Es gibt viele Gründe an die Loire im Herzen von Frankreich zu reisen. Da ist die Landschaft mit ihren pittoresken, alten Städten und kleinen Dörfern, natürlich der Fluss an dessen Ufer sich mehr als 80 Schlösser (Chateau klingt natürlich viel schöner) wie Perlen an einem Geschmeide von Marie Antoinette aufreihen. Vielleicht trifft man auf Monsieur Claude und seine Töchter, die wie im Film das prächtige Schloss Chambord besuchen, oder man besichtigt in der Abtei Fontevraud das Grab von Richard Löwenherz.
Unterhalb des Schlosses von Saumur findet sich ein Grund, der es sogar in mehr als 60 Ländern der Welt geschafft hat. Rings herum schmiegen sich endlos scheinende Reihen von Rebstöcken in die Landschaft, woraus seit 1851 Bouvet Ladubay wird: Crémant de Loire. Insgesamt 80 Winzer liefern ihre Trauben. 50.000 Hektoliter, fünf Millionen Liter verschiedener Sorten werden daraus Jahr für Jahr.
Mehr als 100 Millionen Flaschen
„Allein seit der Eröffnung der neuen Produktionsstätte, etwas außerhalb von Saumur, 2007, waren es mehr als 100 Millionen Flaschen“, erzählt Juliette Monmousseau, die vor einigen Jahren die Leitung des Unternehmens von ihrem Vater Patrice übernommen hat. Er allerdings ist immer noch mit Herz und Seele und vor allem seinem Wissen über Wein dabei. Fast sein ganzes Leben lang hat er bei Bouvet gearbeitet. Unter verschiedenen Eigentümern. Unter anderen Taittinger später ein indischer Investor, bis die Familie Monmousseau wieder das Zepter übernahm oder besser gesagt, Herr der Keller wurde. Patrice Großvater war ab 1932 der Chef, verkaufte aber eben 1974 an Taittinger.
Um das Jahr 1900 platzierte sich Bouvet Ladubay übrigens mit sieben Millionen Flaschen ganz vorn unter den größten Schaumweinproduzenten der Welt. Jedoch auch noch heute behauptet man einen Spitzenplatz.
Fließbandreise des Schaumweins
Ein paar Zahlen sind bereits genannt. Wenn man jedoch die Produktion und Lagerhallen besichtigt, aus denen die edlen Tropfen in die Welt gehen, kann man sich kaum ein „Wow“ verkneifen. Bis zu 15 Millionen Flaschen lagern allein noch unverpackt in Metallgitterboxen und warten darauf, weiter verarbeitet zu werden. Bis die Hefe durch ein kurzes Einfrieren entfernt, je nach Sorte eine Dosage hinzugefügt wird und sich die Flaschen auf eine Fließbandreise, die ein wenig an ein Ballett erinnert, begeben, wobei sie Korken, Metallkapsel und Etikett erhalten und zum Finale in der Kiste landen. Bis sie irgendwo auf der Welt für wohligen Genuss sorgen.
Der Neubau 2007 war notwendig, weil der Platz in den historischen Kellern der Abtei, unweit des Zentrums Saumurs, nicht mehr ausgereicht hat. Über acht Kilometer ziehen sich die in das Gestein gehauenen Gänge, die man heutzutage mit dem Fahrrad erkunden kann. An einigen in Barriquefässern gelagerten Weinen kommt man vorbei und an Flaschen, die für besondere Anlässe reifen. Etwa für den 175. Geburtstag 2026.
Vermeintlicher Fund des Heiligen Grals
Apropos Keller. Dieser sorgt zu Beginn der Geschichte für einige Legenden. Denn Etienne Bouvet heiratete die Tochter des Dorfbäckers Ladubay. Er war arm und konnte kaum lesen. Böse Zungen behaupteten, er hatte es nur auf die Mitgift und natürlich die Mühle der Ladubays abgesehen, mit der er später dann auch sein Kraftwerk betrieb. Wie gesagt schaffte er es bis zur Jahrhundertwende einer der größten Produzenten zu werden. Erfolg hatte er sich also erarbeitet. Den Neid bekam er umsonst.
Ähnlich wie bei Bérenger Saunière aus Rennes-le-Château, der als Dorfpfarrer eigentlich arm war aber ein großes Haus baute, wurde behauptet, er hätte den Schatz der Templer und Katharer und gar den Heiligen Gral gefunden. Bei Bouvet sollte es der Schatz der Mönche von Saint Florent gewesen sein, den sie während der Französischen Revolution versteckt hatten. Doch nicht nur das. Es soll auch noch das wundersame Schwert Ogmius gegeben haben. Der Schlüssel zum Versteck habe wiederum im Fach 3852 des Etikettenlagers gelegen. Übrigens eine noch heute zu besichtigende beeindruckende Sammlung. Bekam doch bis 1932 jeder Kunde sein eigenes.
Etiketten für die Genießer
„Da wurde dann aus vielen Kunden ein Comte, Chevalier, Marquis oder ähnliches“, erzählt lachend Benoit Defranoux, der das Unternehmen in Deutschland vertritt. Nun ja, alles hübsche Geschichten. Gut für das Marketing und immer wieder gern erzählt. Ich habe übrigens nachgeschaut. Im entsprechenden Fach lagen nun ein paar Restetiketten. Aber wer weiß. Sogar einen Roman von Historiker Geoffrey Ratouis gibt es zum Thema. So sorgen die Legenden auch für einige Namen der Produkte. Saphir, Trésor oder eben auch Ogmius, die Spitzen-Cuvée aus dem Hause. Gerade wurden genau je 3.852 Falschen weiß und rosé in Magnumflaschen gefüllt.
Noch schnell ein Wort zu den Weinen. Das sind vor allem Sauvignon Blanc, Chenin Blanc und Chardonnay. Natürlich kann man alles vor Ort verkosten. Aber egal was einem dann so von mitreisenden selbsternannten Weinkennern erzählt wird: Der beste Wein ist der, der einem schmeckt.
Wie Gott in Frankreich
Sehenswert ist zudem auch die Kutschensammlung von Bouvet. Saumur ist auch die Pferdehauptstadt Frankreichs. Eine Fahrt mit einem alten Gabarre genannten Boot ist ein Erlebnis, Radtouren am Ufer sind möglich und vielleicht kehrt man bei der Schwester von Juliette Monmousseau im Restaurant La Route Du Sel ein. Direkt am Ufer der Loire, im Garten mit Kirschbäumen fällt es bei einem gut gefüllten Glas dann nicht schwer zu verstehen, warum es heißt: Leben wie Gott in Frankreich.
Honza Klein
Der Berliner hat für diverse Radiosender gearbeitet, war viele Jahre Redakteur bei der Berliner Morgenpost, hat an Büchern über Berlin mitgearbeitet und ist u.a. Autor für die Super Illu und Gastgeber einer Talksendung bei TV Berlin.