
Statt Totenstille herrscht auf diesem Friedhof oft schallendes Gelächter. Von Betroffenheit und Trauer fehlt auf dem kleinen Grabhügel in der 5.000-Seelen-Gemeinde Kramsach im Tiroler Alpbachtal jegliche Spur. Im Gegenteil, da wird gejauchzt, gefeixt und sich amüsiert. Mach einer biegt sich gar vor Lachen, bevor er das nächste Grabkreuz ins Visier nimmt. Und niemand nimmt Anstoß an diesem pietätlosen Verhalten.

Wohl auch, weil auf diesem Gottesacker niemand zu Grabe getragen und hier noch nie ein Kranz niedergelegt oder das Ableben eines geliebten Angehörigen betrauert wurde. Nichtsdestotrotz zeugen die ungewöhnlichen, oft witzigen Inschriften der eisernen Gedenktafeln von echten menschlichen Schicksalen, denen auf dem kleinen Museumsfriedhof im Inntal ein besonderes Gedenken gesetzt wurde.
Fast 1.000 Kreuze aus dem Alpenraum

Rund 60 Grabkreuze zieren den bewaldeten Hügel. Sie alle wurde ab Mitte der 1960er Jahre vom Kramsacher Steinmetz und Sagzahnschmied Hans Guggenberger zusammengetragen. Mittlerweile umfasst die Sammlung des Familienunternehmens gut 1.000 Kreuze, deren Gros im 18. und 19. Jahrhundert gefertigt wurde. Die schmiedeeisernen Gedenktafeln und -kreuze stammen fast ausschließlich aus dem Alpenraum – aus Bayern, Tirol, dem Salzburger Land und Südtirol. Sie alle seien, so versichern die Betreiber des Museumsfriedhofs, Originale. Zum Teil extrem aufwendig restaurierte, wohl gemerkt.
Wertvolle Schmiedekunst bewahren

Die Sammelleidenschaft der Guggenbergers fußt dabei auf dem Berufsethos als Kunstschmiede. Denn nicht selten landeten in zurückliegenden Jahrhunderten die aufwendig hergestellten Grabkreuze auf dem Schrott, wenn immer eine Grabstätte aufgelöst wurde, weil die Nachfahren das Grab nicht mehr pflegen wollten oder konnten. Andere Grabkreuze verschwanden auf irgendwelchen Dachböden oder in dunklen Kellern, wo sie in Vergessenheit gerieten oder verstaubten.

Genau hier kamen Hans Guggenberger mit dem Bemühen, diese besonderen Beispiele der Schmiedekunst zu bewahren, ins Spiel. Der Steinmetz trug eine Sammlung mit Grabinschriften und Marterln, Gedenktafeln, die speziell im Alpenraum an Unglücksstellen aufgestellt werden, zusammen und restaurierte die kostbaren Stücke in mühevoller Kleinarbeit.
Skurrile Grabinschriften

Bereits 1965 konnte das eigene, kleine Freilichtmuseum eröffnet werden. Seither stimmen Besucher aus aller Herren Länder eindrucksvoll mit den Füßen ab. Denn nicht weniger als 200.000 Besucher lassen sich Jahr für Jahr von den ungewöhnlichen Exponaten in ihren Bann ziehen. Dabei begeistern sich die meisten weniger für die kostbaren Schmiedearbeiten, sondern für die skurrilen und oft wenig pietätvollen Inschriften wie „Hier ruht Esser. Die Würmer, diese Fresser, speisen anderswärts besser“ oder „Hier schweigt Johanna Vogelsang – sie zwitscherte ihr Leben lang.“
Hohe Reimkunst der Täflemaler

So schwarz diese Art von Humor auch anmutet, so sind die Schmuckstücke ein Stück weit auch ein Beleg dafür, wie die Menschen in längst vergangenen Tagen, als die Lebenserwartung deutlich geringer war, versucht haben, mit dem Verlust eines geliebten Angehörigen umzugehen. Viele waren des Lesens und Schreibens kaum mächtig. Daher hatte sich eine spezielle Berufsgruppe etabliert.

Die so genannten Täfelemaler versuchten, in wenigen Zeilen und vielfach in Reimform das Wesentliche aus dem Leben des Verblichener, über dessen Lebensumstände oder dessen Todesursache zusammenzufassen. Herausgekommen sind dabei nicht selten ebenso geistreiche wie witzige, aber auch erschütternde Abschiedssprüche, die noch heute Rückschlüsse auf den Charakter der Verstorbenen zulassen. Dazu gehört beispielsweise „Hier liegt Jakob Krug, der Kinder, Weib und Orgel schlug“.
Menschliche Tragödien

Viele der Sprüche wie „Es liegt begraben die ehrsame Jungfrau Nothburg Nindl – gestorben ist sie im siebzehnten Jahr – just als sie zu brauchen war“ sind völlig zeitlos, auch wenn hinter derartigen Grabinschriften menschliche Tragödien stecken: Menschen fallen vom Gerüst, werden von einer Kuh erdrückt, von einem frisch gefällten Baum erschlagen oder verenden am selbstgebrauten Bier. Nicht zu vergessen ist sicherlich auch der augenzwinkernde Blick auf eine unbefleckte Empfängnis: „Es ruhet die ehr- und tugendsame Jungfrau Genovefa Foggenhuberin betrauert von ihrem einzigen Sohn“.
Bewusste Provoktation

