
Wenn man in Manchester landet, erwartet man Regen, Britpop und mindestens drei Diskussionen über Fußball, bevor man überhaupt sein Gepäck vom Band gezogen hat. Doch wer sich aufmacht zum Etihad Stadium, dem Zuhause des erfolgsverwöhnten Starensembles von Manchester City, der betritt nicht einfach ein Stadion – sondern eine Kathedrale des modernen Fußballs, in der selbst der Rasen aussieht, als würde er mit Conditioner gepflegt. Das Schmuckkästchen liegt im Osten der 570.000-Seelen-Gemeinde, die einst die Welt mit Spinnmaschinen veränderte und heute mit Spielzügen, die wie aus dem Lehrbuch der Fußballgötter stammen.
In der 53.400 Zuschauer fassenden Schüssel intonieren die Fans ihre Hymnen so leidenschaftlich, als würden sie damit den legendären englischen Regen vertreiben. Es ist ein Ort, an dem selbst diejenigen, die gewöhnlich wenig mit dem Runden das in Eckige muss, zu tun haben, verstehen, warum Fußball in England nicht nur gespielt, sondern gefühlt wird – mit jeder Pore, jedem Blick, jedem Torjubel, der sich wie ein Gewitter über die Tribünen entlädt. Willkommen im Etihad Stadium, wo der Rasen grüner, die Träume größer und die Erwartungen himmelhoch sind!
Von Queen Elizabeth II. eröffnet

Abseits der Spieltage in der englische Premier League und der europäischen Champions League lädt die Heimspielstätte von Manchester City zu einem besonderen Blick hinter die Kulissen ein. Im Rahmen der täglich angebotenen Stadiontour öffnen sich die Türen zu Bereichen, die sonst nur Spielern und Offiziellen vorbehalten sind.

Ursprünglich als Austragungsort für die Commonwealth Games gebaut, war das von Queen Elizabeth II. am 25. Juli 2002 persönlich eröffnete Stadion zunächst ein Leichtathletik-Mekka. 2003 wurde das Stadion umgebaut und zur neuen Heimstätte der „Blues“, die sich hier seither zu einem der führenden europäischen Clubs aufgeschwungen haben.
Umkleide als psychologisches Statement

Ein echtes Highlight ist die Umkleidekabine der „Citizens“: Die Kabine ist nicht eckig, sondern rund – und das ist kein Zufall. Trainerfuchs Pep Guardiola war persönlich in die Gestaltung involviert. Die Idee dahinter? In einer runden Kabine gibt es keine Ecken, keine Grüppchen. Jeder Spieler hat von seinem individuellen Umkleidebereich mit Sitz vor dem Schrank denselben Abstand zur Mitte, wo das Logo von Manchester City prangt. Von hier hält der Meistertrainer in der Regel vor dem Spiel und während der Halbzeitpause seine Ansprachen.

Somit avanciert die Umkleidekabine gleichzeitig zu einer Art psychologischen Statement. Insbesondere im Vergleich zum Gästetrakt, die deutlich nüchterner, noch dazu eckig ist – fast schon mit dem Charme einer Umkleidekabine in einer Schulsporthalle. Nur deutlich großzügiger geschnittenen.
Hybridrasen mit Kultstatus

Doch die Stadiontour vermittelt noch weitere spannende Einblicke in den modernen Fußballtempel, der im Volksmund schlicht „COMS“ oder „Eastlands“ genannte wird. So kann der geneigte Fan wie Haaland und Co durch den Spielertunnel aus Glas zum Spielfeld schreiten – begleitet von digital eingespieltem Fanjubel, Soundeffekten und Lichtinstallationen, die echtes Matchday-Feeling erzeugen.

