Kiloweise Mülltourismus am Mount Everest

Alpinisten und Bergsteiger, die den Mount Everest erklimmen wollen, sollen künftig bis zu acht Kilo Müll wieder mit runter bringen.
Alpinisten und Bergsteiger, die den Mount Everest erklimmen wollen, sollen künftig bis zu acht Kilo Müll wieder mit runter bringen. (Foto Benh Lieu Song)

Das ist der Gipfel. Sogar der mit 8848 Metern höchste der Welt. Als Edmund Hillary und sein Sherpa Tenzing Norgay im Jahre 1953 als Erstbezwinger des Mount Everest ein großes Stück Bergsteiger-Geschichte schrieben, war der Berg vermutlich noch deutlich niedriger. Damit soll natürlich die Pionierleistung der beiden Tausendsassas nicht klein geredet werden, doch in ihren Fußstapfen erklommen seither Hunderte den in oberen Gefilden ganzjährig schneebedeckten Riesen. Nun könnte man meinen, wenn so viele Leute die gleichen Wege gehen, dass es zu gewissen Abnutzungserscheinungen kommen würde und der Mount Everest dadurch geschrumpft sein müsste.

Doch das Gegenteil ist der Fall. Jährlich wächst der Berg vermutlich um ein paar Zentimeter und nähert sich mehr und mehr der magischen 10.000-Meter-Marke – was der durchschnittlichen Reiseflughöhe der meisten Langstreckenflugzeuge entspricht. Dieses Phänomen ist aber nicht etwa auf eine tektonische Verschiebung der Kontinentalplatten zurückzuführen, sondern auf die gewaltigen Müllberge, die die unzähligen Gipfelstürmer auf ihrem Weg nach oben zurücklassen.

Arglos weggeworfener Müll wir auf dem Mount Everest mehr und mehr zum Problem. (Foto Karsten-Thilo Raab)
Arglos weggeworfener Müll wir auf dem Mount Everest mehr und mehr zum Problem. (Foto Karsten-Thilo Raab)

Wenn sie vom Basislager in Nepal losmarschieren, haben sie prall gefüllte Rucksäcke bei sich. Je weiter sie jedoch nach oben kommen, je mehr leeren sich die Rucksäcke. Nicht etwa weil diese Löcher haben, sondern weil die mitgebrachten Essensrationen nach und nach verputzt werden. Es liegt aber auch daran, dass viele der ambitionierten Klettermaxe wohl ähnlich wie Fahrer von Heißluftballons Ballast abwerfen, um weiter und schneller nach oben zu kommen. Dabei bleibt vieles auf der Strecke: Die Rucksäcke, Zelte, Schlafsäcke, Verpackungen von Getränken und Lebensmitteln, aber auch abgefrorene Gliedmaßen, Gebisse, abgestürzte Bergsteiger oder nicht mehr benötigte Sherpa.

Die Folge: Der Weg zum Gipfel des Mount Everest gemahnt optisch an den Gang über die lokale Müllhalde. Ein Zustand, den die Behörden in Nepal nicht länger hinnehmen wollen. Daher werden alle Alpinisten, die höher als das Basislager hinauf wollen, zwangsverpflichtet, beim Abstieg pro Person mindestens acht Kilogramm Müll mit hinunter zu bringen. Was natürlich die Gefahr birgt, das künftig noch mehr Menschen den Mount Everest erklimmen wollen. Schließlich gibt es weltweit genügend Umweltschützer, die eine solche Müllexpedition als Berufung interpretieren dürften.

Thekenbrust-CoverAndererseits ist der Grundgedanke gar nicht schlecht. Wenn zum Beispiel alle Bahnfahrer auf der Rückfahrt zwischendurch aussteigen müssten, um den Müll links und rechts der Gleise einzusammeln, dann sähe es entlang unserer Bahnlinien nicht länger wie bei Hempels unterm Sofa aus. Wobei klar gestellt werden muss, dass die Hempels eigentlich ganz ordentlich sind. Zumindest die von nebenan. Auch Passgiere auf Kreuzfahrtschiffen müssten gezwungen werden, auf dem Rückweg ein paar Kilometer durchs offene Meer zu schwimmen, um wenigstens Teile des Unrats, den sie über Bord geworfen haben, wieder einzusammeln. Das täte dem Meer gut und auch den Passagieren, die nach Tagen des Faulenzen und der Völlerei auf hoher See endlich mal etwas für die eigene Gesundheit täten. 

Buchtipps: Karsten-Thilo Raab: Thekenbrust & Zackendruse, Westflügel Verlag, ISBN 978-3-939408-11-6, 12,50 Euro. Erhältlich ist das Buch im Buchhandel oder direkt beim Verlag.