Eine Reise durch Kastilien León in der Karwoche

Karwoche
In der Karwoche steigt traditionell die Semana-Santa in Zamora.

Nur das Licht der Fackeln und Kerzen erhellt die Dunkelheit. Es herrscht erwartungsvolle Stille kurz vor Mitternacht im kastilischen Städtchen Zamora. Lediglich das leise Raunen der vor der Kirche Santa María de la Horta wartenden Einwohner und Besucher und ein geschäftiges Treiben in der Kirche selbst sind zu hören.

Zamora – eine Stadt lebt die Semana Santa

Es ist der Dienstag der Karwoche. Genau mit dem Schlag der Uhr um Mitternacht treten langsam nach und nach die in ihre weißen Tunikas gekleideten und mit schwarzen Umhängen und Kapuzen verhüllten Mitglieder der „Bruderschaft der Sieben Worte“ durch das Kirchentor. Auf schwarzen Fahnen sind die sieben überlieferten Sätze des gekreuzigten Jesus zu lesen. Am Ende folgt der „Paso“ mit der Skulptur Jesus am Kreuz.

Karwoche
Zamora liegt amlerisch am Fluss Duero.

Die Prozession der Bruderschaft der Sieben Worte gehört zu den in der Nacht veranstalteten Prozessionen in Zamora. Sie beeindrucken besonders durch ihre Stille, die nur durch den gleichmäßigen Klang der Trommeln und Klappern und dem langgezogenen Klagen der Tuba durchbrochen wird. Mit wogenden Schritten ziehen die Mitglieder der Bruderschaften langsam durch die dunklen Straßen der Stadt, die gerade in den Nächten eine mystische Atmosphäre versprüht. Diese Atmosphäre und die Schlichtheit der Pasos und Prozessionen sind es, die der Karwoche von Zamora ihre besondere Schönheit verleihen.

Zwei Prozessionen am Tag

Fackeln sorgen bei der Semana-Santa in Zamora für eine besondere Atmosphäre.

Von Donnerstag vor Palmsonntag bis zum Palmsonntag selbst findet jeweils eine, danach täglich zwei Prozessionen der insgesamt 16 Bruderschaften des Städtchens statt. Die nächtlichen Prozessionen sind gekennzeichnet durch ihre Andacht und Stille; tagsüber prägt sie die Musik. Immer wieder kommt die Gruppe der Büßer, die Nazarener genannt werden, zum Stehen, um einen Choral anzustimmen. Zu den besonders beeindruckenden Prozessionen zählen in Zamora die Prozession der Stille der „Cofradía del Silencio“ oder Bruderschaft des „Santissimo Cristo de las Infurias“ am Mittwochabend, die auf dem Platz der imposanten Kathedrale Zamoras mit ihrer wunderschönen Vierungskuppel im für die Region typischen Stil, beginnt. Dort legen die Mitglieder zunächst als feierliche Opfergabe ihren Schweige-Eid ab.

Am Gründonnerstag erklingt nach Mitternacht auf der Plaza del Viriato das „Miserere“ der Bruderschaft des Liegenden Jesu, nachdem eine der schönsten Christusskulpturen aus dem 17. Jahrhundert durch die Straßen getragen wurde. Zum begeistertem Applaus führt am Karfreitag der Augenblick der „Verbeugung“ der verschiedenen Pasos, wie die reich geschmückten Heiligendarstellungen der Karwoche genannt werden, vor dem Bildnis der Gottesmutter, der Virgen de la Soledad“.

Wurzeln für Karwoche im 13. Jahrhundert

Am Donnerstag vor Ostern steigt die Prozession del Silencio Nuestro Padre Jesus Nazareno.

Zamora lebt bis in die heutigen Tage die Semana Santa, die Karwoche, deren erste Erwähnung hier bereits aus dem 13. Jahrhundert stammt. Das ganze Jahr über sind im in der Altstadt gelegenen Museum der Semana Santa 37 der Heiligenskulpturen zu sehen, die größtenteils von namhaften Bildhauern wie Mariano Benlliure oder Ramón Álvarez geschaffen wurden. Waren es im Mittelalter die Klöster und Konvente, die die ersten Prozessionen mit den Pasos durchführten, so gehört die Tradition der Karwoche von Zamora heute zu den am meisten beeindruckenden Spaniens. Einfachheit, Stille und Andacht prägen die Prozessionen Zamoras und ein Besuch vor Ostern bleibt zweifelsohne im Gedächtnis haften.

