Zumindest die Deutschen tummeln sich gefühlt gerade alle am Ostseestrand. Dabei gibt es hier in im Süden Italiens, in Apulien, Adria-Feeling pur und nicht aus der Konserve. Und für jeden Geschmack das passende Angebot: vom privaten Beachclub bis zu menschenleeren Dünen wie auf Sylt und Felsenstrand wie an Kenias Küste reicht die Palette der Badevergnügen entlang der italienischen Ostküste. Und immer wieder stutzt man, wie wenig hier los ist.
„Normalerweise wäre das alles voll. Aber seit Corona muss man die Touristen teilweise suchen“, erklärt Caroline Groszer. Die Schweizerin mit deutschen Wurzeln betreibt hier seit einigen Jahren neben zwei edlen Ferienwohnungen in der Altstadt von Fasano und Ostuni die Masseria Alchimia, einen edel renovierten alten Olivenöl-Bauernhof.
Alle Alchimia-Häuser sind in traditionellem Baustil erbaut, ausgestattet mit einem Mix von Designermöbeln, moderner Kunst und einheimischem Kunsthandwerk. Die massive Bauweise der Masseria und die kleinen Fenster sorgen auch bei hochsommerlichen Süditalien-Temperaturen innen für angenehmes Klima. Wem das nicht reicht, der drückt aufs Knöpfchen der Klimaautomatik.
Acht „Ferienappartments“ bietet sie hier an. Darunter die Romantica-Suite mit Blick bis zum Meer und offener Küche oder die Junior-Suite mit Gartenausgang, zwei Bädern und Riesenbadewanne im Schlafzimmer.
„Meine Gäste kommen hierher, um mal richtig auszuspannen: Strand, Shopping gutes Essen und Faulenzen stehen ganz oben auf der Prioritätenliste“, erzählt Caroline Groszer. „Normalerweise sind die alle ein Jahr im Voraus ausgebucht. Aber Corona hat natürlich in dieser Saison für ordentliche Ausfälle gesorgt“, erzählt sie. Dabei hat sie sich einiges einfallen lassen.
Während des harten Lockdowns etwa, als die Restaurants nicht öffnen konnten, hatte sie mit den Wirten in der Umgebung gesprochen, dass ihre Gäste sich von deren Speisekarten direkt bis in die Masseria beliefern lassen konnten. Einer, der gern geliefert hat, ist Silvestro Valentini. Im Restaurant „Silvé„ bedient er seit wenigen Tagen wieder Gäste in der Altstadt von Fasano. Seine Mutter Maria steht in der Küche.
„Das ist hier nicht sehr demokratisch“, erklärt er, als der Reporter nach der Speisekarte fragt. Maria bereitet Spezialitäten aus Apulien, aber auch aus anderen italienischen Regionen vor – und abends gibt es dann ein wunderbares Mehr-Gänge-Menü. Wer keinen der guten lokalen Weine dazu bestellt (Achtung: Fehler!), zahlt etwa 30 Euro pro Person für einen perfekten Abend. Und vom Grammophon läuft Schmalz-Barde Benjamino Gigli.
Wer zuviel Pasta intus hat, kann sich dann ganz auf das Faulenzen im wunderschönen Garten von Caroline Groszers Massseria konzentrieren. Langsam aber sicher nimmt der Betrieb wieder Fahrt auf. Italienische Gäste versuchen um Übernachtungspreise zu feilschen. „Was aber immer noch fehlt, sind meine Gäste aus Deutschland, Frankreich, Österreich“, erklärt Caroline Groszer.
In Apulien macht das Verfahren noch Spaß. Gerade noch ist man auf der Autobahn, biegt ab um an den Strand zu fahren – und plötzlich steht man mitten in einem Olivenhain. Mehr als ein Drittel der italienischen Produktion von Olivenöl soll hier geerntet werden. Die rotbraunen Böden, auf denen die viele hundert Jahre alten Bäume knorrig wachsen sind von Felssteinmauern eingefasst, die engen Fahrstreifen dazwischen erinnern an englische Straßen.
Und ehe man es sich versieht, kurbelt man auf Serpentinen in die Höhe. Die Berge sind hier nicht weit entfernt vom Meer. Von dort oben hat man einen schönen Blick auf die fruchtbare Ebene – und: die Strände. Und die sind nun wirklich die Goldstücke dieser Gegend. Auch Enzo Romito, der hier 2000 Quadratmeter Privatstrand anbietet, stöhnt nicht nur unter der sommerlichen Hitze, sondern wegen der ausbleibenden Gäste.
„Wir nutzen die Zeit gerade, um alles schick zu machen. Und wegen der Corona-Auflagen müssen wir ja auch einiges umräumen“, erklärt der 74-Jährige, der eigentlich mit seiner britischen Frau in London lebt und nur die Sommermonate in seiner apulischen Heimat verbringt. Hier hat er vor ein paar Jahren den Viar Beach Club eröffnet. „Das Gelände gehörte meiner Familie. Als ich angefangen habe, hier zu bauen. standen auf dem Areal zwei Bäume. Jetzt sind es fast 1500, und die meisten habe ich selbst gepflanzt“, erklärt er.
