Corona und Cortina: Die Krise als große Chance?

Cortina
Alles ruht in Cortina. Doch hinter den Kulissen sprießen die Ideen. – Foto: Lorenzo Gambato

Keiner weiß, wie es weitergeht – auch in Cortina d’Ampezzo nicht. Das Leben in dem venezianischen Bergdorf, das als Sinnbild für naturnahen Luxusurlaub in den Dolomiten gilt, steht still. Hier, wo nächstes Jahr die Alpine Ski-WM und 2026 die Olympischen Winterspiele ausgetragen werden, ist alles dicht. Keine Besucher, konsequenter Shutdown bereits seit Anfang März. Doch hinter den Kulissen erwacht die Widerstandskraft – die positive sozusagen, die Soziologen unter dem Begriff der Resilienz fassen. Man könnte es auch als Prinzip Hoffnung bezeichnen, das sich aus den Erfahrungen der Vergangenheit speist und als kollektives Bewusstsein im Dorf verankert ist. „Wir haben schon andere Krisen gemeistert und wir können Corona als Chance begreifen“, sagt Francesco Corte Colò von Cortina Marketing. „Die Konzentration auf unsere Grundwerte und auf die Stärke, die nur aus gemeinschaftlichem Handeln erwachsen kann, sind unsere Stützen auf dem Weg in die Zukunft.“

Weise Worte aus dem Munde eines 27-Jährigen. Corte Colò ist erst in zweiter Linie Marketing-Experte. In erster Linie ist er Ampezzaner. In eine Familie hineingeboren, die schon seit Jahrhunderten hier lebt. Die zu den Regolieri gehört, die sich ihre geschichtsträchtige Selbstverwaltung bewahren konnten, auch nachdem sie im Zuge des Ersten Weltkriegs nicht mehr Österreicher waren, sondern den Italienern zugeschlagen wurden. Nach wie vor gehören den Regolieri 80 Prozent des Grundbesitzes, sie verwalten die Almen und Wälder zusammen, haben die nachfolgenden Generationen im Blick und wirtschaften als Gemeinschaft nachhaltig.

Francesco Corte Colo vor der Bergkulisse der Dolmiten. – Foto: Cortina Marketing

Wie überall belebt dabei auch in Cortina d’Ampezzo die Konkurrenz das Alltags-Geschäft. Im Moment jedoch verschwinden kleine Egoismen, man besinnt sich und sucht kollektiv nach zukunftsweisenden Strategien, die über die Krise hinaus tragen und im Idealfall künftig Wettbewerbsvorteile schaffen. „Viele Gedanken, viele kleine Schritte“, beschreibt Corte Colò die Situation vor Ort. Aktuell arbeiten Hotels etwa an einem neuen Nachhaltigkeits-Siegel und nutzen die Zeit für weitere Optimierungen im Hintergrund. Als eine der ersten touristischen Regionen stärkte Cortina darüber hinaus den Kontakt zu den Gästen, die derzeit nur vom Urlaub träumen können. „Take Cortina home“ ist der Titel der Initiative, die Besuchern der Internetseite mit typisch ampezzanischen Koch- und Backrezepten, mit Ausflügen in die Vergangenheit der Region und Tipps für die Zeit nach Corona die Abstinenz versüßt.

„Wir stehen für unsere hervorragende Küche, die einzigartige Landschaft im Herzen der Dolomiten und unsere besondere Geschichte“, sagt Corte Colò. Diese Grundwerte spiegeln sich im Destinations-Profil, das jetzt weiter ausgefeilt wird. Es gibt viele Ideen und Möglichkeiten, die unberührte Natur und die italienische Gastfreundschaft noch greifbarer zu machen.

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Hoffnung: 2026 finden in Cortina nach 1956 wieder die Olympischen Winterspiele statt. – Foto: Archivio Foto Zardini

Während man andernorts in Schockstarre verharrt, tut sich in Cortina d’Ampezzo viel hinter den Kulissen. Denn eins ist klar: Die Krise wird vorübergehen und man will gerüstet sein, im besten Fall erstarkt daraus hervorgehen. „Im Umgang mit Katastrophen haben wir Resilienz gelernt“, erklärt der Ampezzaner und verweist auf die Geschichte.

Cortinas Aufstieg begann Mitte des 19. Jahrhunderts, als wohlhabende Reisende aus England, Deutschland, Frankreich und Russland das Bergdorf in den Dolomiten für sich entdeckten. Dann brach der Erste Weltkrieg herein, die Frontlinie zwischen Österreich und Italien zeichnet noch heute die Flanken der Hausberge (am Lagazuoi und den Cinque Torri sind die Schützengräben als Freilichtmuseen erhalten). 1918 schließlich wurde die Region Italien zugeschlagen. „Wir rückten zusammen, bauten unsere Heimat wieder neu auf, eröffneten Hotels und Skischulen“, berichtet Corte Colò. So auch nach dem Zweiten Weltkrieg. Bereits 1948 bewarb man sich für die Olympischen Winterspiele 1956 und bekam den Zuschlag. „Ein wichtiges Ziel, das die Energien bündelte und uns Mut gab.“

Jetzt ist der Blick auf 2021 gerichtet. Dann finden die Alpinen Skiweltmeisterschaften in Cortina d’Ampezzo statt – und es gibt noch viel zu tun. Das nächste Großereignis sind die Olympischen Winterspiele, die 2026 in Cortina d’Ampezzo und in Mailand ausgetragen werden. Weitere Informationen unter www.dolomiti.org.