Saghafte Alb auf dem Württemberger Tälerradweg

Tälerradweg
Felsskulpturen wie die Steinernen Jungfrauen ragen im Eselsburger Tal auf dem Württemberger Tälerradweg in den Himmel. – Foto: TMBW/Anna Monterroso Carneiro

Während der Wind durch ihr Haar streicht, schließt Simone die Augen. Nach stundenlangem Helmtragen ist es schön, die kühle Luft auf der Stirn und im Haaransatz zu spüren. Auch Julia, die Simone am Tisch im Biergarten des Wirtshauses gegenübersitzt, schweigt zufrieden. Obwohl es nur noch acht Kilometer bis zu ihrem Etappenziel auf dem Württemberger Tälerradweg sind, haben die beiden sich entschieden, im Weiler Eselsburg eine Pause einzulegen. Durch die tief hinabhängenden Äste und das hochgewachsene Ufergras glitzert die ruhig dahinfließende Brenz.

Tälerradweg
Von der Brenz erschaffen: Das Eselsburger Tal wurde von dem kleinen Flüsschen geformt. – Foto: TMBW/Anna Monterroso Carneiro

Der Fluss ist hier im Eselsburger Tal wundervoll verwunschen. In leichten Kurven mäandert er durch Wacholderheiden, gluckert an Streuobstwiesen vorbei und lässt sich auch von den beeindruckenden Felsformationen nicht von seinem Weg ablenken. Als den beiden Freundinnen ihr Essen – Linsen mit Spätzle und hausgemachte Maultaschen – an ihren Platz gebracht wird, überlegen sie gerade, was ihnen auf der Tour bisher am besten gefallen hat. Simones Favorit war  Königsbronn mit dem barocken Rathaus und dem grünblauen Brenztopf. Julia fand das morgendliche Schwimmen im Bucher Stausee am schönsten und hofft auf weitere Bademöglichkeiten.

Fiese Sagengestalten

Mit seinen Blauschattierungen hat der Brenz-Ursprung etwas mystisches und erinnert an den einige Kilometer weiter gelegenen Blautopf. – Foto: TMBW/Anna Monterroso Carneiro

Genussmöglichkeiten gibt es auf den sechs Etappen des 273 Kilometer langen Württemberger Tälerradweg zur Genüge. In den zahlreichen Städten, wie dem Startort Crailsheim oder dem Ziel Schwäbisch Gmünd etwa. An den Flüssen Kocher, Jagst, Brenz, Rems und Donau, die man auf der Radreise abschnittsweise begleitet. Und in den zwölf Tälern, die man durchquert. Der Landesradfernweg ist nagelneu. Gerade erst im Jahr 2023 wurde er aus Teilstücken des Hohenlohe-Ostalb-Radwegs und des Alb-Neckar-Radwegs zusammengelegt.

Der Württemberger Tälerradweg bietet abwechselunsgsreiche Perspektiven und immer eine Erfrischung. – Foto: TMBW/Anna Monterroso Carneiro

Als die beiden Freundinnen ihre Räder auf die asphaltierte Straße schieben, hat sich das Licht verändert. Die Grün- und Beigetöne der sommerlich gefärbten Landschaft scheinen wärmer und weicher geworden zu sein. Nach zwei Straßenwindungen haben sie den Weiler hinter sich gelassen und tauchen wieder vollends in die Natur ein. Wenige Zeit später fahren sie auf die Steinernen Jungfrauen zu – eines der Highlights der zweiten Etappe entlang des Württemberger Tälerradwegs. Die beiden spitz zulaufenden Felskegel ragen dicht beieinander direkt am Radweg in den Himmel.

Geologische Phänomene

Tälerradweg
Aktive Pause im Grünen: Balanceübung an der Kocherquelle.- Foto: TMBW/Andreas Weise

Simone, die sich für Sagen und Geschichten interessiert, kennt die grausige Erzählung, die sich die Talbewohner über die Felsen ausgedacht haben. „Das sollen zwei Mägde der damaligen Burgherrin der Eselsburg sein“, erzählt sie. „Die hasste Männer und soll auch ihren Mägden verboten haben, Kontakt zu ihnen zu haben. Leider verliebten sich die beiden in zwei Burschen, die sie regelmäßig beim Wasserholen im Tal trafen.“ Simone schluckt: „Als Strafe für ihren Ungehorsam soll die Burgherrin die beiden in Stein verwandelt haben.“

Die 52 Kilometer lange Brenz entspringt in Königsbronn direkt neben dem Rathaus. – Foto: TMBW/Anna Monterroso Carneiro

Mittlerweile weiß man natürlich, dass die beiden Felsen keine verzauberten Mägde aus längst vergangenen Zeiten sind. In jahrmillionenlanger Kleinstarbeit grub sich die Brenz in die Alb und formte dabei das fünf Kilometer lange Tal. Dabei hat sie Teile der zerklüfteten Kalksteine der Schwäbischen Alb weggeschwemmt und andere freigelegt. Entlang der grün bewachsenen Talränder entdecken Julia und Simone immer wieder Felsen, die sich scheinbar gegen die Fluten der Brenz beweisen konnten.

Besuch beim weltberühmten Teddybär aus Giengen an der Brenz. Margarete Steiff gründete hier 1880 ihre Stofftierfabrik. – Foto: TMBW/Andreas Weise

Die beiden Freundinnen jubeln, als sie am Abend in den Zielort Giengen an der Brenz einfahren. Geschafft! Sie sind müde von der heutigen Fahrt. Trotzdem freuen sie sich schon auf den nächsten Tag. Vor der Abfahrt Richtung Ulm wollen sie noch das Steiff Museum besuchen. Zum Glück ist die Fahrdauer nur knapp drei Stunden lang. So können die beiden auch morgen alles, was der Württem­berger Tälerradweg zu bieten hat, ausgiebig genießen. Weiter Informationen unter www.wuerttembergertaelerradweg.de.

Mortimer

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