
Da hat Frau Holle wohl heimlich an der Tür gelauscht. Gestern noch war das Pillerseetal in Grün, Grau und Braun getaucht. Heute ist dieser Teil Tirols komplett mit puderzucker-weißem Schnee überzogen. Und Frau Holle schüttelt die Kissen ohne Unterlass weiter aus. Am offiziellen Schneemesspunkt in Hochfilzen ist bereits die Marke von zehn Zentimetern erreicht – Tendenz stark, und vor allem schnell steigend.
Vorbei am Biathlon-Oval mit der gespurten Loipe geht es querfeldein zur Feistenauer Straße, der österreichischen Bundesstraße 164 und Hauptverkehrsader durch das beschauliche Hochfilzen. Über die Hosenbeine sind vom Schuh bis unterhalb der Knie wasserdichte Stulpen gezogen. Unter die Füße sind merkwürdig anmutende Dinger geschnallt, die wie gehäkelte Tennisschläger ohne Griff aussehen. Ein Skistock in jeder Hand gibt zusätzlich Halt. Das Gehen mit den tropfförmigen Schneeschuhen ist ein wenig gewöhnungsbedürftig. Bei jedem Schritt sinken wir ein Stück in den losen Neuschnee ein. Und doch geht es mit jedem Schritt auch ein wenig besser.
Tropfenförmige Gehhilfe

„Schneeschuhwandern ist keine Hexenkunst“, lacht Gerhard. Das Ganze sei deswegen babyeinfach, weil der Bewegungsablauf intuitiv richtig gemacht wird, so der kernige Tiroler weiter. Schließlich könne man nicht wirklich viel verkehrt machen: „Und rückwärts durch den Schnee zu stapfen, ist einfach nicht möglich“, ergänzt der kletterbegeisterte Guide, der im Sommer seine Brötchen als Drucker verdient.
Auf der anderen Seite der Bundesstraße geht es bergan in ein weites Wald- und Wiesengebiet. Mit jedem Schritt wird es ruhiger. Der Lärm der Straße verstummt zunehmend, bis nur noch das gleichmäßige Knirschen der Kunststoff-Schuhe im Schnee zu hören ist. Ein fasst schon meditatives Erlebnis. Ja, so klingt der Winter in Tirol. Und die weit geöffneten Himmelspforten, aus denen weiter der Schnee leise und in rauen Mengen fällt, sorgen dafür, dass dieses besondere Klangerlebnis nicht verstummt.
Im Reich der Stille

„Die Ruhe abseits des sonst üblichen Pistentrubels macht den großen Reiz des Schneeschuhwanderns aus“, unterbricht Gerhard Blaas für einen Moment die Stille in mitten der weißen Idylle. Ja, mit den Schneeschuhen unter den Füßen, lässt es sich mit Leichtigkeit in Regionen bewegen, in denen sonst keine Menschenseele zu sehen ist. Die einladend weiße Schneedecke vor uns dokumentiert, dass hier zumindest heute noch niemand hergekommen ist.
Noch nicht mal ein Hase oder ein Reh hat sich hier verlaufen. Der herrliche Pulverschnee ist unberührt, die Schneekristalle funkeln sogar im matten Tageslicht und die klare Bergluft füllt die Lungen. Mit leicht gesenktem Kopf bewegen sich die Mitglieder unserer kleinen Schneekarawane weiter. Wie eine Entenfamilie stapfen alle durch den höher werdenden Schnee hinter Gerhard her.
Blick auf Hochfilzen

Trotz der Temperaturen knapp unter der Null-Grad-Grenze durchaus eine schweißtreibende Angelegenheit, zumal es weiter leicht bergan durch ein Waldstück geht. Dabei werden immer wieder auch Blicke auf das mit jedem Schritt kleiner werdende Hochfilzen mit seiner markanten Pfarrkirche „Unsere Liebe Frau Maria Schnee“ aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts frei.
Keine Frage, Schneeschuhwandern ist wie Treppensteigen. Als Geländer dienen dabei die Skistöcke in der Hand. Als ein etwas flacheres Teilstück vor uns liegt, wird es noch sportlicher. Gerhard ruft zu einem kleinen Sprintduell auf. Und das Wettrennen, bei dem Dabeisein alles ist, entpuppt sich als herrlicher Spaß, zumal die Schneeschuhe im Sauseschritt den Schnee meterhoch aufwirbeln, ehe die zweibeinigen „Rennschnecken“ sich nach Luft japsend und laut lachend in der weißen Pracht wälzen.
200 Höhemeter in 150 Minuten

