
Entweder es regnet oder die Glocken läuten. Wenn beides gleichzeitig passiert, ist Sonntag. Ja, keine Frage, der Münsteraner hat als Westfale durchaus trockenen Humor. Wohl wissend, dass in der überwiegend katholisch geprägten Studentenstadt mit ihren zahlreichen Gotteshäusern, nicht immer die Sonne scheint. Was in Deutschlands Fahrrad-Hochburg Nummer eins aber niemanden wirklich stört. Denn in der charmanten 300.000-Seelen-Gemeinde gehen historische Traditionen und moderne Lebensart Hand in Hand.

Längst ist Münster so etwas wie das deutsche Klein-Hollywood geworden. Mehr und mehr Produktionsgesellschaft entdecken die Stadt des Westfälischen Friedens als Kulisse für Kino- und Fernsehfilme. So genießen die Krimireihen „Wilsberg“ mit Leonard Lansink in der Hauptrolle und der „Tatort“ mit dem kongenialen Ermittlerduo Thiel (Axel Prahl) und Boerne (Jan Josef Liefers) Kultstatus weit über die Stadtgrenzen hinaus.
Auf den Spuren der Krimi-Helden

Und so verwundert es wenig, dass sich Wochenende für Wochenende ganze Heerscharen von Krimiliebhaber bei konkurrierenden Stadtführungen auf den Spuren der Fernsehkommissare zu den Drehorten von Mord und Totschlag machen. Dabei nimmt auch das historische Zentrum rund um den prächtigen Prinzipalmarkt großen Raum ein. Zu beiden Seiten der berühmten Vorzeigestraße reihen sich insgesamt 48 prächtige Häuser aus der Spätgotik und Renaissance nebeneinander, bei dem kein Giebel dem anderen gleicht.

Schon im 12. Jahrhundert errichteten hier Kaufleute ihre Häuser und boten unter Bögen geschützt vor dem Unbill des Wetters ihre Waren feil. Begrenzt wird der Platz an der Südseite durch den Stadthausturm, an der Nordseite durch die Lambertikirche. Schaurige Berühmtheit erlangte die Kirche durch die Tatsache, dass am Turm im 16. Jahrhundert die Leichname dreier Wiedertäufer nach deren Hinrichtung in eisernen Körben (die noch heute zu sehen sind) aufgehängt und so öffentlich „ausgestellt“ wurden.
Zwischen Rathaus und Dom

Am Prinzipalmarkt befindet sich auch das Historische Rathaus von Münster. Vermutlich in Teilen bereits vor dem Jahre 1200 gebaut, gelangte es durch die Verhandlungen zum Westfälischen Frieden, der den Dreißigjährigen Krieg beenden sollte, Berühmtheit. Außerdem wurde hier 1648 der Spanisch-Niederländische Krieg beigelegt und somit der Frieden von Münster geschlossen, der die Entstehung der modernen Niederlande ermöglichte.

Der nahe gelegene St.-Paulus-Dom bildet das religiöse Zentrum des Bistums Münster. Zu den Besonderheiten im Innern des Doms zählt die Astronomische Uhr aus dem Spätmittelalter. In der angrenzenden Domschatzkammer sind religiöse Kunstschätze, aber auch wertvolle Goldschmiedestücke und Textilien aus verschiedenen Jahrhunderten ausgestellt.
Ein Paradies für Radfahrer

Wie überall im Stadtgebiet wimmelt es vor dem Dom an Radfahrern. Nach Schätzungen soll es stolze 500.000 Fahrräder in Münster geben. Und die Pedalritter können sich nicht nur über fast durchgehend flache Wege, sondern auch über ein hervorragend ausgebautes Netz an Radwegen freuen. Eine Besonderheit ist dabei fraglos die innerstädtische Promenade. Die rund 4,5 Kilometer lange Ringstraße, die im Jahre 1770 nach Plänen von Wilhelm Ferdinand Lipper angelegt wurde, umgibt die Altstadt. Die doppelreihige Lindenallee ist komplett autofrei und führt mehr oder weniger direkt an vielen Sehenswürdigkeiten vorbei.

Zu den markanten Gotteshäusern der Stadt zählt fraglos auch die Überwasserkirche, die auch Liebfrauenkirche, genannt wird. Bei der Namensgebung stand die Lage der Kirche Pate. Denn beim Bau im Jahre 1340 lag sie noch außerhalb der Stadtmauern und war nur zu erreichen, wenn jemand das Flüsschen Aa überwand, also „über dem Wasser“. Gegenüber der Überwasserkirche, deren Vorplatz unter anderem auch Drehort der Tatort-Folge „Die chinesische Prinzessin“ war, liegt das Antiquariat Solder, das sich für die Krimireihe „Wilsberg“ immer in das Buchgeschäft von Privatdetektiv Georg Wilsberg wandelt.
Schloss und Botanischer Garten

Direkt angrenzend an die Überwasserkirche beherbergt zudem die nach Plänen von Max Dudler errichtete Diözesanbibliothek – die größte theologische Spezialbibliothek in Deutschland. Rund 700.000 Bücher sowie unzählige wertvolle Handschriften sind hier zu finden.

