Die Königlichen Gewächshäuser in Laeken

Laeken
Blütenpracht im Azaleen-Gewächshaus von Laeken. – Foto: Karsten-Thilo Raab

Der rote Teppich wird nicht ausgerollt. Gleichwohl können sich die Besucher im Norden der belgischen Kapitale Brüssel für wenige Wochen im Jahr im wahrsten Sinne des Wortes königlich fühlen. So auch vom 14. April bis 7. Mai 2023, wenn die Königlichen Gewächshäuser im Schlosspark von Laeken für die Öffentlichkeit zugänglich sind. In der übrigen Zeit des Jahres ist der Besuch der „gläsernen Stadt“, wie das architektonische Meisterwerk mit der großartigen Pflanzenwelt im Innern liebevoll genannt wird, ausschließlich der belgischen Königsfamilie vorbehalten.

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Überall in Laeken finden sich prachtvolle Hingucker. – Foto: Karsten-Thilo Raab

„Die Königin gießt nie die Pflanzen“, verrät Gärtner Romain mit zurückhaltender Höflichkeit und hüpft dabei etwas nervös hin und her. Vermutlich ist sich der Mittvierziger in der markant grünen Arbeitskleidung nicht sicher, ob er mit diesem Geständnis so etwas wie Hofverrat an Königin Paola begangen hat. Schließlich steht der Gärtner zusammen mit seinen 15 Kollegen im Dienste Ihrer Majestät. Nein, mehr wolle er nicht über die First Lady Belgiens erzählen, ergänzt Romain leicht verlegen. Und außerdem könne er wirklich nicht sagen, ob die Königsfamilie über den sprichwörtlichen Grünen Daumen verfüge oder sogar mit den Blumen sprechen würde.

Alle Hände voll zu tun haben die Gärtner in den königlichen Gärten. – Foto: Karsten-Thilo Raab

Doch auch unabhängig davon, ob die obersten Repräsentanten des kleinen Königreichs in den Gärten selber Hand anlegen, gedeiht unter den mächtigen Kuppeln der Glaspaläste eine schier unglaubliche Pflanzenvielfalt. Mehr als 60.000 Pflanzen sind, so das nüchterne Zahlenwerk, in den 14.000 Quadratmetern der Königlichen Gewächshäuser zu finden. Galerien verbinden die Pavillons wie die überdachten Wege eines Einkaufszentrums. Durch die gut 170.000 Scheiben dringt Tageslicht und verströmt mit dem ersten Aufblitzen der Sonne eine wohlige Wärme.

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Einen Hauch von Exotik vermittelt auch das Kongo-Gewächshaus. – Foto: Karsten-Thilo Raab

Zusammengehalten wird die fragile Konstruktion, die König Leopold II. zwischen 1874 und 1894 nach Plänen seines Hofarchitekten Alphonse Balat errichten ließ, durch Gusseisen und Stahl. Viele der in Grün gehaltenen Stahlträger haben im Laufe der Jahrzehnte Patina angesetzt, andere sind eng von Pflanzen und Blättern umschlungen. Einige Fenster verdienen eher den Titel Mattscheibe.

Der Palmen-Pavillon macht seinem Namen alle Ehre. – Foto: Karsten-Thilo Raab

„Jeden Tag werden hier ungefähr 200 Fenster geputzt“, gibt Romain Einblick in die aufwendigen und kostspieligen Unterhaltungsarbeiten. „Und der Glaser wird auch nie arbeitslos“, verweist Romain mit einem Lächeln auf die Tatsache, dass mehrere Hundert Scheiben im Laufe eines Jahres zu Bruch gehen. Er selber verbringt einen wesentlichen Teil seiner Arbeitszeit mit einer überaus spritzigen Tätigkeit. Denn das Meer an Pflanzen muss mit Hilfe von Schläuchen täglich mit bis zu 50.000 Litern Wasser versorgt werden. Besondere Blickfänge bilden die beiden Geranien-Galerien.

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Überall unter den Glasdächern wartet eine beeindruckende Blütenpracht. – Foto: Karsten-Thilo Raab

Meterhoch sprießen an beiden Seiten der langen Schläuche die Geranien mit ihren rosafarbenen, roten und weißen Blütenblättern, während von der Decke Fuchsien herunterhängen. Nur das Summen der Bienen und das Zwitschern der Vögel, denen durch die Glasscheiben der Zutritt verwehrt bleibt, fehlen hier zu einer perfekten Frühlingskulisse.

Überaus faszinierend ist auch die Geranien-Galerie. – Foto: Karsten-Thilo Raab

Einen ganz anderen Charakter weist die Unterirdische Galerie auf. Die Wände sind mit einem ungewöhnlichen grünen Teppich bespannt, der sich bei genauerem Hinsehen als Ficus Pumilia, als kriechende Feigenbäume, erweisen. Aufgelockert wird das Gangsystem durch ein Palmen-, ein Azaleen- und ein Narzissenhaus. Dazwischen finden sich immer wieder Besonderheiten wie ein Zimtbaum oder philippinische Medinillen mit üppigen rosafarbenen Blüten.

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Der Wintergarten weiß ebenfalls mit seiner Pflanzenpracht zu begeistern. – Foto: Karsten-Thilo Raab

Derweil verströmen die zum Teil 200 Jahre alten Zitrusbäume in der Orangerie eine aromatische Frische. Auch Rhododendren aus dem Himalaja, Zimmerlinden, Oleander und steinalte Lorbeerbäume wachsen hier. Im quadratischen Kongo-Gewächshaus und dem Wintergarten strecken sich zwischen Baumfarnen und Bananenstauden stolze Palmen bis zur Decke, als wollten sie mit den Blättern zaghaft an die Scheiben klopfen. Am Fuße der Palmen breiten sich Beete aus Primeln, Aschenblumen und Trompetenzungen aus, hier und da auch Bodendecker, Pantoffelblumen oder Gloxinien, während in den Felswänden Orchideen ins Auge fallen.

Das Diana-Gewächshaus verfügt über einen ureigenen Charme. – Foto: Karsten-Thilo Raab

Die hohe Luftfeuchtigkeit verleiht dem Wintergarten, der in 36 Metern Höhe auf der knapp 42 Meter im Durchmesser großen Domkuppel eine weithin sichtbare Krone trägt, einen leicht moderigen Geruch. Was ganz sicher nichts damit zu tun hat, das König Leopold II. im Jahre 1909 hier zwischen all den Pflanzen und Blumen, die er mit viel Liebe und Sachverstand zusammengetragen hatte, das Zeitliche segnete. Auch wenn Romain mit seinem überschäumenden Gärtnerherz fast schon theatralisch anmerkt, sterbensverliebt in die Königlichen Gärten zu sein. Ein Gefühl, das er mit den bis zu 120.000 Besuchern pro Jahr teilen dürfte. Denn die Königlichen Gärten entpuppen sich als eine kleine botanische Weltreise unter einem Glasdach, die zu einem Erlebnis für alle Sinne wird. Tickets müssen vorab online reserviert werden.