After Seven: Zermatts coole Sterneküche

After Seven
Ein Mörser als Backofen – selbstgebackenes Brot wird im After Seven in Zermatt am Tisch mit Matterhornbutter serviert. – Foto Flo Neubauer

Sternekoch Florian Neubauer und sein junges, engagiertes Team sorgen im hippen Restaurant„After Seven“ im schweizerischen Zermatt dafür, dass es auf dem Teller zu coolen und überraschenden kulinarischen Highlights kommt. In dem vom Zermatter Künstler und Designer Heinz Julen gestalteten, stylischen Ambiente des mit einem Michelin-Stern ausgezeichneten Restaurants treffen Kunst und Kulinarik in einer coolen und singulären Symbiose aufeinander.

Sternekoch Florian Neubauer ist im wahrsten Sinne des Wortes ein ausgezeichneter Meister seines Fachs. – Foto „After Seven“ Restaurant

„Change the view, see the new!“ – das ist die Losung von Sternekoch Florian Neubauer, Küchenchef und zugleich Geschäftsführer im „After Seven“ und „Vernissage“. Gleichsam ein Freigeist und sympathischer Rebell der modernen Kulinarik, bringt der unkonventionelle 36-jährige Jerichower frischen Wind in die Sternegastronomie. Spielerisch frech, unerwartet sind seine Kreationen, humorvoll, manchmal mit der Tendenz absichtlich anzuecken oder behutsam zu provozieren. Das alles, ohne den Bogen zu überspannen. Er will aufräumen mit allzu überkommenen, steifen Ritualen.

Kreative Einrichtung zeichnet das „After Seven“ aus. – Foto „After Seven“ Restaurant

„Ich lege zum Beispiel nicht soviel Wert auf die ganzen Serviceregeln. Die nerven mich teilweise, auch wenn ich selbst essen gehe. Einfach mal cool essen zu gehen, entspannt und ungezwungen, das ist es! Ich hab‘ manchmal keinen Bock auf weiße Tischdecken, alle zwei Minuten schenkt dir einer Wasser nach, da kann ich mich nicht entspannen. Aber das ist halt etwas, was mir gefällt und soll nicht heißen, dass das andere schlecht ist. Wir machen ein paar Sachen halt anders im „After Seven“, sagt er mit einem verschmitzten Lächeln. „Wir sind alle locker drauf, keine ’normalen‘ Köche“, beschreibt er sich und seine Mannschaft. „Wir kochen eher für uns, und wenn uns das Resultat gefällt, dann gefällt es 90% unserer Gäste auch.“

Zum Anbeißen: Babysquid mit Hoisinsauce, Koriander und Gambero Fossi, auf dem Tisch gegrillt. – Foto Peer Völz

Erfindungsgeist und Humor zeichnen ihn aus. Und der Spaß an seiner Arbeit, gepaart mit Fleiß, Engagement und gesundem Ehrgeiz. „Ohne harte Arbeit geht es nicht. Es bewerben sich Köche bei uns, von denen wollen viele am liebsten nur Fernsehkoch sein und nur vier Tage arbeiten und keinen Stress haben. Das funktioniert dann einfach nicht.“ Florian Neubauer ist nicht nur Küchenchef, sondern auch Geschäftsführer des Gastronomiekomplexes und des „Vernissage“ des „Backstage-Vernissage-Hotels“. Dafür hat er eine zusätzliche Ausbildung an der Hotelfachschule absolviert. Jetzt darf er einen großen Komplex leiten mit Partys, Clubbar, Kino und zwei Restaurants, darunter das „After Seven“.

Kleine Küche, große Leistung – das Team vom „After Seven“ zeigt hier, was es kann. – Foto „After Seven“ Restaurant

Warum ausgerechnet Zermatt? „Ich habe in Berlin und London bei Heston Blumenthal und Tim Raue gearbeitet, hatte aber irgendwann die Nase voll von Großstadt, Trubel und Smog.“ Da traf es sich, dass Ivo Adam, der schweizerische Kochweltmeister, Gastgeber und Namensgeber des „After Seven“, ihm den Job als Küchenchef in Zermatt anbot. „Hier habe ich das Gefühl, nicht stehenzubleiben, mich weiter zu entwickeln. Es gibt bestimmt viele gute Köche, aber man muss auch die Möglichkeit bekommen, zu zeigen, was man kann.“

Ein ausgefallener Leckerbissen: Blumenkohlpüree mit Buttermilch, Weißkrautchips und Kaviar. – Foto Peer Völz

Dann fragen wir gleich: Was kann er, wie definiert er seinen Kochstil? Als Crossover charakterisiert er seine Küche, die nicht auf bestimmte Richtungen festgelegt ist und die seine Berufserfahrungen und Reiseerlebnisse widerspiegelt. Davon hat er in seinen relativ jungen Jahren schon reichlich vorzuweisen. Nicht nur in Großstädten bei renommierten Sterneköchen, sondern auch in Asien, Kanada, Australien und Neuseeland hat er gekocht und gelernt. Foodmarkets, Streetfood, Barbecues weltweit, landestypische Zubereitungsarten, all das interessiert ihn und fließt in seine Menügestaltung ein.

