
Durch die Weite des Uludağ Gebirges hallt der Ruf des Muezzins. Doch niemand auf den Brettern oder im Lift scheint diesem folgen zu wollen. In der durchgestylten Skihütte dreht sich der Döner-Spieß, während sich zahlreiche Skifahrer die Hände an einem Glas mit heißem Çay, wie der schwarze Tee hier heißt, wärmen. Dabei sind die Temperaturen um den Gefrierpunkt für ein Skigebiet nicht besonders niedrig. Ungewöhnlicher ist sicherlich, dass sich inmitten des 480 Hektar großen Wintersportareals eine Moschee samt Minarett erhebt. Ansonsten unterscheidet sich das Skigebiet vor den Toren von Bursa, der viertgrößten Stadt der Türkei, nur wenig von den Alpenregionen: Das Uludağ Gebirge schiebt sich hoch bis auf 2.542 Meter über dem Meeresspiegel. Wobei das Meer von hier oben mühelos zu erkennen ist. Sogar bis ins 220 Kilometer entfernte Istanbul reichen bei klarer Sicht die Blicke.

Insgesamt 25 Pisten mit Längen von bis zu sechs Kilometern sind in dem zwischen 1.800 und 2.350 Metern über dem Meeresspiegel gelegenen Areal zu finden – allesamt breit wie Autobahnen. Enge Abfahrten sind hier unbekannt. Ebenso wie lange Warteschlangen an den Liften und teure Liftkarten. Neben zwei FIS Rennstrecken bietet Uludağ als das am besten entwickelte Skigebiet der Türkei Abfahrten für jede Könnerstufe – von blauen bis schwarzen Pisten. Auch Funparks für Snowboarder, eine Eislaufhalle, spezielle Schlitten- und Rodelpisten und Anfängerhügel fehlen nicht.
Wedeln auf dem heiligen Berg

„Uludağ galt in der Antike als heiliger Berg. Von hier sollen die Götter der Legende nach vor 3.500 Jahren den Trojanischen Krieg beobachtet haben“, berichtet Mehmet Haluk Beceren. Der Mann mit dem grauen Haar und dem stattlichen Bauch betreibt in Uludağ neben einem Hotel und einem Café auch zwei Liftanlagen und fungiert als Sprecher der lokalen Vereinigung der Liftbetreiber. Denn anders als in den Alpen, wo die Liftanlagen in einem Skigebiet üblicherweise von einem einzigen Unternehmen betrieben werden, gehören die Anlagen vor den Toren von Bursa fast ausnahmslos zu verschiedenen Hotels. Früher konnten die Gäste nur den Lift des jeweiligen Hotels benutzen. Doch nicht zuletzt auf Betreiben von Beceren haben sich die Anbieter zusammengeschlossen und eine gemeinsame Liftkarte eingeführt, so dass den Besuchern nun das ganze Skigebiet offensteht.

„Früher kamen die Leute vorwiegend im Sommer, weil es hier oben schön kühl war“, freut sich Beceren nun während der Saison von Anfang Dezember bis Ende März täglich bis zu 15.000 Wintersportfreunde begrüßen zu können. Die meisten sind Tagesausflügler aus der Türkei. Aber auch viele Skifahrer aus der arabischen Welt kommen gerne hierher.
Rekordverdächtige Einseilumlaufbahn

„In weiten Teilen Europas ist es nur wenig bekannt, dass man bei uns exzellente Wintersportbedingungen vorfindet“, hofft Beceren, mehr Gäste vom Nachbarkontinent im asiatischen Teil der Türkei begrüßen zu können. Die Infrastruktur in und um das Uludağ Gebirge lässt kaum Wünsche offen. Von Istanbul aus ist Bursa mit einem Schnellboot in knapp 90 Minuten zu erreichen. Von der einstigen Hauptstadt des Osmanischen Reiches geht es dann direkt mit einer Seilbahn hinauf in das Uludağ Gebirge. Wobei sich Bursa rühmen kann, über die weltweit längste Einseilumlaufbahn zu verfügen. Diese benötigt knapp 22 Minuten Fahrzeit führ die neun Kilometer lange Strecke, in deren Verlauf ein Höhenunterschied von 1.400 Metern überwunden wird.

In Oteller, dem einzigen Ort des Wintersportgebiets, dessen Name übersetzt „Hotels“ heißt, stehen dem geneigten Skifahrer in gut zwei Dutzend Hotels zusammen rund 7.000 Betten zur Verfügung. Auch ein Supermarkt, Cafés, Restaurants, Skiverleihe und Skischulen sind hier zu finden. Auch sonst sind die Bedingungen exzellent.
Hüttenzauber etwas anders

„In den vergangenen Winter hatten wir nahezu immer über sechseinhalb Meter Neuschnee“, so Beceren weiter. Er selber hat viele Jahre im österreichischen Bad Hofgastein gelebt und gearbeitet und dort das notwendige Know-how kennen gelernt, um Pisten professionell zu präparieren. Entsprechend sorgen in Uludağ 15 Schneeraupen und Pistenbullis für perfekte Bedingungen.

