Von der Himmelsleiter auf Amrum lässt sich im Winter sicher auch Strandgut erspähen, vor allem aber die Ruhe und die Aussicht genießen. – Foto: Torsten Boll
Wussten Sie, dass Bewohner der Insel Amrum einst von Sklavenjägern verschleppt wurden? Mit ihrer erstaunlichen Geschichte, dem gesunden Klima, Wattwanderungen und langen Spaziergängen am Strand oder in den Dünen ist das Nordsee-Eiland ein lohnendes Reiseziel. Hundefreunde und ihre Vierbeiner dürfen die Ruhe an Silvester genießen, denn Feuerwerk und Böller sind zum Jahreswechsel nicht erlaubt.
Amrums weiße Sklaven
Wenn es schneit, verbreitet Amrum einen ganz besonderen Charme. – Foto: Kai Quedens
Seit dem Mittelalter enterten Seeleute aus dem islamischen Nordafrika christliche Handelsschiffe vor allem im Mittelmeer und vor England. Die sogenannten „Kaperer“ operierten hauptsächlich von den drei großen nordafrikanischen Städten Algier, Tunis und Tripolis aus. Der größte und wichtigste Ort war Algier. Eigentlich war die Seeräuberei nach dem Koran verboten. Doch wurden die Kaperfahrten dadurch legalisiert, dass im Heiligen Krieg, dem Jihad, gegen Ungläubige gekämpft werden durfte. Deshalb wurde von Kapern und nicht von Seeräuberei gesprochen.
Winter im Friesendorf auf Amrum. – Foto: Kai Quedens
Die Kaperer aus Nordafrika segelten auf dem Mittelmeer und dem Atlantik von den Kanarischen Inseln im Süden bis nach Island im Norden. Ihr Hauptziel war, Sklaven zum Verkauf auf den heimischen Märkten zu beschaffen. Sie überfielen jedoch nicht nur Segelschiffe, sondern plünderten auch auf dem Land. Somit wurde die Seefahrt vor allem für junge Männer im Norden zu einem gefährlichen Beruf.
Freikauf weißer Sklaven
Weithin sichtbare Landmarke ist der rot-weiße Leuchtturm. – Foto: Enric Boixadós
Viele deutsche und skandinavische Seeleute, die von nordafrikanischen Sklavenjägern gefangen wurden, versuchten, nach Hause an ihre Familien zu schreiben in der Hoffnung, dass diese sie freikaufen würden. So ein Brief konnte jedoch viele Jahre unterwegs sein, bevor er sein Ziel erreichte. Die Sklaven beschrieben, wie schlecht sie behandelt wurden Diese oft übertriebenen Schilderungen trugen dazu bei, die Motivation, sie freizukaufen, zu vergrößern.
1715 gründete König Frederik IV. eine Sklavenkasse, um dänische und norwegische Gefangene in Nordafrika freizukaufen. Das Geld stammte aus zwei jährlichen Sammlungen in den Kirchen. Außerdem mussten die Besatzungen der Schiffe eine Steuer zahlen. Die Sklavenkasse konnte Aufzeichnungen zufolge von 1716 bis 1736 163 Sklaven freikaufen. Es gab aber nie genug Geld für alle. Im Schnitt kostete der Freikauf eines Sklaven 950 Reichstaler. Zum Vergleich war ein kleines Handelsschiff im Jahre 1712 für 300 Reichstaler zu bekommen. Die Sklavenkasse wurde von Frederik V. 1748 aufgehoben, als man eine Reihe von Friedensverträgen mit den nordafrikanischen Staaten schloss. Das Geld wurde jetzt direkt an die Regierungen bezahlt.
Geschenke und Tribut-Zahlungen
Freie Sicht und menschenleer sind die Strände im Winter. – Perfekt nicht nur für die Suche nach Strandgut. – Foto: Enric Boixadós
Im Jahr 1746 schloss Dänemark-Norwegen seinen ersten Friedensvertrag mit Algier. Ähnliche Verträge wurden in den folgenden Jahren mit Tripolis, Tunis und Marokko geschlossen. Diese sollten verhindern, dass dänisch-norwegische Bürger in der Ferne Unrecht erlitten. Als Gegenleistung erhielten die nordafrikanischen Herrscher Geschenke sowie einen jährlichen Tribut.
Im Jahr 1724 wurde der 15-jährige Seemann Hark Olufs aus Amrum von den Piraten vor England gefangen genommen. Auf der „Hoffnung“, dem Schiff seines Vaters, war er von Nantes in Frankreich nach Hamburg gesegelt. Dort sollte die Ladung gelöscht werden. Die Seefahrt war damals ein Beruf, den vor allem junge Männer ausübten. Es war üblich, dass man am Anfang der Ausbildung als Schiffsjunge diente und später Leichtmatrose wurde.
