Vor wenigen Wochen, am 27. November wäre einer der berühmtesten Ausnahme-Kampfsportler 80 Jahre alt geworden: der aus HongKong stammende Bruce Lee hat mit seinen legendären Kampfeinlagen die Kinowelt revolutioniert. Obwohl er viel in der Öffentlichkeit stand, ist es doch für viele eine Überraschung, dass dieses Idol auch deutsche Wurzeln hat. Der Sohn einer Deutsch-Chinesin wurde in den frühen 1970er Jahren bekannt durch sein Mitwirken in den aufstrebenden asiatischen Martial-Arts-Filmen. Geprägt waren die Filme mit ihren Gut-Böse-Stories durch damals neuartige Ausführungen von verschiedensten Kampfsportarten, die vor allem Bruce Lee hervorragend beherrschte und damit das Actionkino revolutionierte. Bis heute bleibt die 1973 überraschend verstorbene Ikone einer der erfolgreichsten, ersten und wenigen asiatischen Film- und Kung Fu Stars der Welt. Ist man heute in den Straßen der Filmmetropole Hongkong unterwegs, bietet sich für jeden Bruce Lee Fan ein Abstecher an seine bekanntesten Drehorte an.
Entlang des Ufers von Tsim Sha Tsui, nahe der Avenue of Stars, tummeln sich bei gutem Wetter Menschenscharen, um den Charme einer bedeutenden Skulptur einzufangen. Hier wird einer Person eine besondere Ehre erwiesen. Eine große bronzene Statue verharrt in einer berühmten Kampfpose. Im Hintergrund die majestätische Skyline Hongkongs. Die Rede ist von Filmstar und Kampfsportikone Bruce Lee, der einst von sich selbst sagte „Ich werde nie behaupten, dass ich die Nummer 1 bin, doch ich werde auch nie zugeben, die Nummer 2 zu sein“.
Lee wurde in den Vereinigten Staaten geboren, aber wuchs in Hongkong auf. Mit 13 Jahren wurde er dort einer der wenigen Schüler des berühmten Großmeisters Yip Man, der ihn fünf Jahre lang in der Kampfkunst Wing Chun Kung-Fu unterrichtete. Sein schier unendlicher Eifer nach Erfolg und sein hartes Training befähigten ihn früh zu enormen Leistungen. Es waren Lee‘s in Hongkong produzierte Filme, die ihn zum Star machten: „Todesgrüße aus Shanghai“ oder der monumentale Film „Der Mann mit der Todeskralle“, der letzte vollendete Film des Stars. Letzterer war nicht nur der erste von einem Hollywood-Studio koproduzierte Kampfsportfilm, sondern auch einer der profitabelsten Filme aller Zeiten. Nach seinem Schauspielstudium in den Vereinigten Staaten und einigen Schauspielrollen in US-Serien wurde allen voran Bruce Lee‘s erster Film – Die Todesfaust des Cheng Li – ein weltweiter Publikumserfolg.
„Lee veränderte das Kino sowie die Kampfkunst und ebnete den Weg für ein neues Genre von Kung-Fu-Filmen und eine ganze Reihe von Schauspielern und Kämpfern nach ihm“, sagt Abe Santos. Als leitender Ausbilder an der Jun Fan Gung Fu Academy in Seattle trainierte Santos unter Taky Kimura – Lees ranghöchstem Schüler, engstem Freund, Biograf und einem der Sargträger bei seiner Beerdigung: „Wenn man an Bruce Lee denkt, kann man nicht anders, als auch an Hongkong zu denken. Er ist Teil der Identität der Stadt, genau wie seine Filme.“
Hongkongs „Pilgerorte“ für Bruce Lee-Anhänger
Während Lees Elternhaus in der Nathan Road 218 in Kowloon längst durch ein Einkaufszentrum ersetzt wurde, existierte das Herrenhaus, in dem er während dem Höhepunkt seines Ruhms lebte, in der Cumberland Road 41 in Kowloon Tong noch lange als chinesische Sprach- und Musikschule. Erst Ende des Jahres 2019 wurde das Gebäude abgerissen. Für Besucher, die einmal den Fußstapfen des Helden folgen wollen, sind in der Metropole jedoch noch einige Drehorte aus Lee’s berühmtesten Filmen erhalten.
„Der Mann mit der Todeskralle“ beginnt mit einer atemberaubenden Hommage an die Landschaft Hongkongs bevor die Kamera über das Zentrum mit Blick auf ikonische Gebäude wie das Jardine House und das Queen’s Building, wo heute der Mandarin Oriental, Hongkong, steht, schwenkt. Die Szene bewegt sich entlang der Hafenfront, bevor sie sich über den Victoria Harbour und tief nach Kowloon wagt. Von The Peak aus erlangen Besucher hier eine ähnlich weitläufige Aussicht oder können einen Tee im Mandarin Oriental genießen. Mit der Star Ferry bietet sich ab Victoria Harbour eine Überfahrt zur Bruce Lee Statue an.
Im Film spielte Lee einen Undercover-Agenten des britischen Geheimdienstes, der die Insel-Festung Han unterwandert. Noch immer kann man im Hafen von Aberdeen mit einem der kleinen Sampan-Boote die Segel in Richtung der fiktiven Insel setzen, wie es einst Bruce Lee im Jahr 1973 in seinem eigens produzierten Werk tat. Die traditionellen flachen Boote, die in der Dschunken-Stadt von mehreren tausend Menschen als Hausboote genutzt werden, sind motorisiert und rundherum mit Reifen als Puffer ausgestattet. War Aberdeen damals noch ein kleines Fischerörtchen schippert man heute vor dem Hintergrund eindrucksvoller Wolkenkratzer umher. Touristen schätzen vor allem das „Jumbo Floating Restaurant“ – eines der weltweit größten schwimmenden Fischerrestaurants. Zu diesem kitschig schönen und in Gold verzierten Palast auf dem Wasser setzt man beispielsweise mit einem Sampan über.
