
West-Samoa: In der früheren deutschen Kolonie im Südpazifik läuft das Leben in ruhigen Bahnen. Und es erfüllt sich alte Sehnsucht: schneeweiße Strände, tiefblaue Lagunen, wogende Kokospalmen, leuchtende Blüten in Hülle und Fülle, freundliche Menschen. Doch der Zwergstaat ist eher ein Geheimtipp.

Pünktlich um acht Uhr an jedem Werktag kommt an der Beach Road in Apia, Hauptstadt der Samoa-Insel Upolu, der Verkehr zum Stillstand. Dann taucht die Polizei auf, gegen 100 Mann. Hellblau gekleidet unter weißen Helmen. In Zweierkolonne marschieren sie zum Parlamentsgebäude. 20 von ihnen greifen zu den Instrumenten und spielen mit schmissiger Blasmusik zur rotblauen Flaggenparade auf. Nach wenigen Minuten ziehen sie unter Pauken und Trompeten wieder ab, provinzieller Lärm weicht den patriotischen Klängen.
Östlich der Datumslinie

In der Nähe hängt in einem kleinen Laden ein buntes T-Shirt. „Where the hell is Western Samoa?“ steht darauf. Ja, wo zum Teufel liegt die winzige Inselgruppe? Die neun Inseln West-Samoas „kleben“ unmittelbar östlich an der internationalen Datumslinie im Stillen Ozean. Damit sehen die Samoaner neben den Insulanern des benachbarten Königreichs Tonga jeden Tag als letzte der Erde die Morgensonne. Vielleicht ein Grund, warum hier alles sehr bedächtig abläuft nach dem Motto „Fa’a Samoa“ – gemeint ist der hiesige Lebensstil, den man auch den Himmel auf Erden nennen könnte.

Trotz der gemächlichen Lebensweise war West-Samoa der erste Südseestaat, der 1962 seine Unabhängigkeit erklärte. Deutsche Namen auf Grabsteinen und Firmenschildern erinnern daran, dass er bis 1914 deutsche Kolonie war. Damals wie heute lieben die wenigen hier verheirateten Deutschen die Heiterkeit, die Leichtigkeit und diese kultivierte Faulheit, eben das Fa`a Samoa. So ähnlich muss es auch Robert Louis Stevenson, dem schottischen Schriftsteller der „Schatzinsel“, ergangen sein. Nach einem Schiffbruch verbrachte er mit seiner Frau Fanny seine letzten vier Jahre auf Upolu.
Fiafia-Nächte mit Tanz und Dinner

Seine geliebte Villa Vailima sowie sein Grab auf dem Mount Vaea sind heute die Inselattraktionen. Zweifellos aber auch „Aggie Grey’s Hotel“, Kultadresse am Hafen und Südseelegende wie die Erstbesitzerin gleichen Namens – ohne Strand zwar, aber mit viel Atmosphäre. Zum Fünfuhr-Tee am Pool treffen sich Abenteurer, Aussteiger, Romantiker und Globetrotter zum Sunset. Bei denen spürt man diese stille Sehnsucht – wonach auch immer. Jedenfalls will man mehr als ein Strandhotel mit polynesischen Fiafia-Nächten, die aus Tanz und Dinner-Buffets bestehen. „Samoa sehen, wie es die Samoaner sehen“, verheißt eine Rundreise über Upolu und die größere, aber wenig besiedelte Schwesterinsel Savaiʻi.

Die Tour beginnt in Apia in einem typischen Überlandbus. Der besteht aus einem Truckchassis mit einem bunten, hölzernen Aufbau als Fahrgastraum. Das verheißt nicht nur ein hautnahes Naturerlebnis, sondern das Eintauchen ins Fa´a Samoa. Was das heißt, erfährt man gleich auf den ersten Kilometern – man sitzt auf verdammt harten Holzbänken bei lauter Discomusik. Twiti, der Fahrer, sitzt lächelnd hinter dem Steuer, um seine Beine flattert ein landestypischer Wickelrock.
Lotterleben in Bastmatten

Ein kurzer Stopp am farbenfrohen New Market, auf dem an jeder Ecke Bilder Paul Gauguins lebendig werden, tut für den Anfang gut. Der Bus rumpelt gemächlich weiter über die schmale Küstenstraße, auffallend die vielen Kirchen verschiedener Religionen. Angenehm der kühlende Fahrtwind durch die scheibenlosen Holzrahmen. Auf der einen Seite zieht die blaue Lagune vorbei, in der Fischer mit ihren Auslegerkanus dümpeln, auf der anderen Seite wechseln sich Palmen und Regenwald mit grünen Dorfwiesen ab. In gepflegten, blühenden Vorgärten reihen sich ovale, offene Häuser mit gewölbten, aus Kokoswedeln geflochtenen Dächern. In diesen „Fales“ räkeln sich auf Bastmatten Einheimische und winken gelassen. Mehr Bewegung ist in der Mittagshitze nicht drin.