Schicksalhafte Verwechselung
Den Pferden scheint die wiunterliche Kälte nichts auszumachen. – Foto: Enric Boixadós
Der junge Amrumer wurde schließlich als Sklave an den Bey der algerischen Provinz Constantine verkauft. Als „Bey“ galt damals ein unabhängig regierender Provinzfürst. Entgegen aller Erwartungen wurde Hark Olufs später in der Fremde Minister und General und pilgerte sogar nach Mekka. Bereits einige Monate nach seiner Gefangennahme bekam sein Vater Oluf Jensen Nachricht von dem Überfall.
Er bat daraufhin die dänische Sklavenkasse um Hilfe, wurde aber abgewiesen, weil das Schiff unter Hamburger Flagge segelte. Oluf Jensen nahm deshalb selbst einen Kredit auf und schickte das Geld nach Nordafrika, um seinen Sohn freizukaufen. Durch einen Fehler wurde ein deutscher Söldner anstelle von Hark Olufs freigelassen. Das war nicht nur eine riesige Enttäuschung, sondern auch ein großer wirtschaftlicher Verlust für Vater Jensen.
Auf Amrum spukt es
Bohlenwege durch die Dünen. Ein Attribut an den Naturschutz auf der Insel. – Foto: Enric Boixadós
Im Jahr 1735 wurde Hark Olufs vom Constantiner Bey freigelassen, nachdem er sich im Krieg zwischen Constantine und Tunis ausgezeichnet hatte. Nach seiner Freilassung reiste er nach Hamburg, wo er von seinem Vater abgeholt wurde. Am 25. April 1736 kehrte er schließlich nach Amrum zurück. Mit sich brachte der junge Mann orientalische Kleider, Möbel und Bargeld. Die Anzüge waren ein Teil seiner Identität und Vergangenheit geworden. Hark Olufs war gerade einmal 15 Jahre alt gewesen, als er versklavt und vom Islam geprägt wurde. Kein Wunder, dass er auf Amrum auch weiter die Kleider trug, in denen er zurückgekehrt war.
Das nährte den Zweifel der Insulaner, ob er nicht doch zum Islam übergetreten sei. Schließlich spielte ein Pastor die zentrale Rolle bei der Bewältigung seiner Erlebnisse. Hark Olufs hatte viele Gespräche mit dem Geistlichen. Schließlich wurde er in der St. Clemens-Kirche auf Amrum konfirmiert. Auf diese Weise konnte er den Bund mit der Gemeinde festigen. Er ließ sich auch später nie darüber aus, ob er jemals zum Islam konvertiert sei. Er starb im Oktober 1754 auf der Insel. Die Legende erzählt, dass sein Geist auf dem Eiland spukt. Erneut zweifelte die Gemeinde, ob er tatsächlich Christ geblieben war. Richtig aufgeklärt werden konnte diese Frage aber nie. Hark Olufs hat sein bewegtes Leben sogar in einem Buch verewigt.
Ein Leben auf dem Meer
Der Grabstein von Hark Olufs Vater, Oluf Jensen, auf dem Friedhof der St. Clemens-Kirche auf Amrum. – Foto: Enric Boixadós
Sein um einige Jahre älterer Schwager Hark Nickelsen und weitere Amrumer ereilte das gleiche Schicksal. Ihr Schiff wurde von algerischen Korsaren aufgebracht und nach Algier verschleppt. Auf dem Friedhof der St. Clemens-Kirche in Nebel gibt es noch drei „sprechende Grabsteine“ von Seeleuten, die in Algier Sklaven gewesen waren. Doch das Inselleben ging weiter, und die nordfriesischen Seeleute verbrachten wie seit ewigen Zeiten einen großen Teil ihres Lebens auf dem Meer. Sie verließen ihre Familien Ende Februar und kehrten erst wieder Mitte September nach Hause zurück.
Große Passion für Strandgut
Nicht nur mit Blick auf die Verarbeitung von Strandgut handwerklich begabt: Kay Riecken. – Foto: Enric Boixadós
Zurück in die Gegenwart! Ihr Laden ist Galerie, Werkstatt und Treffpunkt in einem: Ein wenig versteckt liegt das Domizil von Gabi und Kay Riecken in Wittdün. Das Rentner-Ehepaar hat sich auf das Sammeln von Strandgut spezialisiert. Schon als Kind hielt der heute 66-Jährige Ausschau nach Holz, Muscheln und anderen Kostbarkeiten, die die Nordsee an ihre Strände spülte. Der ehemalige Hausmeister der DRK-Klinik auf Amrum machte daraus Kunstgegenstände, die er an Freunde und Bekannte verschenkte. Seine Frau teilt die Leidenschaft fürs Sammeln und Bearbeiten. „Gabi hat jedoch zwei linke Hände und alles Daumen“, lacht Kay Riecken. Das hielt ihn nicht davon ab, den kleinen Laden zu errichten.
