Großereignisse werfen bekanntlich ihre Schatten voraus. So auch die Fußball-Weltmeisterschaft vom 12. Juni bis 13. Juli 2014 in Brasilien. Nun ist es nicht allen vergönnt, Tickets für die WM zu erhalten, geschweige denn den Triumphzug von Jogis Löwen auf dem sicheren Weg zum vierten WM-Titel live vor Ort mitzuerleben. Gleichwohl möchten viele das riesige südamerikanische Land kennen lernen und etwas von der Fußballstimmung im Lande miterleben.
Gut, zwei Kleinigkeiten stehen dabei vielen im Wege: die lange Anreise ans andere Ende des Erdballs und das fehlende Kleingeld. Um Letzteres muss sich zumindest niemand ernsthaft Gedanken machen. Denn die Kohle lässt sich jetzt einfach am heimischen PC herstellen. Was üblicherweise Geldfälscher mit großer krimineller Energie versuchen, ist in Brasilien längst Volkssport geworden. Denn während im Vorfeld des Kickerspektakels und der Olympischen Spiele 2016 allenthalben die Preise kräftig angezogen wurden, kreierten die pfiffigen Brasilianer nun eine Ersatzwährung.
Statt mit dem Real bezahlen die Menschen im größten Land Südamerikas nun mit dem „Surreal“, auch weil sie das gierige Streben vieler Geschäftsleute nach realen Mehreinahmen als pekunäres Foulspiel werten. Daher kam die Landeswährung nun zumindest virtuell auf die Auswechselbank. Neue Fantasienoten mit dem Konterfei von Salvatore Dali sind nun zum surrealen Zahlungsmittel geworden. Und ganz ehrlich, wer von uns träumt nicht davon, sein Geld einfach nach Bedarf täglich frisch auszudrucken? Das ist wohl auch die einzige Art von Privatisierung des Bankenwesens, die nicht nur Fußballfans über Nacht zum Multimillionär macht – auch wenn im realen Leben unter dem Zuckerhut noch keine surrealen Reals wirklich über die Ladentheke gewandert sind.
Dafür wird diese ungewöhnliche Form des Protestes noch verstärkt, in dem Tausende von Brasilianern Fotos von Produkten, Speisekarten und Rechnungen mit einem umgekehrten Gefällt-mir-Knopf mit Dali-Schnäuzer auf einigen Facebookseiten posten. Bleibt für Jogis-Löwen nur zu hoffen, dass die gastgebenden Brasilianer bei der WM im eigenen Land nur surreal den Titel holen und ganz Fußball-Deutschland einen realen Grund zum kollektiven Jubel erhält.
Karsten-Thilo Raab
berichtet seit mehr als drei Jahrzehnten für eine Vielzahl von Zeitungen und Magazinen über Reiseziele weltweit. Zudem hat er sich einen Namen als Autor von mehr als 120 Reise-, Wander- und Radführern sowie Bildbänden gemacht.