Der „heilige“ Rasen darf jedoch nicht betreten werden. Tatsächlich ist das Grün des größten Fußballfeldes in Großbritannien eine Besonderheit: ein Hybridrasen, in den nicht weniger als 20 Millionen Kunstrasenfasern jeweils 20 Zentimeter tief in den Boden eingesetzt wurden und mit der Zeit mit dem übrigen Naturrasen verwachsen sind. Was den Platz überaus widerstandsfähig macht. Angesichts des britischen Wetters, das gerne auch in Manchester sein Unwesen treibt, eine durchaus pfiffige Idee.
Pressekonferenz mit Pep(p)

Während der Rasen also ein Tabu bleibt, kann ein jeder einmal auf der Auswechselbank Platz nehmen und ein wenig vom Einsatz in Premier League träumen. Auch der Sitzplatz von Pep Guardiola auf der Trainerbank kann für ein Erinnerungsfoto genutzt werden. Durch die Mixed-Zone, wo Spieler und Trainer üblicherweise nach dem Spiel den TV-Teams Rede und Antwort stehen, geht es in den Presseraum, wo ein besonderer Clou wartet: wer mag, kann sich an den Interviewtisch setzen, während Pep Guardialo virtuell dazu geschaltet wird und einem sogar schinbar anerkennend die Hand auf die Schulter legt.

Kein Besuch des Ethiad Stadiums wäre allerdings perfekt, ohne auch den Spielerlegenden von Manchester City ein wenig zu huldigen. Im Mittelpunkt stehen dabei auch einige deutsche Spieler. Allen voran Bert Trautmann. Der ehemalige Kriegsgefangene wurde nicht nur zum Symbol der Versöhnung, sondern zur wohl größten Legende zwischen den Pfosten. 1956 spielte der Torwart, der 545 Mal das Trikot der Citizens trug, das FA-Cup-Finale mit einem gebrochenen Halswirbel zu Ende und verhalf seiner Mannschaft zum Sieg. Ein Mythos in Handschuhen.
Die deutschen Spielerlegenden

Nicht minder groß ist die Verehrung für Ilkay Gündogan, Der langjährige deutsche Nationalspieler war als Kapitän maßgeblich daran beteiligt, dass die „Blues“ im Jahre 2023 das Triple aus Meisterschaft, FA Cup und Champions League gewinnen konnten. Außerdem sicherte er sich bislang vier weitere Meistertitel sowie einen weiteren Pokalsieg mit Manchester. Gündogan gilt nicht von ungefähr als der stille Dirigent einer goldenen Ära bei Man City.

Wenn der 1990 in Gelsenkirchen geborene Gündogan in absehbarer Zukunft seine beeindruckende Karriere beendet, dürfte ihm ein Platz in der vereinseigenen „Hall of Fame“ sichern sein. Hier hat neben Kult-Keeper Bert Trautmann mit Uwe Rösler ein weiterer Deutsche Aufnahme gefunden. In den 1990er Jahren, als Manchester City sportlich eher Achterbahn fuhr als Titel sammelte, war der Stürmer einer der Fixpunkte für die Fans. Der gebürtige Sachse kam 1994 und traf sofort ins Herz der Anhänger – mit Toren, Kampfgeist und einer Attitüde, die perfekt zu den „Citizens“ passte. 65 Tore in 177 Spielen sprechen für sich, doch es war seine Leidenschaft, die ihn unsterblich machte.
Faszination für einen Mythos

So oder so bleibt am Ende dieser kurzweiligen wie informativen Reise durch das Etihad Stadium in Manchester – das übrigens unbedingt einen Besuch wert ist – ein Gefühl: Hier wird Fußball nicht nur gespielt, sondern gelebt. Die Architektur ist modern, die Technik beeindruckend – doch es sind die Menschen, wie Trautmann, Gündogan oder Guardiola die diesen Ort zum Mythos machen. Die Fans, die singen. Die Spieler, die kämpfen. Die Geschichten, die bleiben.

Informationen: www.mancity.com/tours
Eintritt: Die 75-minütige Stadiontour wird täglich ab 10 Uhr ab 26 Britischen Pfund (ca. 30 Euro)

Buchtipp nicht nur für Fußballfans
Obwohl der Titel von Time for tea, sex and fun auf Englisch ist, wirft das amüsante wie lehrreiche Buch auf Deutsch mit viel Esprit einen liebenswerten Blick auf unsere englischen, schottischen und walisischen Freunde.
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Karsten-Thilo Raab
berichtet seit mehr als drei Jahrzehnten für eine Vielzahl von Zeitungen und Magazinen über Reiseziele weltweit. Zudem hat er sich einen Namen als Autor von mehr als 120 Reise-, Wander- und Radführern sowie Bildbänden gemacht.