Aber auch außerhalb der Osterzeit ist Zamora ein sehenswertes Städtchen mit seiner direkt am Río Duero gelegenen Altstadt. Überragt von der prachtvollen, gerippten Vierungskuppel der Kathedrale macht es Spaß durch die engen Gassen mit ihren Stadtpalästen und romanischen Kirchen zu bummeln und sich vom mittelalterlichen Ambiente gefangen nehmen zu lassen. Weitere
Informationen unter https://semanasantadezamora.com und unter www.turismoenzamora.es.

Die Karwoche in Ávila

In Avila sind die Stadtmauer undder Glockenturm in den Abendstunden prächtig illuminiert.

Während die Karwochenfeierlichkeiten in Andalusien sich hochemotional zwischen tiefer Trauer und andalusischer Lebenslust bewegen, beeindrucken in ganz Kastilien die Prozessionen gerade durch den ernsthaften, getragenen und eher bescheidenen Charakter, in denen die Stille eine bedeutende Rolle spielt. So auch in Ávila, der Stadt der Heiligen Teresa, die ohnehin das ganze Jahr über hinter ihren mächtigen Mauern ein besonderes Ambiente, geprägt durch den tiefreligiösen mittelalterlichen Charakter und die zahlreichen Kirchen und Klöster, bewahrt hat.

Absolute Stille herrscht auch dort nicht nur während der nächtlichen Miserere-Prozession am Dienstag vor Ostern, wenn nur der Gesang des „Miserere“ durch die stillen dunklen Pflastergassen hallt. Seit 500 Jahren ziehen die Prozessionen in der Karwoche durch die Stadt entlang der beeindruckenden Stadtmauer, die UNESCO Weltkulturerbe ist. Heute sind es 14 Bruderschaften, die 15 Prozessionen mit insgesamt 39 Pasos vom Freitag vor Palmsonntag bis Ostersonntag organisieren und durchführen. Unvergesslich bleibt den Besuchern Ávilas die Kreuzwegprozession am frühen Morgen des Karfreitag entlang der mächtigen Stadtmauer.

Prozessionen zwischen Aquädukt und Märchenschloss

Im Schatten des beeindruckenden Aquädukts steigt die Karfreitagsprozession in Segovia.

Keine Stadtmauer, dafür aber ein gewaltiges Aquädukt erblicken die Besucher Segovias, eine der nächsten herrlichen Städte Kastiliens, schon von weitem. Hinzu kommt ein Märchenschloss und ein Ambiente, das in ziemlichem Gegensatz zur strengen Frömmigkeit Ávilas steht. Segovia vermittelt den Eindruck von Lebensfreude und vor allen Dingen gastronomischen Genüssen. Viele seiner Besucher kommen gerade des Essens wegen in das charmante Städtchen. So sind vor allem die zahlreichen Asadores, die Grillrestaurants, die die für die kastilische Küche legendären Lammbraten und Spanferkel zubereiten, bei Segoviabesuchern beliebt.und gerühmt.

Ehemalige Adelspaläste mit der für Segovia typischen Fassadendekoration, den Escraviados, bei denen flechtwerkartiger Stuck die Fassaden verschönert, zieren die Plätze und Straßen der Stadt. Neben dem Aquädukt aus dem 1. Jahrhundert ist der Märchenpalast des Alcázar mit seinen Türmen und Erkern das zweite charakteristische Wahrzeichen Segovias. Das alles bildet die Szenerie für die Traditionen der Karwoche. So bleiben auch hier vor allem die nächtlichen Prozessionen mit ihrem Ambiente der Stille, dem Licht der Fackeln und Laternen, dem Klang der Hörner und Trommeln und die festlich geschmückten Pasos vor dem Hintergrund der großartigen beleuchteten Sehenswürdigkeiten der Stadt in Erinnerung.