„Wir haben eigentlich immer genügend Schnee bis in den Mai hinein, aber ab Mitte/Ende März kommt einfach keiner mehr. Dann wollen die Leute vom Winter nichts mehr wissen“, erklärt Beceren mit Blick auf die dann wohlig warmen Temperaturen in der Türkei. Bis dahin lässt sich jedoch im Uludağ Gebirge nach Herzenslust wedeln – und dies täglich bis zum Einbruch der Dunkelheit. Letzteres wird lautstark vom Muezzin verkündet. Während die muslimischen Wintersportenthusiasten dann erstmal die ausgelassenen Gebete nachholen, steigt in Oteller zumindest an Samstagabenden ab 17 Uhr eine Apres-Ski-Party. Und da schmecken Döner und Raki nach einem langen Skitag besonders gut.
Wissenswertes zum Wintersport in Uludağ

Allgemeine Informationen: www.uludaginfo.com
Skipässe: Tageskarten kosten 1.400 TL was umgerechnet etwa 38,50 Euro entspricht. Zweitageskarten 2.600 TL, was etwa 71,50 Euro entspricht.
Lage: Die 2,8-Millionen-Stadt Bursa liegt etwa 220 Kilometer südöstlich von Istanbul. Der Uludağ Nationalpark grenzt direkt an den Stadtrand.

Flug: Turkish Airlines bietet von allen größeren deutschen, aus Wien und der der Schweiz Flughäfen Direktflüge nach Istanbul an.
Anreise: Mit dem Mietwagen empfiehlt sich von Istanbul die Fahrt zum Vororthafen von Pendik, von wo binnen 20 Minuten mit der Fähre nach Yalova übergesetzt werden kann. Von dort ist Bursa in knapp 25 Minuten erreicht. Von Bursa aus verkehrt eine knapp neun Kilometer lange Seilbahn nach Uludağ.
Währung: Zahlungsmittel ist die Türkische Lira (TL). Ein Euro entspricht etwa 36 TL.

Essen & Trinken: Iskender, Soğanli Botanik Park 1, Osmangazi, Bursa, Türkei, Telfon 0090-(0)224-2241867. Fast schon ein Muss ist der Besuch von Iskender, der als Erfinder des Döners gilt und hier noch wie vor 150 Jahren das Fleisch am Kohle gefeuerten Vertikalgrill zubereitet.
Übernachten: Kervansaray Thermal Hotel, Cekirge Meydani 16080, Bursa, Telefon 0090-(0)224-2339300, www.kervansaraytermal.com.tr. Prunkstück des Vier-Sterne-Hauses mit seinen 211 Zimmern ist das angeschlossene Gesundheitszentrum mit Hallenbad, einem türkischen Thermalbad und Hamam aus dem Jahre 1389.
Beceren Hotel, Uludağ Oteller Bolgesi, 16160 Bursa, Türkei, Telefon: 0090-(0)224-2651155, www.becerenotel.com. Direkt an der Skipiste gelegenes Hotel mit üppigen Büffet zu den Hauptmahlzeiten.

Buchtipp für lange Winterabende
Kriminelle Energie mit Pfiff, Spannung und Humor kennzeichnet den ebenso kurzweiligen wie spannenden Roman Keine halben Sachen mehr von Frank-Raymund Richter:
Die Lehrerin Salome Salomon liebt ihren Beruf, ihr Motorrad und ihre Kater (beide ordentlich kastriert), sonst liebt sie niemanden, sich schon gar nicht. Außer ihrer Mutter steht ihr nur eine Person nahe: Sonja, Halbghanaerin und Mitarbeiterin einer Karateschule. Ihr großes Problem: Sie verliebt sich immer in die falschen Männer. Salome, die klugen Kater und das kommunikative Motorrad bringen in ihrem Kampf gegen eine moralisch brüchige, oft brutale und kriminelle Männerwelt einige Männer zur Strecke, die es– so sehen es die Vier – nicht anders verdient haben. Unterstützt werden sie in ihrem Kampf durch ein selbstbewusstes Navi und einen depressiven Telecom Schaltkasten. Die fantasievolle und witzige Erzählung überrascht mit einem unerwarteten Finale.
Erhältlich ist der 238 Seiten starke Roman Keine halben Sachen mehr (ISBN 978-3-939408-53-6) von Frank-Raymund Richter für 18 Euro im Buchhandel oder versandkostenfrei direkt beim Westflügel Verlag.

Karsten-Thilo Raab
berichtet seit mehr als drei Jahrzehnten für eine Vielzahl von Zeitungen und Magazinen über Reiseziele weltweit. Zudem hat er sich einen Namen als Autor von mehr als 120 Reise-, Wander- und Radführern sowie Bildbänden gemacht.