In gut zweieinhalb Stunden legen wir fast vier Kilometer mit knapp 200 Höhenmetern zurück. Klingt wenig, ist aber mit den ungewohnten Schneeschuhen doch eine Menge. Nur gut, dass es unterwegs hier und da ein paar Parkbänke gibt, um einen Moment durch zu schnaufen. Da macht es auch nichts, dass die Sitzgelegenheiten mit einer Schneedecke überzogen sind. Ebenso wie die weite Ebene der Dorfloipe in Hochfilzen, wo sich am offiziellen Messpunkt während unseren Abwesenheit die Schneemenge mal kurz verdoppelt hat.
Wissenswerte zum Schneeschuhwandern
Informationen: www.pillerseetal.at
Lage: Das Pillerseetal in Tirol in Österreich wird eingerahmt von den Kitzbüheler Alpen sowie den Loferer und Leoganger Steinbergen. Die Region, die sich aus den fünf Orten Fieberbrunn, Waidring, St. Jakob in Haus, St. Ulrich am Pillersee und Hochfilzen zusammensetzt, liegt zwischen Kitzbühel und Saalbach an der Grenze zu Salzburg.
Schneeschuhwandern: Geführte Schneeschuhwanderungen bietet u.a. Nordic Academy mittwochs von 10 bis 13 Uhr sowie nach Vereinbarung ab 18 Euro pro Person an. Informationen: Nordic Academy, Kulturhausstraße 1a, A-6395 Hochfilzen, Telefon 0043-(0)664-1116421, info@nordicacademy.at, www.nordicacademy.at.

Tipp: Entspannung pur, und dies nicht nur nach einer Schneeschuhwanderung, bietet die Tote Meer Salzgrotte in St. Jakob in Haus. In der künstlichen, rund 140 Quadratmeter großen Grotte herrscht ein einzigartiges, gesundheitsförderndes Mikroklima, das sich positiv bei Allergien, Hauterkrankungen, Verdauungs- und Atemwegsproblemen, aber auch bei Stress und Kreislaufproblemen auswirkt. Zu verdanken ist dieser Effekt insgesamt rund 40.000 Kilogramm Salz aus dem Toten Meer, die auf Wänden und Böden verteilt sind und sich durch hohe Luftlöslichkeit auszeichnen. Informationen unter www.meer-salz.at.
Buchtipp: Eisiges Abenteuer für Schneeliebhaber
Schon kurz nach Fynns Ankunft im Forschungscamp seines Vaters in der frostigen Arktis passieren unglaubliche Dinge. Nur gut, dass Fynns neue Freundin Maja sich weder vor der Blauen Hexe der Tiefe, den Geschehnissen im Land der Koingz, noch vor der Verbrecherbande in der bizarren Unterwasserstadt einschüchtern lässt.
Und mit ein bisschen Glück gelingt es den beiden sogar, die Waldriesen aus ihrem steinernen Gefängnis zu erlösen. Doch werden sie es auch schaffen, das geheimnisvolle Amulett des Meisters der Finsternis zu aktivieren und ihre Eltern aus den Klauen des ewigen Eises zu befreien?
Ohne Frage, hat Meister der Finsternis schon jetzt das Potential zum Jugendbuch des Jahres, auch wenn der Abenteuerroman von Mortimer Reisemagazin Redakteurin Susanne Timmann ganz sicher nicht nur Kinder und Jugendliche in seinen Bann ziehen dürfte.
Erhältlich ist das Meister der Finsternis (ISBN 978-3-939408-65-9) von Susanne Timmann für 17,99 Euro im Buchhandel oder versandkostenfrei beim Westflügel Verlag.

Karsten-Thilo Raab
berichtet seit mehr als drei Jahrzehnten für eine Vielzahl von Zeitungen und Magazinen über Reiseziele weltweit. Zudem hat er sich einen Namen als Autor von mehr als 120 Reise-, Wander- und Radführern sowie Bildbänden gemacht.