Dichter Regenwald mit dem fantastischen Togitogoga-Wasserfall, urzeitliche Farne, Tropenbewuchs und vielfarbige Blumen bestimmen das fruchtbare Inselinnere. Die „Safari“ über die Mafa Pass Road zu den Traumstränden im Süden von Samoa wird zum Trip durch eine lieblich-grüne Hölle.
Leben in großer Gemeinschaft

Nach zwei Stunden ist Aleipata an der Ostküste erreicht. Meist leere, langgezogene Strände ziehen vorbei: pechschwarze Lava-Zungen, schneeweißer Sand und das türkisblaue Meer sind ein schöner Kontrast. Luftige Fales laden zum Wohnen ohne Wände ein: ausgestattet mit Matratze, Moskitonetz, Dusche und Jalousien gegen den Wind – preiswert, pur, originell. Die Zeit bis zum Essen nutzt man am besten am Puderzuckerstrand von „Lalomanu“, schnorchelt im Türkis der Lagune am gut erhaltenen Riff und schaut, was die Korallenfische so machen.

Im Dorf bereiten die Frauen herzhafte Gerichte zu: frisch gefangener Fisch in Kokosnusssauce und gekochte Tarowurzeln. „Ohne Meerestiere, Brotfrüchte, Taro, Yams und exotische Früchte wäre für uns das Leben nur halb so lebenswert“, bemerkt Twiti. All dies ist in seiner Heimat im Überfluss zu finden. Beim gemeinschaftlichen Essen sind die Besucher schnell mittendrin in den Großfamilien. „Ihr Europäer träumt vom Leben unter Palmen und Menschenstille. Unser Paradies ist das Leben in großer Gemeinschaft. Sie ist von tiefer Religiosität und Toleranz gleichzeitig geprägt “, philosophiert der Matai, der Dorfälteste mit den eindrucksvollen Tätowierungen um Hüfte und Oberschenkel. „Nur in der Gruppe lässt sich die isolierende Weite des Pazifiks ertragen“.
Leckereien aus dem Erdofen

Auf der Küstenstraße gen Westen geht die Fahrt an unendlich weiten Kokosplantagen vorbei. Sie stammen noch aus der Kolonialzeit, als sich Ende des 19. Jahrhunderts die USA und das Deutsche Reich Samoa teilten. Deutschland bekam den Westteil, die USA den Osten der Inselgruppe. Die Palmen, die deutsche Siedler gepflanzt haben, erkennt man noch heute an ihrer peniblen Ausrichtung in Reih und Glied.

Die Zeit wird knapp. Statt bis Mulifanua an der Westspitze Upolus zu fahren, wo die Fähre nach Savaii hinübersetzt, dreht Twiti ab auf die Cross Island Road. Ein traditionelles Umu-Essen mit anschließendem Tanz im Fackelschein steht auf dem Programm. An Festtagen werden die Umus, die Erdöfen, angeheizt, dann herrscht dicke Luft an der Küste. Auf Lavasteinen garen kleine Esspakete aus Bananenblättern, die um Hühnerteile gewickelt und wieder in Kokosnussmilch getränkt werden. Bis das Essen gar ist, tönt die Holztrommel in den Palmenhainen. Jüngere und ältere Männer führen den Siva Afi auf, einen spektakulären Feuertanz, wobei sie Messer mit brennenden Flammen um ihre Körper wirbeln. Südsee-Feeling…
Wussenswertes zu Samoa in Kurzform

Auskunft: Die nächstgelegene Botschaft von Samoa befindet sich in Brüssel. In Deutschland gibt es mehrere Konsulate.

Anreise: Mit Lufthansa ab Frankfur nach Los Angeles, von dort mit weiter mit Fiji Airways, Qantas, Samoa Airways, Air New Zealand direkt zum Internationalen Flughafen Faleolo, 35 Kilometer von Samoas Hauptstadt Apia entfernt. Flugpreise beginnen bei etwa 1100 US-Dollar. Erholsamer und erlebnisreicher ist eine Südsee-Kreuzfahrt z.B. ab Tahiti oder ab Sydney: Beispielesweise 20 Tage ab Sydney bis Papeete, Termin Dezember 2025 ab 3.437 Euro. Informationen unter www.ncl.de

Einreise: EU-Bürger benötigen kein Visum, wenn sie ein Rück- oder Weiterflugticket haben. Der Reisepass sollte noch mindestens sechs Monate gültig sein.

Sprachen: Mit Englisch kommt man durch.

Unterkunft: In Apia ist „Aggie Grey’s Hotel“ die beste Adresse. Der Coconuts Beach Club auf der Hauptinsel Upolu zelebriert das totale Südsee-Feeling. Sehr günstig sind die Strand-Fales.


Katharina Büttel
lebt und arbeitet als freie Reisejournalistin in Berlin. Über 30 Jahre reist sie für ihre Reportagen und Fotos um die Welt – seit vielen Jahren veröffentlicht sie auch im Mortimer-Reisemagazin.