Jerash – das Pompeji des Ostens

Der Cardo Maximus in Jerash ist von Säulen gesäumt. (Foto Karsten-Thilo Raab)
Der Cardo Maximus in Jerash ist von Säulen gesäumt. (Foto Karsten-Thilo Raab)

Dem Wüstensand gebührt großer Dank. Auch der Deutsche Ulrich Jasper Seetzen verdient mehr als ein Schulterklopfen. Denn ohne diese beiden dürfte sich Jordanien heute nicht rühmen, mit Jerash über eine der best erhaltenen antiken Römerstädte weltweit zu verfügen. Im Jahre 63 vor Christus fiel die Stadt in Römerhände und wurde Teil des mächtigen und einflussreichen römischen Städtebündnisses im Nahen Osten, der Dekapolis.

Das Forum in Jerash gehört zu den best erhaltenen Teilen der alten Römerstadt. (Foto Karsten-Thilo Raab)
Das Forum in Jerash gehört zu den best erhaltenen Teilen der alten Römerstadt. (Foto Karsten-Thilo Raab)

Binnen der nächsten 250 Jahre entwickelte sich Jerash zu einer prächtigen römischen Provinzstadt mit gepflasterten Straßen, auf Hügeln liegenden Tempelanlagen, Amphitheatern, Badehäusern, Brunnen, großzügigen Plätzen sowie einer mit Türmen und Toren versehenen Stadtmauer. Nach dem Zerfall des römischen Reiches fielen immer wieder Perser in der Stadt ein, ehe diese im Jahre 749 bei einer Reihe von Erdbeben weitgehend zerstört wurde. In der Folgezeit wurden die Reste von Jerash mehr und mehr vom Wüstensand bedeckt und konserviert, ehe 1806 der Deutsche Ulrich Jasper Seetzen zufällig Teile der alten Römerstadt entdeckte. Doch es sollte bis 1925 dauern, bevor die bis heute anhaltenden, systematischen Ausgrabungen begannen.

Dudelsackspieler in Wüstenpolizei-Outfit

Überaus beeindruckend ist die Weite des antiken Forums. (Foto Karsten-Thilo Raab)
Überaus beeindruckend ist die Weite des antiken Forums. (Foto Karsten-Thilo Raab)

„Vielleicht 30, 35 Prozent sind heute freigelegt“, versichert Monier Humaydan mit Blick auf die gigantischen Ausmaße der Stadt, in der zur Blütezeit fast 20.000 Menschen lebten. Monier Humaydan diente lange Jahre im Musikkorps der Arab Army. Mit nur 45 Jahren wurde er bereits in Rente geschickt. Heute verdient der Vater zweier Kinder seine Brötchen als Straßenmusikant in der Ausgrabungsstätte von Jerash. Gemeinsam mit zwei Cousins tritt er in der nachgemachten Uniform der legendären Wüstenpolizei im Südtheater auf. Dabei spielt er den Gehrbah, einen arabischen Dudelsack, während seine Vettern ihn mit Trommeln lautstark unterstützen. Der angenehm warme Wind trägt die Töne des Dudelsacks und der Trommelschläge über die weitläufige, fast 30 Hektar große Anlage.

In der Uniform der Wüstenpolizei spielen Musiker den Dudelsack. (Foto Karsten-Thilo Raab)
In der Uniform der Wüstenpolizei spielen Musiker den Dudelsack. (Foto Karsten-Thilo Raab)

Das während der Regentschaft von Kaiser Domitian zwischen 90 und 92 nach Christus errichtete Südtheater fasziniert bis heute durch eine grandiose Akustik. Früher fanden bis zu 3.000 Gäste im steilen Rund des Amphitheaters Platz. Den musikalischen Kostenproben von Monier Humaydan lauschen kaum mehr als zwei Dutzend Besucher. Fast schon ungeduldig warten sie darauf, dass die Musiker eine Pause einlegen. Sofort ist das freundliche Trio umzingelt. Kaum einer verlässt das Südtheater ohne einen Schnappschuss mit den drei „Wüstenpolizisten“ mit ihren kakifarbenen Uniformen, rotweißkarierten Kopftüchern, ledernen Patronengurten und silbernem Dolch. Monier Humaydan & Co. lächeln bereitwillig in die Kamera, wohl wissend, dass ihre Freundlichkeit mit ein paar Dinaren belohnt wird, die in den aufgestellten Karton wandern.