Crossover vom Feinsten: Oktopus mit Chip und Espuma von der Chorizo und Chimichurrisauce. – Foto Peer Völz

Sein Blumenkohlpüree mit Buttermilch, mit in Nussbutter gegartem Eigelb, Kaviar, Weißkrautchips mit Tahin und Waldkresse oder der in Olivenöl gegarter Oktopus mit Chip und Espuma von der Chorizo, Fenchel-Grapefruitsalat mit Anis, Chimichurrisauce und Korianderkresse sind nur zwei Beispiele für seine ausgefallenen und köstlichen kulinarischen Kreationen. Seine Rezepte probiert er zusammen mit seinen Souschefs aus. „Wir sagen z.B. nicht, wir haben Ente oder Taube, sondern nach Geschmacksrichtungen wird das Rezept erstellt und die Komponenten kommen dazu. Jeder vom Team bringt etwas von seinen Einfällen dazu. Bei uns heißt es nicht: Viele Köche verderben den Brei, sondern machen ihn nur besser.“

Rund ums Rind: Shortrib vom BBQ mit Knochenmark, Kalbsbäckchen mit Kalbsbries, gefüllte Topinambur und Senfsauce. – Foto Peer Völz

Vorbildlich ist Neubauers Einstellung zur Nachhaltigkeit: „Wir versuchen soviel wie möglich zu verarbeiten. Ob es das Geflügel, der Fisch ist, dass kommt meist alles im Ganzen und wir versuchen alles zu verarbeiten. Aus den Karkassen machen z.B. wir Saucen, auch die Innereien verarbeiten wir.“ Und das konsequent. „Kalbskopf, Ochsenschwanz, Knochenmark und Rinderzunge haben wir bei einem unserer Menüs in der Consommé. Damit haben manche Probleme, aber auch das ist Nachhaltigkeit, denn zur Kuh gehört auch die Zunge oder der Schwanz.“ Qualität kommt für ihn vor Regionalität. „Beim Fleisch z.B. bestellen wir uns von verschiedenen Anbietern das gleiche Stück Fleisch für unser Menü, und nehmen, was uns am besten schmeckt oder am besten zu uns passt. Regionalität ja, aber nicht um jeden Preis.“

Das Ambiente des Restaurants trägt die Handschrift des Zermatter Künstlers und Designers Heinz Julen. – Foto „After Seven“ Restaurant

Vieles ist im „After Seven“ anders als gewohnt. So befindet sich beispielsweise die Rezeption des „Backstage Hotels“ im Restaurant, ohne störend zu wirken. Besitzer und Künstler Heinz Julen hat mit viel Kreativität eine individuelle, außergewöhnliche Einrichtung geschaffen, wohnlich und stylisch zugleich. Vier verschiedene Menüs gibt es in der Saison von Dezember bis April, kein à-la-carte.

Heilbutt pochiert mit Champagner beurre blanc, Lauchpüree und Honigtomate. – Foto Peer Völz

Betritt man das „After Seven“, merkt man sogleich: Hier hat ein junges Team Lust und Freude am Kochen und am Service, versprüht gute Laune, von der auch die Gäste angesteckt werden. Trendige Chillout-Musik und behaglich brennende Holzscheite im Kamin sind zuständig für den ersten Wohlfühlfaktor. Es gibt 4-, 5- oder 7-Gang-Menüs. Für die Menüwahl gibt es nicht wie üblich eine Karte, sondern eine Tafel. Darauf ist lediglich der jeweilige Hauptbestandteil eines Ganges notiert. Entdeckergeist und Neugierde sind bei einem Besuch des „After Seven“ hilfreiche Eigenschaften.

Geschossene Taube, Mini-Rote-Beete, Rote-Beete-Salat mit Haselnuss, Kaffeebulgur, Onionpüree und Cassissegmenten. – Foto Peer Völz

Vor allem aber: man sollte bereit sein, steife Konventionen beiseite zu legen, sich überraschen zu lassen und zu genießen. Das Essen und den Abend. Bei der Menübestellung vernimmt man zu seiner Überraschung und Freude, dass jeder Gang zweigeteilt ist und das jeweilige Hauptprodukt nacheinander in zwei verschiedenen Variationen präsentiert wird, in denen unterschiedliche Teile des Produkts verarbeitet werden. Ein doppelter Genuss also!

