Nervbrummenverschiebung – Kinderlärmfreie Plätze als Zusatzeinnahme

Mitunter fühlen sich Flugpassagiere von Kindern an Bord belästigt. (Foto: Karsten-Thilo Raab)
Mitunter fühlen sich Flugpassagiere von Kindern an Bord belästigt. (Foto: Karsten-Thilo Raab)

Es wird eng für normale Fluggäste. Okay, irgendwie war es das schon seit Jahren. Vor allem, weil mehr und mehr Flieger so eng bestuhlt sind, dass sich oftmals selbst winzige Zwergkaninchen mit Hut und eingebautem Klappschanier an Hüfte und Knie nur dank einer ausgefeilten Origamie-Falttechnik überhaupt in die engen Sitzreihen quetschen können. Für Zeitgenossen, die optisch an eine ungemeldete Massendemonstration erinnern, oder menschliche Giraffen mit elendlangen Beinen kann so selbst ein Kurzstreckflug schnell zur langen Qual werden.

Mit dem zwangsweisen Zusammenrücken an Bord haben viele Airlines neue Einnahmequellen erschlossen. Zum einen passen mehr zahlende Fluggäste an Bord, zum anderen sind mehr und mehr Passagiere bereit, für etwas mehr Beinfreiheit, für etwas mehr Sitzkomfort bereitwillig einen Zuschlag zu entrichten.

Während in Europa der irische Billigflieger Ryanair als Schrittmacher im Ausdenken neuer möglicher Einnahmequellen von der Einführung einer angedachten Toilettennutzungsgebühr an Bord bis hin zu Stehplätzen gilt, rückt im fernen Asien der Low-Cost-Carrier Air Asia X in den Fokus. Die Billigfluggesellschaft mit Sitz in Malaysias Hauptstadt Kuala Lumpur hat Kinder unter zwölf Jahren in den hinteren Teil der Maschinen verbannt, um so anderen Passagieren eine ruhigere Flugreise zu ermöglichen. Im Gegenzug bietet die findige Airline Sitzplätze in den ersten sieben Reihen gegen einen Aufschlag an.

Für die einen ist dies reine Geschäftsmacherei, für andere eine Form von Diskriminierung und für wiederum andere eine Erlösung. Motto: Wer schon einmal auf einem Langstreckenflug vor, neben oder hinter einem Kleinkind, das permanent an der  Rückenlehne wackelt, schreit oder mit Gummibärchen um sich wirft, gesessen hat, der begrüße eine solche Maßnahme, heißt es.

Thekenbrust-CoverUnabhängig davon, ist es in wirtschaftlich schweren Zeiten ein gute Idee für Fluggesellschaften, immer mehr speziell ausgewiesene Plätze für Randgruppen im Flugzeug vorzuhalten und sich diesen Service bezahlen zu lassen. Denkbar wären Sondersitzreihen für Minderheiten jeglicher Art – für Tomatensaftschlürfer, für Frauenhasser, für Frauenversteher, für Leute mit chronischem Deo-Versagen, für Veganer, für Allesfresser, für aktive Moorschnorchler und sogar für FDP-Wähler.

Vielleicht sollte mit Blick auf die Einnahmenoptimierung auch die Art der Bestuhlung in den Flugzeugen kritisch hinterfragt werden. Wahrscheinlich ließe sich problemlos mehr Geld machen mit tiefer gelegten Stühlen für Manta-Fahrer und Prollkistenbesitzer, mit Massagesitzen für chronisch Verspannte, mit zweisitzigen Kuschelsofas für frisch Verliebte, mit dicken Polstern für Dünnhäutige oder Drehstühlen für die Phalanx der Stewardess-auf-den-Po-Glotzer.

Buchtipps: Karsten-Thilo Raab: Thekenbrust & Zackendruse, Westflügel Verlag, ISBN 978-3-939408-11-6, 12,50 Euro. Erhältlich ist das Buch im Buchhandel oder direkt beim Verlag.

Karsten-Thilo Raab: San Diego Waldfried,  (ISBN: 978-84-9015-620-9). Erhältlich ist der Kolumnenband im Buchhandel, direkt beim Verlag oder online zum Preis von 20,90 Euro.