Jerash so prachtvoll wie das  Forum Romanum

Der Cardo Maximus iist die Prachtstraße in Jerash. (Foto Karsten-Thilo Raab)
Der Cardo Maximus iist die Prachtstraße in Jerash. (Foto Karsten-Thilo Raab)

„Jerash steht dem Forum Romanum in Rom an Größe und Pracht kaum nach“, versichert Monier Humaydan mit dem Brustton der Überzeugung. Und in der Tat kann die Ausgrabungsstätte mit zahllosen Pfunden wuchern. Sechs Meter hohe Kolonnaden mit korinthischen Säulen säumen den Cardo Maximus, die 800 Meter lange, gepflasterte Hauptstraße. Über die gesamte Strecke war die Prachtstraße mit einem unterirdischen Abwassersystem verbunden, so dass Regenwasser über gleichmäßig verteilte Löcher in die Kanalisation abfließen konnte. Noch heute sind in den mächtigen Steinquadern die Spurrillen zu sehen, die Pferdekutschen und Streitwagen über die Jahrhunderte hinterließen.

In einem hervorragenden Zustand präsenitiert sich das historische Nordtor. (Foto Karsten-Thilo Raab)
In einem hervorragenden Zustand präsenitiert sich das historische Nordtor. (Foto Karsten-Thilo Raab)

Zu den prächtigsten Gebäuden in Jerash zählt fraglos das Nymphaeum. Die aufwendig verzierte Brunnenanlage stammt aus dem Jahr 191 nach Christus und war den Nymphen geweiht. Das Wasser floss aus sieben steinernen Löwenköpfen in kleine Becken und auf den Gehsteig, von wo es sich den Weg in das ausgeklügelte Kanalisationssystem der römischen Bauherren bahnte.

Zwölf Meter hoher Triumphbogen

Das antike Nord-Theaterwird noch immer für Aufführungen genutzt. (Foto Karsten-Thilo Raab)
Das antike Nord-Theaterwird noch immer für Aufführungen genutzt. (Foto Karsten-Thilo Raab)

Überaus sehenswert sind auch die Reste des mit zahlreichen Reliefs verzierten Dionysos-Tempels aus dem 2. Jahrhundert. Dieser wurde im 4. Jahrhundert zu einer byzantinischen Kirche umgebaut und wird nun schlicht „die Kathedrale“ genannt. Nicht zu vergessen sind sicherlich auch der Hadriansbogen, ein zwölf Meter hoher Triumphbogen aus dem Jahre 129 nach Christus, und der Tempel der Artemis, der sich mit seinen elf korinthischen Säulen auf einem Hügel oberhalb des Cardo Maximus erhebt.

Ein echter Blickfang sind die berühmten Artemis-Stufen. (Foto Karsten-Thilo Raab)
Ein überaus faszinierender Blickfang sind auch die berühmten Artemis-Stufen. (Foto Karsten-Thilo Raab)

Kein Besuch von Jerash wäre jedoch ohne einen Abstecher in das berühmte Hippodrom perfekt. Im 245 Meter langen und 52 Meter breiten Oval demonstrieren junge Schauspieler als voll ausstaffierte römische Legionäre bis zu zweimal täglich Armeeformationen und Kampftechniken, während Gladiatoren wie einst zu Römerzeiten um ihr Leben ringen – allerdings nur zum Schein. Höhepunkt der von der Jerash Heritage Company inszenierten Aufführungen ist ein Wagenrennen mit Nachbauten römischer Streitwagen, bei denen ein Stück römischer Tradition vor historischer Kulisse wieder anschaulich auflebt.

Weitere Informationen unter www.visitjordan.com.

Die Stadt Jerash grenzt direkt an die grandiose Ausgrabungsstätte. (Foto Karsten-Thilo Raab)
Die Stadt Jerash grenzt direkt an die grandiose Ausgrabungsstätte. (Foto Karsten-Thilo Raab)

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