Tai Tam Bay filmisch in Szene gesetzt
Verweilt man weiter auf den Spuren von Bruce Lee und der Filminsel Han, ist der alte steinerne Anlegesteg, der als Landeplatz auf der Insel diente, noch immer für Besucher erkennbar und kann über einen schmalen Weg zwischen dem American Club und den Pacific View Apartments in Tai Tam Bay an der Südküste Hongkongs erreicht werden. Dort wurde die eigentliche Ankunft Bruce Lees auf der Insel Han im Film gedreht. Die Tennisplätze, die im Film als Plattformen für epische Schlachten dienten, liegen heute bedauerlicherweise begraben unter den Bauten der Apartments. Der Tai Tam Country Park, der auf chinesisch „Großer Pool“ bedeutet, ist dank seiner Wanderwege, der Sehenswürdigkeiten aus dem Zweiten Weltkrieg, des üppigen Stausees und der malerischen Küstenlinien einer der besten Orte, um einen entspannten Tag in Hongkong zu verbringen.
Die erste Kampfszene des Films spielt im Ching Chung Koon-Tempel in Tuen Mun, wo Bruce Lee einem Shaolin-Kämpfer gegenübersteht. Der Tempel wurde 1949 erbaut und diente Flüchtlingen aus China als Ort der Verehrung und Gemeinschaft. Heute ist er ein Heiligtum der Ruhe, in dem man sich zwischen Bäumen, Blumen, Teichen, Steingärten, prächtigen Pavillons und Wasserfällen entspannen kann. Eine der wohl großartigsten Kampfszenen in „Der Mann mit der Todeskralle“ ist Lees Duell in der „Hall of Mirrors“ von King Yin Lei, einem historischen Herrenhaus aus dem Jahr 1937. Das unter Denkmalschutz stehende Haus strahlt eine magische Anziehungskraft aus und ist ein seltenes Beispiel für den chinesischen Renaissancestil.
Zwischen Kloster und Kai Tak-Flughafen
Hongkongs alter Kai Tak-Flughafen – bekannt dafür, einer der herausforderndsten städtischen Landeplätze der Welt gewesen zu sein – taucht in „Der Mann mit der Todeskralle“ nur kurz auf. Filmfreunde, die heute zu Besuch sind, werden eine ganz andere Szene vorfinden. Nach der Schließung des Flughafens im Jahr 1998 hat die Regierung das Gebiet wieder nutzbar gemacht. Heute befindet sich hier der Kai Tak Cruise Terminal Park mit einem Dachgarten von einer Fläche von 23.000 Quadratmetern und dem weitläufigen Blick auf Victoria Harbor.
Einer der besonders gut erhaltenen Drehorte ist das historische Tsing-Shan-Kloster in Tuen Mun. Lee entwickelte hier seine Kampf-Philosophie bei einem Shaolin-Master. Der älteste Tempel Hongkongs befindet sich am Fuße des Castle Peak. Seine Haupthalle wurde einem Gott gewidmet, der, so sagt man, die Menschen von ihren Sorgen befreien kann. Während der Filmaufnahmen zu „Der Mann mit der Todeskralle“ wurde hier Bruce Lees berühmte „Mit dem Finger auf den Mond zeigen“-Szene gedreht. Lebensgroße Kartonzuschnitte von Lee markieren den genauen Drehort.
Währenddessen ist das fiktive Familiengrab, das Lee im selben Film besucht, unberührt und befindet sich auf dem muslimischen Friedhof im Happy Valley. Das imposante, treppenförmig angelegt Areal ist letzter Ruheort einiger berühmter Charaktere, die Hongkong zu dem machten, was es heute ist. Besuchern bieten sich von hier aus atemberaubende Ausblicke auf die gleichnamige Pferderennbahn der Stadt.
Im Jahr 1973 wurden die Dreharbeiten zu Bruce Lees letztem Film „Mein letzter Kampf“ unterbrochen, nachdem der Star am Set zusammenbrach. Aufgrund der Folgen mehrerer Medikamente und Schmerzmittel starb Bruce Lee im selben Jahr mit nur 32 Jahren. In Gedenken an das Idol internationaler Martial-Arts-Filmfans, errichtete die Stadt Hongkong im Jahr 2005 die besagte Bronzestatue im Herzen der Metropole.
Ausstellung „Bruce Lee: Kung Fu ‧ Kunst ‧ Leben“
Für Fans, die sich in Hongkong auf die Spuren des Ausnahme-Kampfsportlers begeben möchten, bietet sich ein Besuch der Ausstellung „Bruce Lee: Kung Fu, Kunst, Leben“ an, die noch bis 2026 im Hong Kong Heritage Museum zu sehen ist. Die Austellung zeigt in Zusammenarbeit mit der Bruce Lee Foundation mehr als 600 Exponate, von Bruce Lee-Kostümen, persönlichen Gegenstände bis hin zu Memorabilien aus seinen Filmen. Weitere Informationen unter www.discoverhongkong.com/de.
Karsten-Thilo Raab
berichtet seit mehr als drei Jahrzehnten für eine Vielzahl von Zeitungen und Magazinen über Reiseziele weltweit. Zudem hat er sich einen Namen als Autor von mehr als 120 Reise-, Wander- und Radführern sowie Bildbänden gemacht.