In Churfranken gibt’s altes Gemäuer und viel Wein: elegante Weiße und straffe Rote. Die Winzer, auch die Brauer und Destillateure, sind allesamt Könner – vor Ort kommen sie gern mit Wanderern und Radlern ins Gespräch.
Jetzt im Herbst, wenn der Main so seidenblau schimmert, die Blätter an den Rebstöcken sich gelb verfärben und aus den Kellern der frische Most duftet, wenn das intensive Licht die sanften Hügel und steilen Rebzeilen vergoldet, ist es besonders schön im Weinland Churfranken – zwischen Odenwald und Spessart im westlichsten Zipfel von Unterfranken.
Herbsturlaub, wie man ihn mag: Natur, Wein und Kultur, von allem reichlich, jedoch ohne die laute Feuchtfröhlichkeit, die die Touris in anderen Weingegenden verbreiten. Ein Fundstück für kundige Genießer von Miltenberg bis Wertheim; Steillagen bis zur Senkrechten.
Postkartenmotive in Miltenberg
Miltenberg, das Schmuckstück aus dem Mittelalter: Tortürme, Marktplatz, Rathaus, Gassen und Winkel, das hochgiebelige Weinhaus mit seiner auffälligen rot-weißen Fachwerkfassade. Von der Dachterrasse der Faust-Brauerei blicken wir in eine friedliche Landschaft, in der es sich der Main „gemütlich macht“. Ein meist leicht welliges Potpourri aus Feldern, Rebzeilen, Waldstreifen, Wiesen, Kirchtürmen, Burgen. „Lieblich“ halt, Ferienland.
Das Maintal lässt sich in Abschnitte unterteilen und gibt Zeit, durch die alten Weinorte zu stöbern. Bürgstadt, einer der 100 „Genussorte“ in Bayern, ist mit Erlenbach Rotweinort schlechthin – in Erlenbach beginnt die einzigartige, extreme Steillagen-Landschaft. Großheubach ist bekannt fürs Kloster Engelberg, wo Franziskaner den Wein anbauen und in der Klosterschänke mit Gästen verkosten. Oder Klingenberg mit prachtvollen Fachwerkhäusern, der hochgelegenen Clingenburg und dem Fränkischen Rotwein-Wanderweg, der sich am Main entlangschlängelt.
Sind Frauen die besseren Winzer?
Dem folgen wir hinauf zum terroir f Churfranken – einem magischen Ort des Frankenweins. Uns begleitet die junge Winzermeisterin Anja Stritzinger, erklärt die Buntsandsteingemäuer, in ihrem Museumsweinberg den Blauen Kölner und den Blauen Hängling, spricht aber auch über Klimawandel und die Verluste durch Frühjahrsfrost und Schädlinge. Sie gehört zur wachsenden Schar von Frauen, die die klassische Männerdomäne des Weingeschäfts kräftig durcheinanderwirbeln. „Zur Freude meiner Eltern habe ich vor über 20 Jahren unseren Betrieb – damals schon auf Bio umgestellt – übernommen und ordentlich erweitert. So konnte die Tradition fortleben“, erzählt die Fränkin nicht ohne Stolz. Aber gerne wäre sie auch in Burgund geblieben, wo sie ausgebildet wurde.
Ankunft am terroir f. „Ich seh‘ die Lande um den Main zu meinen Füßen liegen“ (Viktor v. Scheffel). Zum Lunch serviert Anja als ersten ihren Lieblingswein: Riesling Kabinett, frisch und fruchtig, dominiert von Zitrus- bis Pfirsicharomen. Zur Frage „sind Frauen die besseren Winzer“ lächelt sie: „Wir entscheiden mehr aus dem Bauch heraus, aus dem Gefühl – Winzer sind eher technisch ausgerichtet“, füllt dabei neue Gläser mit klassischem Spätburgunder, einem Generationen-Cuvée – rotes Gemisch aus mehreren Jahrgängen. Es folgt ein Wein der dunklen Rebe Regent, der nach zwei Jahren im Holzfass die typische Barriquenote hat – einfach toll. „Ganz besonders ist mein Gewürztraminer Kabinett, trocken ausgebaut, mit Rosenaroma. Ein Wein, vor dem Kamin zu trinken oder zum foie gras“.
Mühsame Steilhang-Bewirtschaftung
In Großheubach begrüßt der Jungwinzer Uli Kremer die Gruppe mit einem Pétillant Naturel brut, hergestellt aus der Rebsorte Muskateller. Hier wird der Wein während der ersten Gärung in Flaschen gefüllt und mit einem Kronkorken verschlossen. So bleibt das CO2 der Gärung in der Flasche und sorgt für ganz natürliche Bläschen im Wein – mal etwas ganz anderes! „Wir setzen auf ein gesundes „Zurück zur Natur: hier schmecken die Trauben, dann kommt der Geschmack.!“ Zusammen mit seiner Familie pflegt der Winzer seine auf 15 Hektar angewachsenen Rebflächen. „Im Weinberg liegt der Schlüssel für die Qualität des Weines, nicht mehr im Weinkeller, wie früher. Wichtig ist mir, dass der Wein aus eigener Kraft und in Ruhe reifen kann – ohne Feuertöpfe zur Beschleunigung“, sagt er mit Überzeugung. „Acht Jahre Wanderschaft innerhalb Deutschlands haben geholfen, meinen Weinverstand zu schärfen“.
