100 Jahre einfach abgesessen: Die Kleine Meerjungfrau feiert Geburtstag

100 Jahre alt und doch jung geblieben: Kopenhagens Kleine Meerjungfrau. (Foto: Karsten-Thilo Raab)
100 Jahre alt und doch jung geblieben: Kopenhagens Kleine Meerjungfrau. (Foto: Karsten-Thilo Raab)

So alt geworden und doch so jung geblieben. Das können wohl nur die wenigsten Damen von sich behaupten. Erst recht, wenn sie bereits 100 Jahre auf dem Buckel haben und noch immer kein einziges Fältchen zeigen. Noch immer strahlt sie diese stoische Ruhe aus, verzieht keine Miene und lässt sich brav immer, und immer wieder fotografieren. Vielleicht ist es ihre ewige Jugend, vielleicht ihre glänzende Schönheit, die tagtäglich Hunderte in ihren Bann zieht. Auf Schusters Rappen oder mit dem Fahrrad machen sich die Menschenmassen seit Generationen auf, um einen Blick auf sie zu werfen und um sich mit ihr ablichten zu lassen. Am 23. August 2013 feiert sie nun ihren 100. Geburtstag. Für Kopenhagen fraglos ein besonderer Tag. Für sie wahrscheinlich ein wie jeder andere. Nur dass ein paar mehr Kameras vor ihr positioniert werden. Aber das stört sie sicher wenig. Sie tut dann das, was sie immer tut: einfach so auf einem Felsen herumsitzen. Ganz nackt. Ebenso wie Gott, oder besser gesagt Edvard Eriksen (1876–1959), sie schuf. Die Kleine Meerjungfrau wird 100 – und ganz Dänemark verneigt sich vor seinem wohl berühmtesten Wahrzeichen im Hafen seiner Hauptstadt.

Ein Wahrzeichen, das deutlich kleiner ist, als sein großer Ruf weit über die Grenzen des Landes hinaus. Denn die Bronzeskulptur, die an die Protagonistin des gleichnamigen Märchens des dänischen Dichters Hans Christian Andersen angelehnt ist, bringt stolze 175 Kilogramm auf die Waage. Das klingt mehr nach einem Sumoringer als nach einem zart gebauten Mädchen, zumal Den lille Havfrue, wie die auf einem Findling thronende Sitzfigur auf Dänisch heißt, gerade einmal 125 Zentimeter groß ist. Entsprechend zeigen sich viele beim Anblick der Berühmtheit überrascht, wie klein sie doch ist.

Andersens Märchenfigur war 15 Jahre alt. So gesehen hat sich die Kleine Meerjungfrau einen Traum erfüllen können und lebt seit genau 100 Jahren ihre ewige Jugend aus. Bildhauer Edvard Eriksen nahm sich für das Äußere der am 23. August 1913 aufgestellten Skulptur die Balletttänzerin Ellen Price zum Vorbild, die im Jahre 1909 als gefeierter Star in der Hauptrolle des Ballettstücks „Die kleine Meerjungfrau“ im Königlichen Theater zu Kopenhagen auftrat. Da die Tänzerin sich jedoch weigerte, dem Künstler nackt Modell zu sitzen, gestaltete Eriksen kurzerhand den jugendlichen Körper nach seiner Gattin Eline. Ob diese auch einen dezenten Bauchansatz hatte, wie ihn die Kleine Meerjungfrau heute öffentlich zur Schau stellt, ist allerdings offen.

Für eine 100-jährige wirkt die Kleine Meerjungfrau durchaus ein wenig schüchtern. (Foto: Karsten-Thilo Raab)
Für eine 100-jährige wirkt die Kleine Meerjungfrau durchaus ein wenig schüchtern. (Foto: Karsten-Thilo Raab)

Auftraggeber für Dänemarks prominentes Wahrzeichen war der Kunstmäzen und Sohn des Firmengründers der in Kopenhagen ansässigen Carlsberg-Brauerei, Carl Jacobsen. Fraglos hatte sich der Bierbrauer nicht träumen lassen, dass sein Geschenk über ein Jahrhundert lang eine derartige Magnetwirkung ausüben wurde. Und so sitzt sie nun, halb Mensch, halb Fabelwesen, seit 100 Jahren an der Uferpromenade Langelinie im Kopenhagener Hafen und wartet vergeblich auf ihren Traumprinzen. Gekommen sind nur Neugierige – und einige Vandalierer. Mit der Folge, dass die Figur immer wieder massiv beschädigt wurde.

Dabei ist Den lille Havfrue in Wirklichkeit nur eine Nachbildung. Das Original wird von den Nachfahren Eriksens an einem unbekannten Ort aufbewahrt. Doch dies hat die Frevler nie wirklich abgeschreckt. Vielleicht liegt es daran, dass die Kleine Meerjungfrau mit Blick auf den Standort an der Hafeneinfahrt eher ein Schattendasein fristet und nicht gerade an einer exponierten Stelle zu finden ist. Die Abgeschiedenheit scheint vor allem in der Dunkelheit Zerstörungswütige auf den Plan zu rufen. Gleich zweimal, 1964 und 1998, wurde das Wahrzeichen enthauptet. 1984 wurde ihr der rechte Arm von irgendwelchen armseligen Kreaturen abgetrennt. 2007 folgte eine Sprühattacke mit Farbe und 2003 wurde sie gar komplett vom Sockel gestoßen.

Unbeirrt setzten die Dänen ihr Wahrzeichen immer wieder in Stand. Wohl auch, weil sie nicht nur für die Bewohner des skandinavischen Königreichs untrennbar mit Kopenhagen verbunden ist. Auch wenn sie ihre Heimatstadt im März 2010 vorübergehend verließ, um bis Oktober desselben Jahres während der Expo in der chinesischen Millionenmetropole Shanghai für ihre Heimat zu werben. In diesem Sinne: „Tillykke med fødselsdagen“ – „Glückwunsch zum Geburtstag“.

Informationen: www.mermaidsculpture.dk

Allgemeine Informationen: www.visitdenmark.comwww.visitcopenhagen.dk

Wissenswertes: Nachbildungen der Kleinen Meerjungfrau gibt es rumänischen Piatra Neamț, im kanadischen in Vancouver sowie Calgary, im amerikanischen Salt Lake City (Utah), Solvang (Kalifornien) und Kimballton (Iowa).

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