France Borel und Nicole Biesel gehören dem erlauchten Kreis an. Auch Pascale Gramond sowie Sarah und Maxime Ceroux. Sie alle sind namentlich auf einem Messingschild an der „Bar of Fame” verewigt. Eine Art Ruhmesmeile für treue Gäste, die allmählich an ihre Kapazitätsgrenze stößt. Wobei Stefanie und Samantha Veri auf der länger werdenden Liste auf dem Tresen einen Ehrenplatz einnehmen. Denn die beiden Schweizer haben auf Tsarabanjina in den zurückliegenden zehn Jahren genau 26 Mal das famose Robinson-Flair genossen.
Die Trauminsel im Indischen Ozean mit dem fast unaussprechlichen Namen ist ein Island voller Postkartenmotive mit kristallklarem, blauen Wasser, farbenfroher Unterwasserwelt und weißen Traumstränden. Eine Insel, die genüsslichen Schrittes in gut anderthalb Stunden umrundet werden kann und auf der sich selten mehr als 120, 130 Menschen gleichzeitig aufhalten.
Zwar liegt Tsarabanjina gerade einmal 85 Kilometer vom madagassischen Festland entfernt, und doch ist es in jeglicher Hinsicht eine eigene Welt. Hier ticken die Uhren im wahrsten Sinne des Wortes anders. Denn die Insel liegt in einer anderen Zeitzone als das Mutterland. Hier werden die Uhren eine Stunde vorgestellt, um die Tageslichtdauer optimal auszunutzen. Denn Energie ist teuer, muss mühsam mit Hilfe von Dieselgeneratoren und Sonnenkollektoren gewonnen werden.
„Hier ist der Stresslevel extrem niedrig. Schon nach zwei, drei Stunden kennt man die Insel und die Erholung kann beginnen“, flachst Manager Henri Arnulphy, dass die Gäste auf der grünen Insel mit der Robinson-Crusoe-Atmosphäre allenfalls damit beschäftigt seien, zu baden, zu schnorcheln, zu entspannen und vielleicht wie weiland der Romanheld in Daniel Defoes Klassiker auf Freitag zu warten. 90 Minuten dauert die Überfahrt von Nosy Be im Norden Madagaskars bis nach Tsarabanjina.
Und mit jeder Seemeile rückt die Palmen bewachsene Insel mit ihren drei Traumstränden näher. Ganz trockenen Fußes gelang der Gast jedoch nicht an Land. Denn hier gibt es weder einen Hafen noch einen Anlegesteg. Mit den Schuhen in der Hand geht es durch das seichte Wasser an den 100 Meter langen Bar-Strand, wo das freundliche winkende Personal in weißen, gestärkten Hemden die Gäste mit einem erfrischenden Cocktail empfängt
Derweil trägt eine Schar von fleißigen Helfern das Gepäck in einen der nur 25 Bungalows, die sich in die Dünen oberhalb der beiden größten Strände der Insel verteilen. Während der 200 Meter lange Südstrand mit seinem feinen Sand und dem kristallklaren blauen Wasser wie eine Postkartenidylle anmutet, ist der 270 Meter lange Nordstrand ein wenig wilder und ursprünglicher, aber nicht weniger attraktiv. Hier herrscht beim Sonnenbaden keine drangvolle Enge. Im Gegenteil. Fast muss man die Nachbarn mit dem Feldstecher suchen.
„Tsarabanjina ist eine Insel der Entschleunigung“, verweist Arnulphy auf die Tatsache, dass es hier weder Fernseh- noch Radioempfang gibt. Telefon und Internet funktionieren nur im Rezeptionsbereich. Gleichwohl mangelt es dem Gast an nichts. Die 45 Quadratmeter großen Bungalows verfügen allesamt über eine eigene Terrasse, einen eigenen kleinen Strandabschnitt sowie die obligatorische Hängematte vor der Hütte.
Ein offenes Holzhaus beheimatet auf zwei Etagen ein Restaurant und eine Bar, wobei Letztere den Natursand der Insel als Bodenbelag nutzt. Hier herrscht kein Dresscode, alle sind miteinander perdu, genießen die vielfältigen Wassersportmöglichkeiten und das exzellente Essen. Die einzigen Geräusche, die hier zu vernehmen sind, sind neben dem Klang der Wellen das Piepsen der Vögel und das Flattern der Ventilatoren.