Akribie auch beim Anrichten auf dem Teller ist ein „Muss“ für Florian Neubauer. – Foto „After Seven“ Restaurant

Die ersten Appetizer empfängt man entspannt in der bequemen Loungeecke bei einem Apéritiv. Mitmachen gehört dazu. Möhrchen mit Orange-Madagaskar-Mayo, Knoblauch und Rollgerste vom Service gereicht, in die Hand genommen und flugs verzehrt. Unterhaltsam und spannend geht es weiter, jetzt am Tisch. Alles andere als verstaubt und hausbacken ist die Menüfolge. Babysquid mit Hoisinsauce, Koriander und Gambero Fossi, auf dem Tisch gegrillt oder Taubenleber-Praline mit Macadamia-Florentina, Amaranth und Mandarinengeel und Kumquats erfreuen und verwöhnen den Gaumen. Jedoch – gebacken wird auch, direkt auf dem Tisch.

Der Cornalin gehört zu den ältesten Rotweinsorten im Wallis. – Foto Peer Völz

Als Gast ist man sein eigener Bäcker. In einem zum Backofen umfonktionierten Mörser wird das Brot auf dem Tisch gebacken. Die dazugestellte Sanduhr gilt es zu beobachten. Ist sie abgelaufen, ist das „selbstgebackene“ Brot fertig. Designte Matterhornbutter und Kresse samt Schere stehen bereit für den Aufstrich. Im Laufe des ebenso kurzweiligen wie genussvollen Abends gibt es noch ein dunkles Geheimnis im Weinglas zu erraten, eine zweckentfremdete Kaffeemaschine zu bewundern und natürlich weitere Menü-Highlights wie Heilbutt pochiert mit Champagner beurre blanc, Lauchpüree und Honigtomate oder geschossene Taube, Mini-Rote-Beete, Rote-Beete-Salat mit Haselnuss, Kaffeebulgur, Onionpüree und Cassissegmenten.

Gut drauf! Das junge Team um Sternekoch Flo Neubauer auf der Bühne des Vernissage-Kinos. – Foto „After Seven“ Restaurant

Wie schaut’s aus mit der Weinauswahl im „After Seven“? Da hat Ivo Adam, der für die Weinauswahl zuständig ist, jede Menge Asse im Ärmel. Ein kleiner, aber erlesener Weinkeller beherbergt ausgezeichnete und seltene Weine zumeist aus dem Wallis und der Schweiz. Der elegante Amphore Blanc vom Weingut Albert Mathier aus Salgesch, eine Cuvée aus Ermitage und Rèze, einer autochthonen Walliser Rebsorte, mit Aromen von getrockneten Aprikosen und Quitten und leichten Tabaknoten. Oder ein samtiger Cornalin vom Weingut Histoire d’enfer aus Corin, mit Aromen nach Vogelkirschen, Veilchen und Himbeeren. Nicht zu vergessen der Aja, eine naturtrübe Cuvée aus Gamaret und Dilinoir vom Weingut Reto Müller in Leytron, der seit vielen Jahren Weine nach biodynamischen Richtlinien produziert. Alle diese Weine sind als wertvolle Begleiter Bestandteile der Degustationsmenüs.

Ist auch als DJ im Einsatz: Florian Neubauer im Vernissage-Club. – Foto Flo Neubauer

Zum Schluss noch eine Frage an den Sternekoch: Was gefällt ihm an seinem Beruf am meisten, und was überhaupt nicht? Er wiegt den Kopf: „Das beste an meinem Beruf sind die Gäste, das schlechteste sind auch die Gäste. Die Gäste können dir den Abend versüßen, wenn du merkst, dass alle happy waren. Aber es gibt auch Vollidioten, die sich z.B. aufregen, wenn der Service nicht perfekt französisch spricht. Die können dir den Abend wirklich verderben. Du kannst fünfhundert zufriedene Gäste haben, da schreibt nie einer eine Bewertung, aber du hast einen dabei, der dann wegen einer Kleinigkeit negativ schreibt, sowas ärgert mich.“ Florian Neubauer nimmt kein Blatt vor den Mund.

Das Sternerestaurant „After Seven“ in Zermatt hat ein erfrischend anderes, junges, modernes Konzept – und ein ansteckendes Konzept. Eine hohe Inzidenz wäre bei dieser Art von Ansteckung absolut wünschenswert. Weitere Informationen unter www.backstagehotel.ch.