Turbulente Zeiten über dem Atlantik

Enge Stuhlreihen in der Flugkabine könnten bei Turbulenzen für zusätzliche Sicherheit sorgen. (Foto: Karsten-Thilo Raab)
Enge Stuhlreihen in der Flugkabine könnten bei Turbulenzen für zusätzliche Sicherheit sorgen. (Foto: Karsten-Thilo Raab)

Eine öffentliche Entschuldigung aller Fluggäste ist wohl längst überfällig. Was haben wir nicht alle gewettert, dass wir Passagiere auch in Zeiten von Billigfliegern immer weiter geschröpft werden, während der Service an Bord sich zeitgleich in einem permanenten Sinkflug befindet. In unserer unendlichen Verblendung wollten wir die Wahrheit scheinbar nicht erkennen. Vielmehr haben wir bei jeder sich bietenden Gelegenheit über diverse Airlines und ihre enge Bestuhlung und die gleichzeitig schrumpfende Beinfreiheit geflucht und gemeckert. Und dies nur, weil einige Sitzreihen mittlerweile so eng zusammengeschoben wurden, dass selbst Zwergkaninchen mit Hut nur dank einer ausgefeilten Origamiefalttechnik hier Platz finden können.

Als unbedarfter Passagier haben wir die spürbar eingeschränkte Bewegungsfreiheit der unendlichen Gier der Fluglinien zugeschrieben, angestachelt von dem Irrglauben, die zusätzlichen Sitzreihen würden nur der Profitmaximierung durch zusätzlich verkaufte Tickets dienen. Doch nun müssen wir erkennen, dass wir den Airlines Unrecht getan haben. Und dafür entschuldigen wir uns in aller gebotenen Form.

Die Augen haben uns zwei Wissenschaftler von der britischen Insel geöffnet. Dank der Forschungsergebnisse von Paul Williams von der Universität im englischen Reading und von Manoj Joshi von der Universität in Norwich wissen wir nun, dass die enge Bestuhlung Teil eines sorgsam und vorausschauend geplanten Sicherheitssystems ist.

Die beiden Gelehrten aus dem Reich der Themsen-Elli, wie die britische Königin Elizabeth II. mitunter spöttisch genannt wird, haben nämlich herausgefunden, dass der Klimawandel dazu führt, dass auf Transatlantikflügen künftig deutlich mehr und heftigere Turbulenzen zu erwaten sind. Vor allem so genannte Clear-Air-Turbulenzen, die nicht bei Gewitter oder Sturm, sondern bei wolkenfreiem Himmel unvermittelt auftreten könnten. Da diese mit der heutigen Technik kaum vorhergesagt werden können, könnte es passieren, dass Passagiere und Tomatensaft unvermittelt durch die Kabine geschleudert werden.

Und hier schließt sich wieder der Kreis zur engen Bestuhlung. Hinter dem Einklemmen der Passagiere zwischen der Vorder- und Rückenlehne ihres viel zu engen Sitzes steckt Kalkül. Denn die Platzanordnung hilft, zu verhindern, dass die Fluggäste im Flug aus dem Sitz geschleudert werden. Die Kräfte, die bei Turbulenzen wirken, sind bisweilen nämlich so stark, dass die Sicherheitsgurte allein den Passgierwirbel wohl nicht verhindern könnten.

Während Paul Williams und Manoj Joshi prophezeien, dass die Zahl der Turbulenzen in den kommenden vier Jahrzehnten um bis zu 170 (!) Prozent zunehmen wird, treffen die Airlines bereits heimlich weitere Sicherheitsvorkehrungen. Das Bordpersonal erhält vorsorglich Schuhe mit Bleisohlen und Röckchen mit eingenähtem Saumbeschwerer.

Thekenbrust & ZackendruseGetränke werden nur noch in geschlossenen Behältern mit Strohhalm serviert. Was nach dem Nuckeln am lauwarmen Bier dafür sorgt, dass der geneigte Fluggast den Großteil der Strecke bis New York oder Miami selig schlummert und von den Turbulenzen unterwegs nichts mitbekommt. Und die im Bedarfsfall runterklappende Sauerstoffmaske über jedem Sitzplatz wird so umgebaut, dass sie auch über eine Absaugfunktion verfügt, um sauber und geruchsfrei auf plötzlich auftretende Übelkeit reagieren zu können.

Buchtipps: Karsten-Thilo Raab: Thekenbrust & Zackendruse, Westflügel Verlag, ISBN 978-3-939408-11-6, 12,50 Euro. Erhältlich ist das Buch im Buchhandel oder direkt beim Verlag.

Karsten-Thilo Raab: San Diego Waldfried,  (ISBN: 978-84-9015-620-9). Erhältlich ist der Kolumnenband im Buchhandel, direkt beim Verlag oder online zum Preis von 20,90 Euro.