„Verglichen mit anderen Teilen Madagaskars ist Tsarabanjina sicherlich teuer“, räumt Arnulphy ein. Als Gründe nennt der Manager die Tatsache, dass nicht nur alle Lebensmittel hierher gebracht, sondern auf der Insel der eigene Strom und eigenes Wasser hergestellt werden müssen. So wandeln zwei Entsalzungsanlagen stündlich 1.000 Liter Meereswasser in Trinkwasser um. Müll muss aufwendig mit dem Boot ans Festland transportiert werden. Insgesamt werden rund vier Tonnen an Lebensmitteln pro Woche auf dem Seeweg nach Tsarabanjina gebracht, wobei die Fische fangfrisch von den Fischern der Umgebung angeliefert werden.
Insgesamt 93 Mitarbeiter kümmern sich um das Wohl der maximal 60 Gäste. Wobei die Angestellten üblicherweise vier Wochen arbeiten, um dann eine Woche frei zu haben. „Viele sind jedoch gleich vier Monate am Stück hier und nehmen sich dann einen Monat frei, um bei ihren Familien zu sein“, gibt Arnulphy Einblick in die Personalplanungen. Fast alle Mitarbeiter stammen aus dem Norden Madagaskars. Einige waren sogar schon beim Bau des Hotelkomplexes vor 15 Jahren im Einsatz und gehören quasi zum Inventar.
Da das Gros der Mitarbeiter aus ungelernten Kräften besteht, die häufig auch Analphabeten sind, müssen diese sich schrittweise hocharbeiten. Zunächst werden sie vor allem in der Gartenarbeit und Wäscherei eingesetzt. Über Schulungsmaßnahmen – auch in anderen Hotels beispielsweise auf Mauritius oder den Seychellen – können die Mitarbeiter die Karriereleiter peu á peu hinauf klettern.
„Alle freuen sich, wenn sie das Paradies mal für ein paar Tage verlassen können“, lacht Arnulphy und ergänzt: „Hier dauerhaft zu leben, ist nicht gerade einfach. Man hat nie richtig Feierabend, kann den Gästen eigentlich kaum aus dem Weg gehen und es gibt nur wenig Abwechselung.“ Und so vergleicht der Südafrikaner das Leben auf Tsarabanjina mit dem Anblick eines Schwans im Wasser: „Oben sieht alles elegant aus, unter der Oberfläche müssen wir mächtig strampeln“, weiß Arnulphy, dass das Inselparadies den Dauerbewohnern einiges abverlangt.
Das Island ist vertraglich für 30 Jahre der Constance Hotel Gruppe überlassen worden. Wobei die Betreiber die Zukunft des kleinen Paradieses inmitten des Indischen Ozeans nicht dem Zufall überlassen wollen. Und so wird der Vertrag alle fünf Jahre auf „neue“ 30 Jahre verlängert, um auch für künftige Investitionen entsprechende Planungssicherheiten zu haben. So soll die Energieversorgung mittelfristig komplett auf Solarenergie umgestellt werden. Was irgendwie nahe liegt, ist Tsarabanjina doch ein Sonnen verwöhntes Island mit Robinson-Flair.
Informationen: Constance Lodge Tsarabanjina, B.P. 380, Hellville 207, Nosy Be, Madagaskar, Telefon 00261-(0)320515229, www.tsarabanjina.com.
Lage: Tsarabanjina liegt etwa 70 Kilometer nördlich von Nosy Be, der größten Insel im Norden Madagaskar. Von Antananarivo gibt es täglich mehrere Flüge nach Nosy Be. Von hier werden die Gäste mit einem Taxi zum Hafen gebracht und fahren dann mit einem Boot nach Tsarabanjina, das nach etwa 90 Minuten Fahrzeit erreicht ist.
Tipp: Die schönsten Impressionen aus Madagaskar hat Karsten-Thilo Raab unter dem Titel „Faszination Madagaskar“ übrigens auch in einem Wandkalender zusammengestellt. Erhältlich ist dieser in den Formaten A2 bis A5 im Buch- und Online-Handsel – unter anderem bei Amazon.
Karsten-Thilo Raab
berichtet seit mehr als drei Jahrzehnten für eine Vielzahl von Zeitungen und Magazinen über Reiseziele weltweit. Zudem hat er sich einen Namen als Autor von mehr als 120 Reise-, Wander- und Radführern sowie Bildbänden gemacht.