
Die Insel zwischen Irland und England ist ein Paradoxon: ein Ort, an dem man den „Small People“ an einer Brücke freundlich zuwinken sollte, um das Glück auf die eigene Seite zu ziehen, während gleichzeitig die legendäre Tourist Trophy mit lautstark aufheulenden Motorrädern die Irische See übertönt. Politisch ist die Isle of Man autonom, mit einer eigenen Währung und den berühmten Manx-Katzen, die ohne Schwanz durch die Landschaft spazieren, oder den Manx Loaghtan Schafen, deren Haupt vier, bisweilen gar sechs Hörner zieren.
Auch sonst hält die überaus grüne und von sanften Bergen durchzogene Insel so manche Überraschung parat. So finden sich im Norden des Eilands freilaufende Wallabys. Die kleine Känguru-Gattung stammt von Tieren ab, die vor Jahren aus dem Curraghs Wildlife Park, dem Zoo der Insel, entflohen sind und sich in freier Wildbahn stark vermehrt haben. Gemäß Zählung des Manx Wildlife Trust tummeln sich allein in den Ballaugh Curraghs, einem Feuchtgebiet im Nordwesten der Isle of Man, rund 140 dieser kleinen Beuteltiere pro Quadratkilometer.
Bee Gees und knatternde Motorräder

International ist die Isle of Man vor allem für zwei Dinge bekannt: die Bee Gees als berühmtester Musik-Export und die Tourist Trophy, ein waghalsiges Motorradrennen, dass nicht auf einer Rennstrecke, sondern auf den Hauptstraßen der Insel ausgefahren wird. Die wohl berühmteste Motorsportveranstaltung der Welt lockt jährlich mehr als 40.000 Besucher auf die Insel, auf der dann für 14 Tage eine Art Ausnahmezustand herrscht. Besonders am Mad Sunday, dem traditionellen Höhepunkt des Rennspektakels, wird die Kapitale Douglas zur Partymeile für Motorsportfreaks aus aller Herren Länder. Gummiabrieb auf den Straßen, qualmende Auspuffrohre und ausgelassene Feierstimmung begleiten die Motorradrennen, das seit gut 125 Jahren Motorradfans aus aller Welt anlockt.

An der Premierenveranstaltung am 28. Mai 1907 nahmen 19 Rennfahrer teil und sahen Charlie R. Collier auf einer Matchless-Maschine als strahlenden Sieger Motorsportgeschichte schreiben. Eine Kultveranstaltung war geboren, die bis heute nichts an Faszination eingebüßt hat. Start und Ziel des Rundrennens über knapp 61 Kilometer ist die Hauptstadt Douglas, wobei die Starter zeitversetzt auf die Strecke über den Snaefell Mountain geschickt werden. Mit Höchstgeschwindigkeiten brettern die Teufelskerle auf ihren Höllenmaschinen über die zum Teil engen Dorfstraßen. Böse Zunge behaupten, daher hätten viele Insulaner, die beim Rennen zu nahe an der Strecke stehen würden, so platte Füße. Und vielleicht erklärt dies ebenfalls, warum die Manx Cats keine Schwänze haben.
Eisenbahnnostalgie mit Charme

Wer Glück sucht, hält an der Fairy Bridge an: Gemäß Sage wohnen unter ihr die „Small People“. Die Kobolde zwingen quasi jeden Vorbeifahrenden zum Gruß. Denn wer nicht winkt, dem droht der Fluch der Wiederkunft, was für viele durchaus eine verlockende Aussicht ist. Und auch viele TT-Teilnehmer kommen vor dem Start hierher, um dank des Segens der Kobolde das Rennen unbeschadet und möglicherweise sogar erfolgreich zu überstehen.

Doch die Isle of Man hat weit mehr zu bieten als Wochen voller aufheulender Maschinen und qualmender Reifen. wer es etwas gemächlicher angehen möchte, der sollte mit einer der historischen Dampfloks durch die hügelige Landschaft tuckern. Die im Jahre 1873 in Betrieb genommene Steam Railway, eine von einer liebevoll restaurierten Dampflok gezogene Schmalspurbahn aus dem Viktorianischen Zeitalter, verbindet Douglas auf einer knapp 25 Kilometer lange Strecke via Castletown mit Port Erin.

Die Manx Electric Railway rollt seit 1893 von Douglas bis Ramsey. Unterwegs stoppt sie unter anderem in Laxey, wo es die Möglichkeit gibt, auf Züge der Snaefell Mountain Railway umzusteigen und mit dieser auf den höchsten Berg der Insel zu fahren. Eine Besonderheit ist daneben die Douglas Horse Tram, die weltweit älteste noch existierende Pferdebahn, die seit 1876 mit ihren Waggons entlang der Promenade der Hauptstadt rollt.
Im Schatten der Festung

Überaus lohnenswert ist ein Abstecher nach Castletown. Die ehemalige Hauptstadt mit ihren knapp 3.000 Einwohner liegt in Teilen auf einem erloschenen Vulkan. Im Herzen der historischen Altstadt erhebt sich das gut erhaltene Castle Rushen, eine Festung aus der Zeit zwischen 1340 und 1350. Im nahe gelegenen Old House of Keys tagte von 1709 bis zum Jahre 1869 das Parlament der Insel.

