In Stange bei Ratschings in Südtirol lockt ein Wandersteig am Jaufenbach entlang in eine spannende Schlucht. Die Gilfenklamm wurde bereits im Jahre 1896 eröffnet und später auf den Namen “Kaiser-Franz-Josefs-Klamm” getauft. Der Ratschingser Bach verwandelt sich im Laufe des 2,5 Kilometer langen Wanderweges in wild tosende Wassermassen, die sich Jahrhunderte lang durch die felsige Schlucht ihren Weg gen Tal erkämpft haben.
„Monumento naturale“ steht auf einem leicht verwitterten Schild am Kassenhäusschen. Ein erster Blick in Richtung Klamm wirkt jedoch nicht gerade monumental. „Lassen sie sich nicht täuschen,“ lacht die Kassiererin. „Es fängt ganz harmlos an, aber weiter oben bietet die Gilfenklamm ein echtes Naturspektake!,“ ergänzt Wanderguide Sandra.
Recht hat sie. Auf den ersten Metern verläuft der Wanderweg, der in die Gilfenklamm führt, auf einem breiten Schotterweg. Harmlos und leise plätschert das Bächlein zu Rechten. Auf den nächsten 2,5 Kilometer legt die Gilfenklamm allerdings ordentlich zu: An Lautstärke, an Wassermassen, an Imposanz und auf dem Wandersteig auch an Schwierigkeit. Denn der Weg führt zunächst über Naturstufen, die teils durch Baumwurzeln, teils durch Steine gebildet sind und schließlich immer steiler bergauf über Brücken und in den weißen Marmor gehauene Tritte.
Facettenreiches Naturspektakel
Die Phantasie der großen und kleinen Wanderer wird auf Schritt und Tritt angeregt. Im Wasserlauf liegende Felsbrocken sehen aus, als hätte der Herrgott sie hinein gewürfelt. Manche Felsen haben Nasen, andere Augen und das verfallene Häuschen am Ufer schaut so aus, als sei es einmal vom in Ratschingtal bekannten Zauberer Pfeifer-Hisele bewohnt worden.
Kühl und schattig ist es in der Klamm und so mancher merkt, dass auch Hosen und Jacken vom herauf gewirbelten Wassernebel klamm werden. Hört man zu Beginn noch das Läuten der Kuhglocken wird es nach und nach immer mehr vom Rauschen des Gebirgsbaches übertönt. Bevor es in Sachen Schlucht richtig zur Sache geht, bietet sich rechts die Gelegenheit, zum Bachbett hinunter zu laufen und einmal die Hand ins kühle Nass zu tauchen.
Eiskalte Abkühlung
„Ich will meine Füße auch drin baden“, kräht der kleine Anton, merkt aber schnell, dass das ein allzu frostiges Erlebnis werden könnte und lässt die Schuhe lieber an. Wer Lust hat, kann an dieser Stelle ein paar Stein zusammen tragen und versuchen, einen Teil des Baches mit einem Damm aufzustauen. Bald schon überwiegt aber bei Groß und Klein die Neugier auf den weiteren Verlauf der Klamm und so stratzen alle weiter bergan. Plötzlich wird es eng und dunkel, das Wasser tost so laut durch die schmale Klamm, dass sich manch ein Kind die Ohren zuhält.
Im nun folgenden Kernstück der Gilfenklamm eröffnen sich großen und kleinen Wanderern atemberaubende Blicke in die Tiefe. Das Wasser gurgelt durch kreisrunde, türkisblaue Naturpools, es stürzt in Kaskaden herab und saust nur so um die Kurven. Der stets hervorragend gesicherte Wanderweg führt über Hängebrücken und Treppen in einer knapp einstündigen Wanderung mitten durch dieses beeindruckende Naturdenkmal hindurch. Dabei erleben Besucher – egal welchen Alters – die Einzigartigkeit und Urgewalt der Natur und so manch einer mag eine gewissen Demut empfinden.
Abwechslungsreiche Wegführung
Da auch die Abenteuerlust nicht zu kurz kommt, vergessen Kinder schnell, dass sie eigentlich wandern. Vielmehr zieht es sie von einer Hängebrücke zur nächsten, von einer Biegung zur nächsten Kurve. Begeistert zeigen die kleinen Finger auf mitgerissene Baumstämme, die von der Urgewalt des Wassers zur Schneeschmelze künden und unermüdlich laufen die kleinen Füße weiter. Die schräg angebrachten Hängebrücken muten wie eine Murmelbahn an, so geschachtelt kann man gleich drei Stück von unten hintereinander erkennen.
Ein wenig Schwindelfreiheit ist schon gefragt, denn durch das Rost im Boden der Brücken sieht man weit nach unten und direkt auf die eiskalten Wassermassen, die unter einem hindurch strömen. Ein paar Schritte weiter heißt es dann „Kopf einziehen“ – schließlich ragen die Marmorwände in spitzen Kanten aus der Felswand. Kleine Wasserfälle, hellgrüne Kaskaden, weiß schäumende Gischt – all das komponiert die Gilfenklamm zu einem herrlichen Anblick, der sich bei jedem Schritt, hinter jeder Biegung des schmalen Weges wieder verändert.
Marmorweiße Felswände
Im Südtiroler Ratschingstal wurde seit jeher Marmor abgebaut. Und auch die Gilfenklamm konnte nur entstehen, weil sich das Wasser ganze 15 Meter tief in den relativ weichen Marmor gegraben hat. An manchen Stellen erkennt man das edle Gestein in reinweißer Farbe ganz eindeutig. Zusammen mit dem türkisklaren Wasser bildet sich ein toller Kontrast, der jeden die Kamera zücken lässt. „
Ja!“ ruft Bergführerin Sandra gegen den Lärm der Wassermassen an, „Wir sind schon ganz schön stolz darauf, das wir hier im Ratschingstal die einzige Marmorschlucht in ganz Europa haben…“
Plötzlich weitet sich die teils nur noch wenige Meter breite Klamm wieder. Sonnenlicht fällt auf einen kleinen Rastplatz unterhalb eines an die zehn Meter hinabstürzenden Wasserfalls. „Was so harmlos begann, entwickelte sich wirklich zu einem kleinen Abenteuer.“ meint Andrea, die mit ihren fünf- und vierjährigen Söhnen allein unterwegs ist. Kein Wunder, dass die Südtiroler ihre Gilfenklamm so verehren und ihr sogar den Status des „Naturdenkmals“, oder, auf italienisch „Monumento naturale“ gegeben haben.
Wissenswertes in Kurzform
Gilfenklamm: Geöffnet ist die Klamm täglich von Anfang Mai bis Anfang November. Der Eintrittspreis beträgt für Erwachsene sechs Euro, für Kinder vier Euro, wer bei seiner Übernachtungsstätte die activeCard erhalten hat, darf die Klamm kostenfrei erwandern. Der Höhenunterschied beträgt insgesamt 175 Meter und die Gehzeit beträgt klammaufwärts mit Kindern eine knappe Stunde. Weitere Informationen unter www.ratschings.info.
Übernachtungstipp: Direkt zu Fuß von der Hoteltüre lässt es sich vom Alphotel Tyrol zur Klamm wandern. Wunderschöne Zimmer von einfach bis luxuriös, moderne, großzügige Wellnessanlage und ein Paradies für Familien durch großen Spielplatz, Streichelzoo, Kinderprogramm. Doppelzimmer inklusive Frühstück sind ab 138 Euro/Person buchbar. Informationen: Alphotel Tyrol, Innerratschings, 5B, I- 39040 Ratschings, www.alphotel-tyrol.com/de.
Mortimer
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