Wie feiert man eigentlich Weihnachten und Silvester in Litauen? Im südlichsten der baltischen Staaten verbinden sich jahrhundertealte Bräuche, stimmungsvolle Rituale und weihnachtliche Aromen zu einem ursprünglichen Erlebnis. Besucher dürfen sich auf traditionelle Festtage und die typisch litauische Gastfreundschaft freuen – all dies vor einer romantischen Kulisse in Schneeweiß.
Mit der Kraft des Kaffeesatzes: Weihnachtszeit in Kaunas
Kaunas, die zweitgrößte Stadt Litauens, bezeichnet sich selbst als Weihnachtshauptstadt des Baltikums. Das hat einen guten Grund, denn ihr Schutzheiliger ist St. Nikolaus. Dazu überrascht Kaunas jedes Jahr mit kuriosen, aber stets sinnvollen Konzepten in der Weihnachtszeit: In diesem Jahr wird die üppige Beleuchtung des grünen Giganten ökologisch mit der Energie aus Kaffeesatz gespeist. Cafés, Bars und Unternehmen können sich an der Aktion beteiligen, indem sie die Reste ihrer Kaffeebohnen zur Verfügung stellen. Wer in Kaunas Kaffee trinken geht, bringt also nicht nur den Kreislauf in Schwung, sondern lässt zudem die Weihnachtslichter heller strahlen. Noch bis zum 8. Januar 2018 lädt zudem ein kleiner Weihnachtsmarkt zu einem Bummel durch die historische Innenstadt ein.
Ursprünglich und echt: Weihnachtsbräuche am Heiligen Abend
Weihnachten hat in Litauen bis heute seinen ursprünglichen Charme bewahrt. So ist auch Heiligabend durch alte christliche Traditionen und Bräuche mit heidnischen Wurzeln geprägt. Auch heute noch bereiten sich viele Litauer durch adventliches Fasten auf den großen Festtag vor. Das Haus wird geputzt, Handwerker und Bauern reinigen ihre Werkzeuge. Wenn am Heiligen Abend schließlich die Sterne am Himmel erscheinen, vereinen sich alle Familienmitglieder am festlich gedeckten Tisch. Ein Platz wird stets freigehalten – er ist reserviert für verstorbene Angehörige. Aber auch für Bedürftige, die spontan eingeladen werden: eine Geste, mit der der Familie das Glück auch im kommenden Jahr gewogen bleiben soll. Das traditionelle Festmahl besteht aus zwölf Speisen, die symbolisch für die zwölf Apostel stehen, dazu gehören oftmals Speisen wie Hering, süßes Gebäck sowie Suppen aus Trockenfrüchten und Roten Beeten. Fleischgerichte kommen hingegen erst am darauffolgenden Tag auf den Tisch.
Ein fester Bestandteil des Weihnachtsabends ist das Strohhalmziehen: Unter dem Tischtusch wird etwas Stroh ausgestreut, das an die Krippe Jesu erinnern soll. Im Laufe des Abends zieht jedes Familienmitglied einen Halm: Ist er lang, wird ein langes Leben vorhergesagt, wer dagegen einen besonders dicken Halm ergattert, wird mit Wohlstand und Glück belohnt. Und der Weihnachtsmann? Der klopft natürlich auch in Litauen an die Türen. Im Lauf des Abends verteilt er die heiß ersehnten Geschenke an die Kinder, bevor die Erwachsenen dann oft noch zur Mitternachtsmesse gehen.
3D-Märchen und Weihnachtslauf
Der Kathedralenplatz von Vilnius ist einer der Hauptschauplätze für allerlei Events Der Open-Air-Markt „Design Square“ inspiriert vom 12. bis zum 17. Dezember mit alternativen Shopping-Ideen rund um Modedesign, während der Weihnachts-Pop-Up-Markt im Club „Kablys“ am 12. und 13. Dezember mit außergewöhnlichen Schmuckkreationen lockt. Und selbst jene, die noch ein Geschenk in letzter Minute suchen, werden in Vilnius fündig: Beim „Uptown Christmas Last Minute Market“ vom 21. bis zum 23. Dezember im alternativen Kulturzentrum „Loftas“.
Eine kleine Kuriosität ist der traditionelle Weihnachtslauf, der bereits am 17. Dezember stattfindet. Jeder, der sich vor den Weihnachtstagen noch einmal in Form bringen möchte, kann an der sportlichen Veranstaltung teilnehmen – inklusive Verkleidung. Und so absolvieren unzählige Schneewittchen und Schneemänner, Nikoläuse und Christkinder ihren Lauf durch die Innenstadt, angefeuert von den vielen Schaulustigen. Vom 25. und dem 28. Dezember wird die Kathedrale zur Projektionsfläche eines bunten Lichtspektakels: Dann wird die Geschichte vom Nußknacker präsentiert und der ganze Platz verwandelt sich in eine magische Märchenwelt in 3D.
Nach dem Feiern geht’s früh aus den Federn
Wie anderswo auch steckt die Silvesternacht in Litauen voller Aberglauben, Rituale und Bräuche. So besagt ein Sprichwort, dass die Art, ins neue Jahr hineinzurutschen, sinnbildlich für die nächsten 365 Tage steht: Wer Mitternacht verschläft, dem wird ein faules und glückloses Jahr prophezeit – übrigens ebenso wie jenem, der am Neujahrsmorgen zu lange schläft. Auch aus diesem Grund wird in Litauen zu Silvester traditionell nicht exzessiv getrunken. Eines der Silvesterrituale, das junge Leute mit einem Augenzwinkern vollziehen, ist das Aufschreiben von zwölf Namen des anderen Geschlechts auf kleine Zettel.
Zusammen mit einem unbeschrifteten Zettel werden sie nachts unter das Kopfkissen gelegt. Dann wird ein Zettel gezogen: Der darauf notierte Name soll der des zukünftigen Gatten oder der Gattin sein. Wer den unbeschrifteten Zettel zieht, bleibt Single. Wer’s glaubt? Das Silvesteressen ähnelt dem Weihnachtsmahl – beinhaltet diesmal allerdings auch Fleischgerichte. Viele Litauer gehen am Abend mit Freunden aus. Wer beim großen Silvesterspektakel um Mitternacht dabei sein möchte, sichert sich am besten einen guten Aussichtsplatz auf einem der Hügel rund um Vilnius oder stürzt sich auf den Plätzen in der Innenstadt mitten ins Getümmel.
So wie das neue Jahr beginnt, so wird einem litauischen Sprichwort nach das gesamte Jahr werden. Also heißt es am 1. Januar: raus aus den Federn! Übrigens, die Weihnachtszeit dauert in Litauen bis zum 7. Januar, und auch die Weihnachtsmärkte haben so lange geöffnet. Weitere Informationen unter www.tourism.lt oder unter www.Lithuania.travel.
Karsten-Thilo Raab
berichtet seit mehr als drei Jahrzehnten für eine Vielzahl von Zeitungen und Magazinen über Reiseziele weltweit. Zudem hat er sich einen Namen als Autor von mehr als 120 Reise-, Wander- und Radführern sowie Bildbänden gemacht.