Nur einen Steinwurf entfernt erhebt sich das prächtige Münsteraner Schloss. Dieses wurde als Fürstbischöfliche Residenz zwischen 1767 und 1787 errichtet. Heute wird das dreiflügelige Gemäuer als Verwaltungssitz der Westfälischen Wilhelms-Universität mit ihren 49.000 Studierenden genutzt. Teil des liebevoll angelegten Schlossgartens ist auch der mehr als 200 Jahre alte Botanische Garten, der in der Tatort-Folge in „Mord ist die beste Medizin“ breiten Raum einnimmt, mit über 8.000 verschiedenen Pflanzenarten.
Museale Schätze

Neuer Stern am Münsteraner Kulturhimmel ist der Neubau des LWL-Museums für Kunst und Kultur. Der 50 Millionen Euro teure, von Volker Staab entworfene Komplex zwischen Domplatz und Aegidienmarkt ist zugleich ein neuer architektonischer Blickfang in Münster. Das Themenspektrum des Hauses reicht vom Mittelalter bis zur zeitgenössischen Avantgarde. Gezeigt werden Werke und Arbeiten von August Macke, Conrad von Soest, von Derick und Jan Baegert oder Conrad Felixmüller, aber auch von Max Ernst, Josef Albers oder der Zero-Gruppe. Das Museum diente noch vor der offiziellen Eröffnung als Kulisse für die Tatort-Folge „Die chinesische Prinzessin“ und wurde auch für die Folge „Fangschuss“ in Szene gesetzt.

Überaus sehenswert ist zudem das Kunstmuseum Pablo Picasso Münster. Dessen Sammlung umfasst rund 800 Werke des Künstlers aus verschiedenen Perioden seines Schaffens. Daneben verfügt Münster über eine Reihe ungewöhnlicher und zum Teil einzigartiger Museen: Da ist beispielsweise das Museum für Lackkunst, das eine Sammlung mit mehr als 1.000 Objekten aus Europa, der islamischen Welt und Ostasien sein Eigen nennt. Ungewöhnlich ist sicher auch das Lepramuseum. Es ist das deutschlandweit einzige Museum, das sich mit der Geschichte, Verbreitung und Bekämpfung der Krankheit auseinandersetzt. Derweil präsentiert das Bibelmuseum neben Bibeltexten auch Papyri, Handschriften, gedruckte Bibeltexte und moderne Computerausgaben der Heiligen Schrift.
See mit Signalwirkung

Das wohl populärste Naherholungsgebiet vor den Toren der Altstadt ist der in den 1920er Jahren angelegte Aasee. Fast schon müßig zu erwähnen, dass dieser immer wieder auch in den Wilsberg- und Tatort-Verfilmungen mit einbezogen wird – besonders prominent in der Tatort-Folge „Schwanensee„, wo Boerne und Thiel sich auf eine Verfolgungsjagd in einem Tretboot in Schwan-Form begeben.

An den Ufern des 40 Hektar große Gewässers findet sich mit dem Allwetterzoo ein weiterer Besuchermagnet, der allerdings schon bessere Tage gesehen hat. Und auch der Name ist irreführend, denn nur ein kleiner Teil des 300 Hektar großen Areals ist so angelegt, dass die Besucher hier trockenen Fußes die etwa 300 Tierarten mit zusammen mehr als 3.000 Tieren in Augenschein nehmen können. Und dies, obwohl es in Münster – wie eingangs erwähnt – ja nicht selten regnen soll.
Wissenswertes zu Münster in Kurzform

Allgemeine Informationen: www.stadt-muenster.de
Krimiführungen: Verschiedene Organisationen bieten Stadtführungen und auch spezielle Krimiführungen durch Münster an. Dazu gehören Stadt Lupe und K3.
Buchtipp für Krimifans: Tatort Münster
Ein ungleiches Paar und witzig spritzige Dialoge sind die Grundbausteine für einen besonders erfolgreichen Teil der Tatort-Reihe im deutschen Fernsehen. Die Tatort-Folgen aus Münster bescheren der ARD regelmäßig Rekordeinschaltquoten und eine ständig wachsende Fangemeinde. Mortimer-Reisemagazin-Redakteur Karsten-Thilo Raab hat sich mit einer Autorenkollegin in Münster auf die Spuren der Krimireihe begeben. In dem vorliegenden Buch finden Tatort-Liebhaber nicht nur alles Wissenswerte zu den bisherigen Münsteraner Tatort-Folgen, sondern auch über deren Darsteller, die Rollen, die diese verkörpern, und die Drehorte. Dabei wird auch ein Blick hinter die Kulissen der Fernsehmacher vor Ort geworfen. Zu erfahren ist, welche Szenen wo in Münster gefilmt wurden, aber auch viele Hintergründe zu der Serie werden aufgearbeitet. Natürlich fehlt auch ein Blick auf das, was Münster sonst so zu bieten hat, nicht. So erweist sich das Buch als eine Mischung aus Tatort- und Stadtführer für Münster mit einer Vielzahl an praktischen Informationen für eine (Kurz-) Reise nach und durch Münster.
Erhältlich ist Tatort Münster – Auf den Spuren von Boerne und Thiel (ISBN: 978-3-86686-586-0) für 10,90 Euro im Buchhandel oder direkt beim Conrad Stein Verlag, wo auch ein Wilsberg-Führer für Münster erschienen ist.

Karsten-Thilo Raab
berichtet seit mehr als drei Jahrzehnten für eine Vielzahl von Zeitungen und Magazinen über Reiseziele weltweit. Zudem hat er sich einen Namen als Autor von mehr als 120 Reise-, Wander- und Radführern sowie Bildbänden gemacht.