Man kann den Autoren der gereimten Nachrufe durchaus unterstellen, dass sie bewusst Kopfschütteln, Entsetzen, Erstaunen und Verwunderung bezwecken wollten. Derweil wurden andere Grabtafel offenbar genutzt, um scheinbar ohnehin offene Geheimnisse öffentlich zu machen: „Hier liegt die Jungfer Rosalind; geboren als unerwünschtes Kind. Ihr unbekannter Vater war Kapuzinerpater.“
Zwischen Amüsement und Mitleid

Andere Inschriften lösen gleichermaßen Amüsement und Mitleid aus: „Hier ruht in Gott Adam Lentsch – 6 Jahre lebte er als Mensch u. 37 Jahr als Ehemann.“ Vor allem die Herren der Schöpfung fühlen sich hier geneigt, ebenso wie dereinst Adam Lentsch zu fühlen. Doch kaum einer wagt es, dies gegenüber der Frau, die ihm die Welt erklärt, zu artikulieren, um nicht Gefahr zu laufen, selber plötzlich abzuleben. Schließlich lauert schon wenige Meter weiter eine weitere Inschrift wie ein mahnender Zeigefinger: „Hier liegt mein Weib Gott seis gedankt, oft hat sie mit mir gezankt. O lieber Wanderer geh gleich fort von hier, sonst steht sie auf und zankt mit Dir“, steht dort als Warnung an die Lebenden geschrieben.
Ein Happy End im Todesfall?

Fast schön tröstlich scheint es da zu erfahren, dass es für den einen oder anderen auch im Tod noch eine Art Happy End geben kann: „Hier ruht Franz Josef Matt, der sich zu Tod gesoffen hat. Herr gib ihm die ewige Ruh‘ und ein Gläsle Schnaps dazu“. Weitere Informationen unter www.museumsfriedhof.info.
Der Buchtipp für Leute mit schwarzem Humor
Realität ist der Zustand, der aus Mangel an Alkohol entsteht, lehrt eine irische Trinkweisheit. Frei übersetzt bedeutet dies wohl, dass das Leben – nüchtern betrachtet – nur besoffen zu ertragen sei. Aber wir wollen die Vorliebe zum Alkohol nicht bewerten. Das muss ein jeder mit sich und seiner Leber alleine ausmachen. Gleichwohl kommt es immer wieder vor, dass der eine oder andere mal einen über den Durst trinkt. Dies bleibt zumeist ohne Folgen. Sieht man einmal von der Tatsache ab, dass sich so mancher in solchen Fällen den zuvor konsumierten Alkohol noch einmal durch den Kopf gehen lässt und dass das Bett mit einem Karussell zu fahren scheint.
Die Trinkgewohnheiten und -vorlieben vieler Zeitgenossen flossen dann auch in die augenzwinkernde Hommage an alle, die durchaus dem Alkohol nicht völlig abgeschworen haben, ein. So oder so dürfte bei den Geschichten rund um Bier, Wein, Champagner und andere hochgeistige Getränke, die Mortimer-Reisemagazin-Redakteur Karsten-Thilo Raab in seinem neuen Buch unter dem Titel Ich trinke, dann kannst du fahren zusammengetragen hat, kein Auge trocken bleiben.
So erfährt nicht nur der trinkfreudige Leser wie lange die Menschen rund um den Erdball für ein Glas Bier arbeiten müssen, wie viel Bier in den Schnäuzer dieser Welt hängen bleibt und wieso Wein sowohl die Intelligenz fördern können soll als auch vor intensiver Sonneneinstrahlung schützt. Daneben geht es beispielsweise um Kuriositäten wie Bier aus Käse oder Bier für Hunde oder um die Frage, warum auf Kreuzfahrten der Alkoholkonsum deutlich ansteigt.
Erhältlich ist Ich trinke, dann kannst du fahren (ISBN 978-3-7115-2765-3) von Karsten-Thilo Raab ab für 18 Euro sofort im Buchhandel.
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Leseabenteuer zwischen Deutschland und Österreich
Kriminelle Energie mit Pfiff, Spannung und Humor kennzeichnet den ebenso kurzweiligen wie spannenden Roman Keine halben Sachen mehr von Frank-Raymund Richter: Die Lehrerin Salome Salomon liebt ihren Beruf, ihr Motorrad und ihre Kater (beide ordentlich kastriert), sonst liebt sie niemanden, sich schon gar nicht. Außer ihrer Mutter steht ihr nur eine Person nahe: Sonja, Halbghanaerin und Mitarbeiterin einer Karateschule. Ihr großes Problem: Sie verliebt sich immer in die falschen Männer.
Salome, die klugen Kater und das kommunikative Motorrad bringen in ihrem Kampf gegen eine moralisch brüchige, oft brutale und kriminelle Männerwelt einige Männer zur Strecke, die es– so sehen es die Vier – nicht anders verdient haben. Unterstützt werden sie in ihrem Kampf durch ein selbstbewusstes Navi und einen depressiven Telecom Schaltkasten.
Die fantasievolle und witzige Erzählung überrascht mit einem unerwarteten Finale.
Erhältlich ist der 238 Seiten starke Roman Keine halben Sachen mehr (ISBN 978-3-939408-53-6) von Frank-Raymund Richter für 18 Euro im Buchhandel oder versandkostenfrei direkt beim Westflügel Verlag.

Karsten-Thilo Raab
berichtet seit mehr als drei Jahrzehnten für eine Vielzahl von Zeitungen und Magazinen über Reiseziele weltweit. Zudem hat er sich einen Namen als Autor von mehr als 120 Reise-, Wander- und Radführern sowie Bildbänden gemacht.