Holztisches stehen als Schutz vor Insekten in leeren Dosen und Blumentöpfen.
Dosen und Blumentöpfe als Insektenschutz
Auf den Tisch des Hauses kommen Reis, Nudeln, gedünstetes Gemüse, ein wenig Fisch, ein wenig Rind und Huhn in schmackhaften Saucen und Getränke in Dosen. Nach der Stärkung führen die Gastgeber die Gästeschar noch in den ersten Stock, wo sich neben dem kleinen Schlafgemach noch ein Schrein mit unzähligen kleinen Buddha-Figuren und Kerzen befindet.
Zum Abschluss der kurzweiligen Tour geht es dann in das Artist’s House direkt am Ufer des Khlong Bang Luang. In dem rund 150 Jahre alten Holzgebäude ist das renommiert Puppentheater Kumnai zu Hause. Die passende Kulisse für die ebenerdige Bühne bilden die Reste des 300 Jahre alten Tempels Wat Kuhasawan, um den das Haus herumgebaut wurde.
Puppenspiel und Maskentanz
Die engagierte Künstlertruppe zeigt mit Witz und Phantasie einen Auszug aus Thailands populärsten National-Epos, dem „Ramayana“, bei dem es um die Liebe zu einer entführten Prinzessin geht. Wobei die überdimensionierten Puppen von schwarz gekleideten, maskierten Tänzern an Stäben geführt und bewegt werden. „Hun Lakorn Lek“ nennt sich die Mischung aus traditionellem Puppenspiel und thailändischem Maskentanz. Und irgendwie ist die mit zahlreichen Späßen aufgepeppte, uralte Kunstform einfach nur wunderbar – ganz so wie der Großstadtdschungel von Bangkok.
Wissenswertes zu Dschungel- und Khlongtouren in Bangkok
Allgemeine Informationen: www.thailandtourismus.de
Anreise: Thai Airways bietet täglich Direktflüge ab Frankfurt nach Bangkok (Suvarnabhumi) an. Die Flugzeit beträgt rund zehneinhalb Stunden. Preise für Hin- und Rückflug beginnen bei etwa 650 Euro.
Einreise: Für die Einreise genügt ein mindestens noch sechs Monate gültiger Reisepass. Ein Visum wird direkt am Flughafen ausgestellt.
Geld: Landeswährung ist der Baht. Ein Baht entspricht etwa 2,46 Euro.
Führungen: Individuelle Touren mit dem Rad, zu Fuß oder dem Minibus bietet der lizenzierte Tour Guide Somchai Mongkonkamonrat. Weitere Informationen unter Telefon 0066-80-1259410 oder per Mail unter teesomachai8099@gmail.com.
Anreise: Mit dem Taxi vom Zentrum Bangkoks bis Phetkasem Soi 28 oder Charansanitwong Road Soi 3 und von dort am Fluss entlang zu Fuß.
Khlong Bang Luang Artist House: Soi 28, Wat Kuhasawan, Thonburi, Bangkok Soi 28, Wat Kuhasawan, Thonburi, Thailand. Das Puppentheater wird täglich außer mittwochs um 14 Uhr aufgeführt. Der Eintritt ist frei, Spenden sind jedoch erwünscht.
Essen & Trinken: Balee Laos, Soi Sukhumvit 16, Khlong Toei, Bangkok 10100, Thailand, Telefon 0066-2-6631558. Das Restaurant bietet exzellente thailändische Küche vom Satay-Spieß bis hin zum Thai-Curry.
Übernachten: Mövenpick Hotel Sukhumvit 15 Bangkok, 47 Sukhumvit 15, Klongtoey Nua, Wattana, Bangkok, 10110, Telefon 0066-2-1193000, www.moevenpick-hotels.com/bangkoksukhumvit. Das 2015 eröffnete, zentral gelegene Hotel bietet Doppelzimmer mit Frühstück ab 4.400 Baht beziehungsweise umgerechnet etwa 98 Euro an.
{google_map}Ban Silapin, Artist House, Bangkok{/google_map}
Karsten-Thilo Raab
berichtet seit mehr als drei Jahrzehnten für eine Vielzahl von Zeitungen und Magazinen über Reiseziele weltweit. Zudem hat er sich einen Namen als Autor von mehr als 120 Reise-, Wander- und Radführern sowie Bildbänden gemacht.