Sylt feiert seine Inselbahn: 125 Kerzen auf der Torte der Rasenden Emma

Bereits Ende des 19. Jahrhunderts wurde Sylt auf Schienen erschlossen. Manch merkwürdiges Gefährt knatterte in der Folgezeit über die Insel.
Bereits Ende des 19. Jahrhunderts wurde Sylt auf Schienen erschlossen. Manch merkwürdiges Gefährt wie dieser alte LT4 knatterte in der Folgezeit über die Insel. (Foto: Sylt Marketing GmbH)

„Dünen-Express“ oder „Rasende Emma“ wurde sie einst liebevoll genannt – die Sylter Inselbahn. Ein Blick zurück auf 125 bewegte Jahre und ein Stück Inselgeschichte. Es war eine beschwerliche Anreise, die sonnenhungrige Sylt-Urlauber Ende des 19. Jahrhunderts auf sich nehmen mussten: Vom Festlandhafen Hoyerschleuse ging es mit dem Boot nach Munkmarsch und von dort mit Pferd und Wagen auf unbefestigten Wegen über Stock und Stein nach Westerland.

Altes Bahnschild auf Sylt (Foto: Heike Hansen)
Altes Bahnschild auf Sylt (Foto: Heike Hansen)

Diesen unhaltbaren Zustand wollte der umtriebige Westerländer Kurdirektor Dr. Adrian Pollacsek schnellstens beenden und investierte die damals stattliche Summe von 131.400 Mark in den Bau der ersten Bahnstrecke auf der Insel. Das war im Jahr 1888 und mit der Ostbahn war der Grundstein für den touristischen Aufschwung und eine Sylter Erfolgsgeschichte gelegt. Bereits 1901 wurde die Südbahn nach Hörnum in Betrieb genommen und zwei Jahre später folgte die Nordbahn nach Kampen, die 1908 bis List verlängert wurde. Der blühende Badebetrieb der Kaiserzeit fand auf Sylt ein jähes Ende, als im Sommer 1914 der Erste Weltkrieg ausbrach und Sylt wie viele andere Nordseeinseln zum Sperrgebiet erklärt wurde. Auf die Kriegswirren folgte die Inflation: Die Tarife der Nordbahn stiegen unaufhaltsam in die Höhe, sodass 1. August 1923 eine Fahrt von Westerland nach List bereits 54.000 Mark kostete.

Am 1. Juni 1927 wurde der Hindenburgdamm mit einem pompösen Fest eröffnet. Ein Ereignis, das die Anreise nach Sylt revolutionierte aber auch den größten Einschnitt in die Inselbahn Geschichte bedeutete. Nicht nur die Fährschiffe gehörten von diesem Tag an zum alten Eisen, auch die Sylter Ostbahn musste ihren Betrieb einstellen. Im Zweiten Weltkrieg wurde die strategisch wichtige Nordseeinsel erneut zum Sperrgebiet und der Badebetrieb in den Sylter Kurorten ruhte bis 1946. Es dauerte ein paar Jahre, bis die Inselbahn vom Aufschwung erfasst wurde und der Hamburger Kaufmann Ruy Prahl im Jahr 1952 die Sylter Verkehrsgesellschaft mbh (SVG) gründete.

Moderne Busse haben heute die alten Loks und Züge abgelöst.
Moderne Busse haben heute die alten Loks und Züge abgelöst.

Die Dampfloks gehörten nun der Vergangenheit an. Ihnen folgte ein Sylter Kuriosum: Der „Leichttriebwagen“ (LT) – ein umgebauter Sattelschlepper der Bremer Automobilfirma Borgward. Dem „Laster“ verpasste man Eisenbahnachsen und die Ladefläche wurde gegen einen Fahrgastraum ausgetauscht. Fertig war die neue Inselbahn! Am 5. Oktober 1952 folgte die Jungfernfahrt des ersten „NIVEA-Express“, so genannt wegen der auffallenden Außenwerbung. Fünf Exemplare der legendären Leichttriebwagen hat die SVG zwischen 1952 und 1954 in Betrieb genommen.

Der Aufschwung währte allerdings nur verhältnismäßig kurz: Anfang der 1960er Jahre wehte der Sylter Inselbahn bereits eine steife Brise entgegen. Allein zwischen 1957 und 1967 verlor der Schienenverkehr 32 Prozent seiner Fahrgäste obwohl die Zahl der Touristen – und damit der potenziellen Fahrgästen – stetig wuchs. Autos und Busse hatten der Inselbahn den Rang abgelaufen und Anfang des Jahres 1970 stellte das Wirtschaftsministerium in Kiel nüchtern fest: „Die Schiene von Westerland nach Hörnum ist in den letzten Jahren zusehends verfallen und gewährleistet – genau wie der vorhandene Wagenpark – nicht mehr eine sichere Verkehrsabwicklung.“ Am 29. Dezember 1970 fuhr die Bahn zum letzten Mal. Ein Abschied für immer – von einem großen Kapitel Sylter Verkehrsgeschichte. Doch keineswegs das Ende!

Längst haben Busse die Bahnen erfolgreich abgelöst und die Sylter Verkehrsgesellschaft (SVG) betreibt als Nachfolger der Inselbahn einen der modernsten Fuhrparks des Landes. Aber es gibt auch noch Nostalgie: Anlässlich des 125-jährigen Jubiläums kaufte Sven Paulsen, Inhaber der heutigen SVG, den letzten noch vorhandenen Borgward Triebwagen LT4. Das schrottreife Modell soll nun restauriert und wieder fahrtüchtig gemacht werden.

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