„Gabi hat tolle Ideen, und ich setze diese handwerklich um.“ Die ehemalige DRK-Klinikleiterin zeigt auf ein spezielles Weihnachts-Ensemble auf Treibholz: „Früher, als wir noch arbeiteten, konnten wir das Geschäft einmal pro Woche öffnen, jetzt machen wir es so oft wie möglich auf!“
Konserviertes Holz
Kreative Ideenfinderin für die Verwendung von Strandgutr: Gabi Riecken. – Foto: Enric Boixadós
Die neuesten Strandgut-Trends sind Bilderrahmen aus Bohlenwegholz. Dabei handelt es sich um die alten Platten der Holzwege, die durch die Dünen führen und die nun erneuert werden. „Das Holz wurde durch Salzwasser und Sand jahrelang konserviert und ist innen wie neu“, erklärt Kay Riecken, der auch die passenden Fotos macht.
„Ich lasse sie als Acryl-Glasbilder herstellen und auf die Insel liefern.“ Denn Baumärkte, Fotohandlungen oder Discounter gibt es auf Amrum nicht, alles muss online bestellt oder beim nächsten Festland-Besuch eingekauft werden. Der Mittsechziger hat Unikate geschaffen, die bei den Touristen gut ankommen. „Die beste Verkaufszeit ist die vor und nach der Hauptsaison. Da haben die Gäste Zeit für Spaziergänge und Shopping. Im Sommer ist meist nur Strand angesagt.“
Wissenswertes in Kurzform
Hunde genießen Amrum. Silvester ist hier böllerfrei. – Foto: Enric Boixadós
Der Genuss einer Friesentorte gehört fast schon zwingend zum Besuch auf Amrum. – Foto: Enric Boixadós
Für den Boden: 250 Gramm Mehl, ein Messerspitze Backpulver, zwei Päckchen Vanillezucker, eine Prise Salz, 150 Gramm stichfeste saure Sahne, 175 Gramm weiche Butter
Für die Streusel: 150 Gramm Mehl, 75 Gramm Zucker, ein Päckchen Vanillezucker, ein halber Teelöffel Zimt, 100 Gramm kalte Butter
Für die Füllung: 450 Gramm Pflaumenmus, 750 Milliliter Schlagsahne, ein Esslöffel Zucker, ein Päckchen Vanillezucker, drei Päckchen Sahnefestiger
Außerdem: Ein bis zwei Teelöffel Puderzucker
Zubereitung
Boden: Mehl und Backpulver mischen und in eine Schüssel sieben. Vanillezucker, Salz, saure Sahne und weiche Butter hinzu fügen. Erst mit den Knethaken des Handrührgerätes, dann mit den Händen schnell zu einem glatten Teig verkneten. Teig in Folie wickeln und kurz kalt stellen.
Streusel: Mehl, Zucker, Vanillezucker und Zimt in einer Schüssel mischen. Kalte Butter in kleinen Würfeln zufügen und mit den Händen zu einem krümeligen Streuselteig verkneten.
Teig für die Böden dritteln und auf einem gefetteten Springformboden (28 Zentimeter Durchmesser) ausrollen. Darauf achten, dass der Teigboden am Rand nicht zu dünn ist und ihn mehrmals mit einer Gabel einstechen. Mit einem Drittel der Streusel bestreuen und im vorgeheizten Backofen (Ober-/Unterhitze: 200 Grad Celsius/ Umluft: 175 Grad Celsius) 15 bis 20 Minuten backen. Fertigen Boden sofort vom Springformboden lösen und auf einem Kuchengitter auskühlen lassen. Aus dem restlichen Teig und den Streuseln nacheinander zwei weitere Böden backen. Einen der Böden noch heiß in zwölf Tortenstücke schneiden.
Füllung: Die beiden ganzen Böden mit Pflaumenmus bestreichen. Sahne steif schlagen, dabei Zucker, Vanillezucker und Sahnefestiger einrieseln lassen. Sahne in einen Spritzbeutel mit großer Sterntülle füllen. An den Rand der beiden ganzen Böden jeweils zwölf dicke Sahnetuffs setzen. Restliche Sahne in die Mitte der Böden spritzen. Die beiden Böden aufeinandersetzen und die geschnittenen Tortenstücke jeweils schräg auf einen Sahnetuff legen. Die Friesentorte rund eine Stunde kaltstellen. Kurz vor dem Servieren mit Puderzucker bestäuben und am besten mit einem Sägemesser in Tortenstücke schneiden.
Sabine Ludwig
ist deutsche Journalistin und Reiseautorin. Sie hat mehrere Bücher veröffentlicht und war als Kriegsberichterstatterin in Afghanistan, Südsudan, Irak und Mali. In ihrer Freizeit widmet sie sich neben diversen Sportarten ihrem Blog sl4lifestyle.com und ihrem Hund Brad. - Foto: Nicola Mesken
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