Die Karwoche am Jakobsweg

Opulente Glaskunst prägt die Kathedrale von León.

In León am Jakobsweg gehen die Traditionen der Karwoche auf das 16. Jahrhundert zurück. Die Stadt, die eine der großartigsten Kathedralen der spanischen Gotik ihr eigen nennt, begeht die traditionellen Feierlichkeiten mit 30 Prozessionen. Die Karwoche in der ehemaligen Hauptstadt des einstigen Königreichs von Kastilien wurde zum Fest von internationalem touristischen Interesse erklärt. Sie beginnt am Freitag vor Palmsonntag mit dem Auszug der Virgen del Mercado aus ihrer Kirche und endet mit dem Auffliegen der Friedenstauben am Ostersonntagmorgen.

Die Mitglieder der 16 Bruderschaften, die hier „Papones“ genannt werden, tragen in diesen Tagen während der Prozessionen kunstvolle Skulpturen aus ihren Kirchen auf die Straßen, meist geschaffen von namhaften Barockkünstlern wie Juan de Juni, Gregorio Fernández oder Luisa Roldán. In der Nacht von Gründonnerstag auf Karfreitag schallen durch die Straßen Leóns Glockengeläut, Paukenschläge und der Klang von Hörnern. Bei der sogenannten „Ronda“ ziehen die Mitglieder ihrer Bruderschaft durch die Stadt und künden auf dieses Weise den nahen Beginn der Prozession der Heiligenskulpturen „Los Pasos“ am frühen Karfreitagmorgen an.

Volkstümliches hinter römischen Mauern

Ein famoses Ensemble: der Bischofspalast und die Kathedrale in Astorga.

Reist man weiter entlang des Jakobsweges, so erreicht man Astorga, genau wie das mehr als 2000 Jahre alte León, eine weitere römische Stadtgründung. Hier, an der alten Via de la Plata der Römer fallen die drei Wahrzeichen des Städtchens in den Blick: die römische Stadtmauer, die Kathedrale Santa Maria aus dem 15. bis 18. Jahrhundert und der modernistische Gaudí-Palast, der heute das Jakobswege-Museum beherbergt.

Die Karwoche Astorgas besticht durch ihren volkstümlichen Charakter, seit gut einem Jahrhundert untermalt durch die Musik des stadteigenen Orchesters. Besondere Momente bilden in den Karfreitagsprozessionen die Kreuzigung Christi, bei der die Mitglieder der Bruderschaft in einem nichtöffentlichen Akt durch symbolische Hammerschläge die Nägel durch Hände und Füße des Gekreuzigten bohren, sowie die Kreuzabnahme in der Prozession zum Begräbnis Jesu. Auch die kunstvoll aus Holz geschnitzten Heiligenskulpturen, wie die von einem unbekannten Bildhauer geschaffene Figur des Gekreuzigten von 1560 oder der Gegeißelte Christus, eine Skulptur aus dem Jahr 1666 des Bildhauers Pedro del Valle zeugen von der jahrhundertealten Tradition der Karwoche von Astorga.

Schwarz gekleidetet Nazarener

Herzstück von Ponferrada: Die  Plaza und Basilika Nuestra Senora de la Encina. – Fotos Spanisches Fremdenverkehrsamt

Fast an der Grenze zu Galicien sei hier noch Ponferrada erwähnt. Denn die Karwoche der Stadt mit der mächtigen alten Templerburg hat eine Besonderheit, die lediglich hier existiert, die Figur des „Lamprión chupacandiles“. Zu Beginn der Prozessionen geht ein in schwarz gekleideter Nazarener, Mitglied der ältesten Bruderschaft Ponferradas, der Hermandad Jesús Nazareno, von der Basilika La Encina aus durch die Straßen des Ortes, um mit einer Glocke läutend den Beginn der traditionellen Prozessionen der Semana Santa zu verkünden. Er wird seit jeher begleitet von einer Schar Kinder und Erwachsener. Eine Tradition, die die Bruderschaft vor mehr als 400 Jahren ins Leben gerufen hat.