Neben dem bewachten Parkplatz steht eine zweistöckige Lounge mit Bar und Restaurant, ein Pool für windige Tage und drei Fremdenzimmer gibt es auch. Eingerichtet wurde das alles von Enzo selbst. „Ich bin viel gereist in meinem Leben, war viel in Bali und der Karibik. Das, was ich dort an Strandkultur erlebt habe, wollte ich hier auch aufbauen. Die meisten Möbel habe ich deswegen aus diesen Gebieten importiert“, erzählt der Mann, der seit den frühen 1970er Jahren als Jurist im Vereinigten Königreich für die Handelsschifffahrt tätig war.
Am seinem Strandabschnitt stehen die Sonnenschirme drei Meter auseinander. „Das ist eine Auflage unserer Stadtverwaltung in Ostuni“. Einen netten Nebeneffekt für den Touristen hat das natürlich: jetzt steht wirklich jede Liege in der ersten Reihe am Meer. Wer möchte, kann sich aus dem Restaurant direkt bis an den Strand bedienen lassen.
Die Preise halten sich in Grenzen: Parken, Sonnenschirm, zwei Liegen, gutgelaunte Rettungsschwimmer, Duschen und Toilettennutzung, Swimmingpool – wer als Pärchen kommt, zahlt dafür 35 Euro am Tag. Club-Besitzer Enzo hat die Corona-Krise übrigens auch selbst eiskalt überrascht. „Ich war im Winter hier, um Bauarbeiten zu überwachen. Und als ich zurück nach London fliegen wollte, hat man hier dichtgemacht. Jetzt saß ich hier fest. Aber sind wir mal ehrlich: es gibt echt schlimmeres, als in Apulien festzusitzen“, erklärt der Süditaliener mit einem Schmunzeln.
Auch an anderen Orten der Adriaküste, wo sich in der Vergangenheit die Menschenmassen drängten, herrscht jetzt Freiraum. Im pittoresken Alberobello, bekannt für seine „Trulli“, kleinen Häusern mit kegelförmigen Dächern aus Feldsteinen, sitzen in diesem Jahr die Souvenirverkäufer vor ihren Läden und wundern sich, dass sie die andere Straßenseite sehen können.
In den Gassen von Ostuni bleiben die Tische der kleinen Restaurants leer. In Polignano a Mare, wo sich sonst die Instagram-Kids auf den Balkonen über der Adria tummeln, um den Sonnenuntergang zu fotografieren, sitzen nur einige Einheimische in der Trattoria und schauen beim Abendessen hinaus auf die dunkler werdenden Wellen der Adria.
Apulien ist ganz sicher eine Reise wert – wann, wenn nicht jetzt, wenn kaum andere Touristen da sind?
Anreise: Aus Deutschland würde man normalerweise mit dem Flugzeug nach Bari oder Brindisi anreisen – wenn die Flüge nicht nach Bezahlung aufgrund „unvorhergesehener Ereignisse“ annulliert werden. Dann fährt man entweder mit dem Auto oder mit dem Motorrad. Von vielen Orten in Deutschland benötigt man bei entspannter Anreise zwei Tagesetappen. Wer es eiliger hat, schafft die Strecke auch an einem Tag, ohne dabei die Verkehrsregeln ständig zu brechen. Gerade ab Rimini bietet die „Autostrada del Sole“ wunderschöne Ausblicke und ist durchaus tempomattauglich. Wer in Österreich noch einmal volltankt, verschmerzt die italienischen Benzinpreise leichter. An Maut für das österreichische „Pickerl“, Brennerpass und italienische Autobahn (immerhin rund 1000 Kilometer) kommen rund 95 Euro für die einfache Strecke zu den Treibstoffkosten hinzu.
Übernachten: Große Hotels sind rar. Rundum erholt man sich in restaurierten Bauernhöfen, die hier „Masseria“ heißen. Deutschsprachige Unterkünfte findet man zum Beispiel bei Caroline Groszer unter www.masseria-alchimia.it/de/
Corona-Einschränkungen: Bei der Einreise nach Italien gibt es nichts Besonderes zu beachten. In den Geschäften trägt man Maske, tritt einzeln ein und benutzt auch ansonsten den gesunden Menschenverstand. Restaurants können ohne Mundschutz und in der Regel ohne die Angabe von Kontaktdaten genutzt werden. Die Bedienungen tragen dafür eine Mund-Nasen-Bedeckung, achten auf genügend Abstand zwischen den Tischen und desinfizieren diese auch regelmäßig. An bewirtschafteten Stränden gelten ebenfalls Sicherheitsabstände: zwischen den Sonnenschirmen müssen mindestens drei Meter Abstand liegen. Von Kommune zu Kommune können die Sicherheitsmaßnahmen aber abweichen. Weitere Informationen gibt es unter www.viaggiareinpuglia.it/hp/de.