Helgolands kleine Nachbarinsel Düne ist nur wenigen bekannt und doch ein perfektes Refugium für alle, die Erholung abseits der Massen suchen.
Die Platzhirsche haben hier große, runde Kulleraugen, lange, dünne Barthaare und eine dicke Speckschicht. Die meisten fläzen sich entspannt im Sand, genießen die wärmenden Sonnenstrahlen sowie die leichte Brise und scheinen dabei dem nie enden wollenden Konzert der Nordseewellen zu lauschen. Hier am Strand von Düne, Heloglands kleiner wie wenig bekannter Nachbarinsel, tummeln sich ganzjährig einige Dutzende Seehunde und Kegelrobben.
Längst haben die Meeressäuger ihre Scheu gegenüber dem Menschen abgelegt haben. Gleichwohl lassen ein paar von ihnen sicherheitshalber die Strandbesucher nie aus dem Auge. Manchmal reißt ein Bulle nur drohend das Maul auf, wenn jemand ihm oder den seinen zu nahekommt. Manchmal aber auch setzt sich der zentnerschwere Koloss überraschend schnell in Bewegung, robbt über Sand und Kies, um die allzu Neugierigen und Aufdringlichen in die Flucht zu schlagen.
Speckrollen mit Biss
Bis auf 30 Meter darf man sich den geschickten Raubtieren nähern. Die meisten halten sich daran. Einige jedoch tun sich offenbar schwer damit, Entfernungen zu schätzen. Sie glauben, vier, fünf Schritte Abstand seien genug. Doch dann machen ihnen entweder die Speckrollen mit dem beeindruckenden Gebiss oder die Wildhüter schnell mal Beine. Mit Recht. Zum einen sind die tierischen Begegnungen bei aller Faszination nicht ungefährlich. Denn ein Seehund- oder Robben-Biss ist überaus schmerzhaft. Zum anderen dient die Abstandsregelung allein dem Schutz der schwergewichtigen Meeresbewohner. Bis vor rund einem Vierteljahrhundert galten die Kegelrobben an der deutschen Küste nämlich als ausgestorben. Mittlerweile sind mehr als 100 Tiere allein auf und um Düne heimisch.
Die Abstandsregelung gilt übrigens auch im Wasser. Hier darf es auch gerne ein wenig mehr sein. Schließlich sind die längst an Menschen gewöhnten Säugetiere nicht nur exzellente Schwimmer, sondern sehr neugierig und verspielt. Umgekehrt gilt, je mehr Freiraum den Seehunden und Robben in ihrem natürlichen Revier gelassen wird, umso weniger häufig dringen sie in den Badebereich der Düne-Gäste ein. Quasi eine tierisch-menschliche Win-Win-Situation. Daher gilt die dringende Empfehlung, das eigene Badvergnügen für ein paar Augenblicke zu unterbrechen, wenn unvermittelt im Wasser neben einem einer der schnauzbärtigen Raubtiere auftaucht. Sicher ist sicher.
0,7 Quadratkilometer Natur pur
Unabhängig davon ist das gerade einmal 0,7 Quadratkilometer große und vorwiegend von Strandhafer und Heckenrosen bewachsene Düne ein Paradies für Naturliebhaber. Gestört wird die Idylle lediglich durch den kleinen Flughafen. Die Landebahn wird gerne von Möwen und Enten bevölkert, die vor jedem Start und jeder Landung aufgescheucht und vertrieben werden müssen. Ansonsten geben sich die Möwen wie überall am Meer. Sie betteln nach jedem Fitzelchen Essbarem, stibitzen Speisereste und machen durchaus gerne einmal lautstark auf sich aufmerksam.
Deutlich diskreter agiert der häufig anzutreffende Austernfischer. Der schwarz-weiße Watvogel mit den rötlichen Beinen und dem langen rötlichen Schnabel sucht fieberhaft die Flachwasserzonen nach Muscheln, Krebsen, Würmern sowie Insekten ab und bezaubert zwischendurch immer wieder mit einem melodischen Pfeifen. Doch auch sie stehen in punkto Aufmerksamkeit deutlich im Schatten der Seehunde und Kegelrobben.