„Eleganz statt Wucht!“, ist seine Philosophie. „Einen Steilhang zu pflegen erfordert viel Arbeit, Handarbeit, pro Hektar 2.000 Arbeitsstunden!“ Nur so erklären sich die Spitzenweine seiner zwei Lagen: der „Engelberger Klostergarten“ – eine Grand Cru-Lage, die viel Sonne, guten Boden und nachts kühle Fallwinde braucht und sein „Großheubacher Bischofsberg“ vom 45 Jahre alten Silvanerberg, der Tiefe hat, feingliedrig ist und einen Beerencocktail im Mund erzeugt. Wir aber halten dafür: ein Wein ist dann gut, wenn man gleich den nächsten Schluck trinken will!
Spätburgunder mit Kirsch-Aroma
Wie viele seiner Kollegen setzt auch Uli Kremer auf Direktvermarktung, bietet deshalb seine guten Tropfen in der eigenen Vinothek im Weingut an – auch den in Barriquefässern ausgebauten Chardonnay und den dezenten, frisch, fruchtig und sanften Frühburgunder.
Klaus Giegerich, erfahrener Weinbauer aus dem Pfitztal, empfängt uns inmitten von Rebstöcken vor seiner Weinbergshütte hoch über dem Fluss. Zur Begrüßung stoßen wir mit einem Silvaner Rebsortensekt an, einem Grand Cuvée, fünf Jahre gelagert, einfach wunderbar. Zur köstlichen Winzervesper empfiehlt der vielfach Ausgezeichnete Weißburgunder. Er soll auf der Zunge tänzeln, während der 2022er Schalk Silvaner auf der Zunge bleibt, sodass man praktisch eine Woche lang davon trinken kann. Flaggschiff seines Betriebes – die Söhne Philip und Kilian übernahmen vor fünf Jahren – ist der Spätburgunder Pitztaler Berg. Sehr nussig mit ein wenig Kirscharoma – gekeltert aus einer der edelsten Weinsorten der Welt.
Rarität: Portwein aus Churfranken
„Roter Wein auf rotem Buntsandstein und Muschelkalk ist das Geheimnis unserer Qualitäten. Die Weinbergmauern speichern tagsüber die Wärme und geben sie nachts wie ein Ofen an die Umgebung ab“, doziert Giegerich. „Nichts wird bei uns dem Zufall überlassen. Der Reifegrad der Trauben in den Erntemonaten September/Oktober wird täglich analysiert. Ist der „magische Moment“ gekommen, haben Säure, Zuckergehalt und Fruchtaroma ihr Finale erreicht, beginnt die Lese – die Kunst der Kellermeister kann beginnen.“
In Erlenbach bei Miltenberg besuchen wir Reinhold Hillerich. Beim Wandern erzählt er: „In der Familie drehte sich schon 1810 alles um Wein, ich aber wollte dieser Tradition etwas Neues entgegensetzen“. Während einer Portugalreise probierte er Portwein: „So einen will ich auch!“ Portwein aus Churfranken: ein Risiko? Eine Rarität! „Wir haben die Steilhänge wie am Douro und das Mikroklima ist ähnlich“. Das Experiment gelang, der Franke produziert roten und weißen Likörwein, in Bayern konkurrenzlos. Regent-Trauben sind die Basis für den stoffigen, kräftigen, rubinroten PURE red – PURE white entsteht aus roten Traminertrauben.
Whisky für Genießer
Bei Andreas Thümmler in Rüdenau schließlich, mit dem wir unsere Galerie wackerer Churfranken beschließen, begann alles mit seiner Leidenschaft für Whisky und dem Zufallstreffen 2012 mit David F. Hynes, der Whisky-Legende aus Dublin. Kurzum: zusammen mit David und dem congenialen Master Destiller Mario Rudolf wurde aus einem kühnen Plan Realität. Vier Jahre später floss der erste Spirit of St. Kilian aus der größten Single Malt Whisky Destillerie Deutschlands.
Wissenswertes zu Churfranken
Informationen: www.churfranken.de
Anreise: Miltenberg ist bequem Aschaffenburg und Hanau mit der Bahn erreichbar.
Essen & Trinken: Köstliche Küche im Adler-Landhotel – auf Wunsch mit Verkostung der Bio-Weine von Winzer Burkhard Hench aus Bürgstadt
Sterne-Küche im Gasthof „Zur Krone“ in Großheubach
Brauhaus Faust, Miltenberg, mit Braustuben. Bier-Spezialitäten: Michelsmess Festbier, Faust Winterfestbier, Faust Doppelbock
Übernachten: Adler Landhotel in Bürgstadt: WIFI, Parkplätze, Bio-Naturpool, finnische Sauna, behindertengerechte Zimmer, E-Bike und E-Auto Aufladestationen, Hunde willkommen
Die Recherche fand auf Einladung / mit Unterstützung von Churfranken e.V. statt.
Katharina Büttel
lebt und arbeitet als freie Reisejournalistin in Berlin. Über 30 Jahre reist sie für ihre Reportagen und Fotos um die Welt – seit vielen Jahren veröffentlicht sie auch im Mortimer-Reisemagazin.