„Wenn das eine Insel ist, muss man dann da mit dem Boot hin fahren?“, fragt ein neugieriger Nachwuchs-Museumsbesucher und muss leider enttäuscht werden. Denn obwohl der Name „Museum Insel Hombroich“ lautet, kann man ganz entspannt mit dem Auto oder Bus hingelangen. Wer sein Fahrzeug auf den Besucherparkplätzen abgestellt hat, der lässt für die nächsten Stunden die moderne Welt samt Autolärm, Hupkonzerten und Straßen hinter sich. Vor den Besuchern liegt nämlich eine Welt, die aus dem Bilderbuch der Natur stammen könnte. Friedlich geht es zu; geruhsam, still und leise. Künstliches Licht, klimatisierte Räume, lärmende Lautsprecher und ellenlange Erklärungsschilder sucht man auf dieser Insel vergeblich.
Vielmehr ist hier alles erlaubt – und man kann sich die Flussufer, Künstlergärten, Skulpturensammlungen, Museumsgebäude und Kunstwerke ganz entspannt selber erschließen. In seinem eigenen Tempo, in einer selbst gewählten Reihenfolge.
Vom Eingangsgebäude aus geht es erstmal abwärts mit den Besuchern. Über einige Stufen gelangt man immer weiter hinab, zwischen dem dichten Laub der Bäume lässt sich unten schon eine herrliche Auenlandschaft erahnen. Frösche quaken im Duett mit schnatternden Gänsen ein tierisches Willkommen. Unten angelangt, schlängelt sich ein lieblicher Pfad durch hüfthohe Lupinen und Margeriten-Stauden.
„Sollen wir hier mal links abbiegen oder geradeaus weiter gehen?“, ruft der achtjährige Tobias, der schon ein paar Meter voraus gelaufen ist. Ein Blick auf die Karte, die er am Eingang erhalten hat, hilft weiter. Das erste begehbare Haus, „Der Turm“ genannt, liegt geradeaus, ein kleiner Schleichweg, der darum herum führt, geht links ab.
„Ich will in den Turm!“, ruft seine große Schwester und düst im Laufschritt voran. In der Tür bleibt die Siebzehnjährige aber abrupt stehen und stutzt. Drinnen stehen ein Mann und eine Frau und wiegen sich im Rhythmus der eigenen Gesänge sanft nach links und rechts. Dabei nicken sie den Neuankömmlingen freundlich zu und lächeln zurück, als die Kinder spontan hinter vorgehaltener Hand loskichern.
„Hier drin ist ja gar keine Kunst – oder ist die Musik vielleicht die Kunst?“, fragt der kleinste Museumsbesucher im Flüstermodus und horcht gespannt hin. Kein Hinweisschild, keine Erklärung, das ist ein Teil des mutigen und entspannenden Museumskonzeptes im Museum Insel Hombroich. Und das macht Kunst so leicht zugänglich für kleine und große Menschen, die bisher vielleicht noch nicht den richtigen Zugang zu Malerei, Skulpturen und Performance gefunden haben.
Die Begegnungsmöglichkeiten mit Kunst sind auf der Insel zahlreich. Angefangen bei spannenden Skulpturen wie einer Gruppe riesiger Metallfiguren, die wie Soldaten in Reih und Glied marschieren. Der Nachwuchs entdeckt sofort, dass hinter dem Soldaten-Schild der Eingang für einen Bienenstock versteckt liegt. So gehen Natur und Kunst Hand in Hand. Ganz in der Nähe stößt man auf einen großen Kreis, dessen Durchmesser rund 15 Meter betragen mag. Ordentlich auf diesem Radius aufgestellt, stehen übermannshohe, rostige Lehnstühle, die die Besucher einladen, Platz zu nehmen.
„Willkommen in König Arthus Runde!“ ruft das Familienoberhaupt mit dröhnender Stimme und sorgt für Lacher bei einer Besuchergruppe in der Nähe. In der weitläufigen Landschaft verteilt liegen daneben noch weitere Skulpturen, so ein mächtig großer, rostiger Ritter mit heruntergeklapptem Visier und langer Lanze.
Für Abwechslung sorgt auch der herrlich angelegte Park selber. Zum einen gibt es Sumpfteiche, Auen und kleinere Gärten mit Buchsbaumhecken, die labyrinthartig angelegt sind. Zum anderen sorgt das Flüsschen Erft für spannende Ein- und Ausblicke. Hier vorn sieht man einen Fisch unter den Algen verschwinden, dahinten kommen Kanufahrer gemächlich angepaddelt.