Segensreicher „Silvesterknall“
Ansonsten erweist sich das knapp 1.000 Meter lange und gut 700 Meter breite Eiland als eine riesige Sandkiste. Ein paar Dutzend Ferienbungalows, zwei sogenannte Wikkelhouses, ein kleiner Campingplatz, zwei Strandschlafkörbe, zwei Restaurants und ein kleiner Shop sind so ziemlich alles, was die Insel neben dem Flughafen an Infrastruktur zu bieten hat. Ursprünglich war Düne durch einen natürlichen Wall aus Sand und Kreide mit dem benachbarten Helgoland verbunden. Zum Jahreswechsel 1721/22 wurde die Verbindungsachse jedoch bei einer Sturmflut zerstört und nicht wieder aufgebaut. Daher sprechen die Helgoländer nicht von ungefähr gerne augenzwinkernd vom „durchschlagendsten Silvesterknall der Geschichte“.
Für Düne selber war die Naturkatastrophe rückblickend eher Segen als Fluch. Denn seither ist die Insel vor der Insel nur mit einem kleinen Boot im 30-Minuten-Takt zu erreichen. Tatsächlich kommen die meisten Tagesgäste gar nicht erst hierher, sondern verbleiben während ihres kurzen Aufenthalts ausschließlich auf Helgoland selber – wohl ohne zu ahnen, welch herrliches Paradies Düne birgt.
Rote Diamanten an der Aade
Zu diesem gehört die „Aade“, der Ostteil des kleinen Eilands. Hier sorgen neben dem Rauschen des Meeres unzählige Kieselsteine für ein besonderes Klangerlebnis. Darunter auch einige der begehrten Feuersteine. Das markante Gestein mit dem roten Kern, das nirgendwo sonst auf dem Erdball zu finden ist, wird gerne als „Roter Diamant” tituliert. Entsprechend werden die Feuersteine gerne zu Schmuck verarbeitet. Den wiederum gibt es auf Düne nicht zu kaufen, wohl aber auf dem benachbarten Helgoland, wo seit Jahr und Tag das Oberland mit der Langen Anna, die Lummenfelsen und Hummerbuden die Besucher, die vornehmlich als Tagesgäste anreisen, in ihren Bann ziehen. Nur gut, dass die wenigsten Düne überhaupt bewusst wahrnehmen. So bleibt dieser Geheimtipp quasi unter uns.
Wissenswertes zu Düne in Kurzform
Informationen: www.helgoland.de
Anreise nach Helgoland: Helgolands Flugplatz ist im Linienflug mit Cuxhaven/Spieka und Heide/Büsum verbunden. Mehr unter www.flughafen-helgoland.de.
Anreise nach Düne: Witterungsbedingt verkehrt von der Helgoländer Landungsbrücke oder vom Nord-Ost-Hafen die Dünenfähre fahrplanmäßig im Halbstunden- bzw. Stundentakt von 7.30 bis 22 Uhr, freitags und sonntags bis 23 Uhr. Die Fahrzeit beträgt nur wenige Minuten.
Essen & Trinken: Dünenrestaurant, Düne Südstrand, 27498 Helgoland, Telefon: 04725-544
Runway 33 Flugplatzrestaurant, Flugplatz Helgoland, Düne, 27498 Helgoland, Telefon: 04725-7123
Das Haupt gepflegt betten …
Übernachten: Neben der Möglichkeit, auf dem Campingplatz von Düne zu zelten, finden sich auf Heloglands Nachbarinsel mehrere Dutzend hölzerne Ferienhäuschen sowie zwei sogenannte Wikkelhouses. Die nachhaltigen Unterkünfte, die ab 64 Euro pro Nacht angeboten werden, bestehen aus Holz, Flachs und 24 Schichten Wellpappe und verfügen über kein Bad. Dafür können die Sanitäranlagen und Duschen des angrenzenden Campingplatzes mitgenutzt werden. Weitere Informationen unter www.helgoland.de
Schlafstrandkörbe: Am Nordstrand von Düne finden sich zwei wetterfeste Schlafstrandkörbe, die mit einer Breite von 1,30 Metern und eine Länge von 2,40 Metern jeweils Platz für zwei Personen bieten. Pro Nacht und Person werden – inklusive Kopfkissen und Schlafsack als Leihgabe sowie einem Piccolo Sekt – 77 Euro berechnet. Gebucht werden können die ungewöhnlichen Schlafplätze von Mitte Juni bis Mitte September unter Telefon 04725-808753, camping@helgoland.de und unter nordseetourismus.de/schlafstrandkoerbe.
Karsten-Thilo Raab
berichtet seit mehr als drei Jahrzehnten für eine Vielzahl von Zeitungen und Magazinen über Reiseziele weltweit. Zudem hat er sich einen Namen als Autor von mehr als 120 Reise-, Wander- und Radführern sowie Bildbänden gemacht.