Insgesamt zehn Pavillons sind in dem weitläufigen Gelände verteilt, in dem der Stifter Karl-Heinrich Müller seine Kunstsammlung der Öffentlichkeit zugänglich macht. Dabei lag die Verantwortung der Präsentation der Sammlung in den Händen des Malers Gotthard Graubner. Dem Düsseldorfer erschienen Hinweisschilder als störend. Vielmehr lag es ihm im Sinn, die Kunstwerke und Kulturgegenstände aus zwei Jahrtausenden miteinander in Dialog treten zu lassen. Das „Labyrinth“ wurde so zum Zuhause für Arbeiten aus dem frühen China sowie frühgeschichtlichen Luristan und Amlasch. Im Spannungsfeld dazu befinden sich ebenfalls Werke des 20. Jahrhunderts von Kurt Schwitters, Hans Arp und Lovis Corinth im selben Gebäude.
Das ebenfalls von Architekt Erwin Heerich errichtete „Zwölf-Räume-Haus“ fasst unter seinem Dach Kunst aus Mexiko, Afrika, Peru, aus Persien sowie Werke von u.a. Alexander Calder und Henri Matisse zusammen. In der „Schnecke“ hat die graphische Sammlung des Museums ihr Zuhause gefunden. Ausgestellt werden hier neben Zeichnungen von Künstlern wie Constantin Brancusi, Gustav Klimt und Henri Matisse, auch Aquarelle von Paul Cézanne sowie Radierungen von Eduardo Chillida und Rembrandt van Rijn.
„Gibt`s hier keine Cola?“, fragt der Sohnemann im Grundschulalter, als die Familie ganz ohne Beschilderung zum Museumscafé gefunden hat. Zur Überraschung aller wird hier ein kostenfreies Buffet angeboten. Und das Konzept des Museums findet hier seine Fortsetzung: Keine Cola, keine Muffins, kein Fastfood. Angeboten werden hingegen die einfachen wie köstlichen Dinge, die uns Mutter Natur schenkt und die man aus Omas Küche kennt: Pellkartoffeln, Apfelmus, Griebenschmalz, hausgebackener Stuten, Graubrot und Butter. Als Erfrischungsgetränke stehen Tee, Kaffee und Wasser bereit.
Im Schatten der Trauerweiden sitzen nebenan kunstbeflissenen Grüppchen aus den Niederlanden und Frankreich und genießen die Stärkung. Ein possierliches Nutria, auch Biberratte oder Sumpfbiber genannt, traut sich aus seinem Gewässer und kommt den Museumsbesuchern erstaunlich nah.
„Guck mal, wie süß, er knabbert an dem knallgrünen Klee da“, begeistern sich die jungen Inselbesucher. Auf dem Rückweg, als der Ausgang nach rund zwei Stunden Rundgang fast wieder erreicht ist, hat die kleine Familie das Gebäude „Der Turm“ für sich ganz alleine. Sie füllen den völlig leeren Ausstellungsraum erst ganz leise und zögerlich, dann immer mutiger und ausgelassener mit dem Gesang ihrer eigenen Stimmen und stellen fest – wenn man sich von der niedrigen Decke wegbewegt, zu dem Bereich, in dem diese hoch und weit ist, klingt das Echo leichter und leiser. Es wird munter experimentiert und der Spaß kommt auch nicht zu kurz.
„Du solltest lieber Skulpturen machen später, Deine Stimme reicht zum Perfomancekünstler echt nicht“, neckt die Große ihren kleinen Bruder.
Die Museumsinsel bildet, da sind sich Groß und Klein einig, einen angenehmen Gegenpol zur Alltagswelt mit seinem Überfluss an Informationen.
„Das Museum hier hat mir gefallen, man kann sich so frei fühlen und muss keine Angst haben, gegen irgendwelche Regeln zu verstoßen. Wenn man etwas von Nahem angucken möchte, dann darf man das, das ist cool“, resümieren die jüngeren Familienmitglieder und die Großen nicken sich augenzwinkernd zu, froh darüber, das Kinder von heute sich noch für Lustwandeln im Zeichen von Kunst und Natur begeistern können: „Richtig cool, ja! Und alles ohne Stromanschluss…“
Informationen: Museum Insel Hombroich, Minkel 2, 41472 Neuss, Telefon 02182-8874000, www.inselhombroich.de
Öffnungszeiten: täglich, April bis September 10 bis 19 Uhr, Oktober bis März, 10 bis 17 Uhr.
Eintritt: wochentags 15 Euro, ermäßigt 7,50 Euro, Familienticket 35 Euro, Kinder bis sechs Jahre frei; samstags, sonn- und feiertags 20 Euro, ermäßigt 10 Euro, Familienticket 45 Euro, Kinder bis sechs Jahre frei.
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Mortimer
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