Derweil wird die Geschichte der Seefahrt im Nautical Museum anschaulich aufbereitet. Im Keller des vollgestopften Museums ist die „Peggy“ zu finden, ein Segelschiff, das dort für 150 Jahre völlig unentdeckt vor sich hinschlummert, nachdem der Zugang zum Hafen zugemauert wurde. Das Schiff gehörte einem gewissen George Quayle (1751-1835), der – obwohl 51 Jahre lang Parlamentsmitglied und Mitbegründer der ersten Bank auf Man – einen florierenden Schwarzhandel betrieb und sein Haus mit einem ungewöhnlichen Einbau ausstattet. Sein Büro, der so genannte Cabin Room, gemahnte an das Innere eines Schiffes und besticht durch eine Vielzahl an geheimen Türen, Verstecken und Fluchtwegen.
Kulisse für einen Filmklassiker

Daneben hatte der erfindungsreiche Quayle im benachbarten Bridge House einen spektakulären, über eine Waage gesteuerten Safe errichtet. Um diesen zu öffnen, musste aus einem Stapel von unterschiedlich großen Kanonenkugeln die Richtige ausgewählt werden. Im Zickzackkurs rollte die Kugel über eine 15 Meter hohe Holzkonstruktion von oben nach unten. War die Kugel zu schwer, rutschte sie schlichtweg durch; war die Kugel zu leicht, passierte gar nichts. Sechs Minuten benötigte die richtige Kugel, um unter riesigem Gepolter den Öffnungsmechanismus auszulösen.

Einen ganz anderen Charakter weist Cregneash im Südwesten der Insel auf. Das Dorf bereitet anschaulich das oftmals entbehrungsreiche Leben der Farmer im 19. Jahrhundert auf. Das Besondere an dem Museumsdorf ist, dass einige Häuser noch heute bewohnt sind und in dem Freilichtmuseum noch immer nach alter Handwerkstradition geschmiedet und Wolle gesponnen wird. Hier leben auch die seltenen Manx Loaghtan Schafe. Nur einen Steinwurf vom ältesten Dorf der Insel, das als Kulisse für den Kinoklassiker „Lange lebe Ned Divine“ diente, liegt mit dem Calf Sound der wohl spektakulärste Küstenabschnitt auf Man. An dem von tosenden Wellen umspülten südlichsten Zipfel der Insel tummeln sich nahezu ganzjährig graue Seehunde.
Technisches Wunderwerk mit Strahlkraft

Und während auf dem Friedhof von Maughold vier Kreuze aus dem 7. Jahrhundert von der keltischen Besiedlung zeugen, wartet Laxey mit einer Besonderheit auf: dem Lady Isabella Wheel, dem größten funktionierenden Wasserrad der Welt. Das technische Wunderwerk aus dem Jahre 1854 diente dazu, das Wasser aus den Blei-Minen zu pumpen. Bei der Namensgebung stand Lady Isabella Hope, die Gattin des damaligen Gouverneurs, Pate. Bei einem Umfang von 84 Metern und einem Durchmesser von 23 Metern konnten mit Hilfe des Wasserrads bis zu 1.140 Liter Wasser aus 330 Meter Tiefe gepumpt werden.

Einen Besuch wert ist zudem Peel, die viertgrößte Stadt auf der Isle of Man, die ganz im Zeichen der vorgelagerten St. Patrick‘s Isle mit dem mächtigen Peel Castle steht. Die weitläufige Festung aus dem 14. Jahrhundert war lange Sitz der Könige von Man. In der Krypta der Kathedrale war die beim englischen König Heinrich VI. in Ungnade gefallene Duchess of Gloucester, die in Shakespeares Meisterwerk „Henry VI“ verewigt wurde, für 14 Jahre eingekerkert.
Auf den Spuren des Meeresgottes

Ein Muss ist daneben der Besuch des mehrfach ausgezeichneten House of Manannan. In dem modernen Museum ist es kein geringerer als der legendäre Meeresgott Manannan, der Interessierte bei einer multimedialen Zeitreise durch die Geschichte der Insel von den heidnischen Kelten über die Christianisierung und die Vorherrschaft der Wikinger bis in die Neuzeit begleitet. Prunkstücke der Ausstellung sind unter anderem der Nachbau eines Langschiffes der Wikinger und ein keltische Rundhaus.

Wer tiefer in die Geschichte der Insel einsteigen möchte, für den ist ein Besuch des Manx Museums in der Kapitale Douglas Pflicht. Die Gralshüter der Inselhistorie arbeiteten hier in 15 unterschiedlichen Themenbereichen multimedial die 10.000 Jahre alte Geschichte der Insel und ihrer Bevölkerung auf. Dabei darf auch ein Blick auf die Kultur der Insel, die alten Industrieformen und vor allem auf die Tourist Trophy mit ihren Helden wie Joey Dunlop nicht fehlen, auch wenn hier keine Motoren aufheulen oder Gummireifen quietschen…
Wissenswertes zur Isle of Man in Kurzform

Informationen: www.visitisleofman.com
Lage: Die Isle of Man gehört zu den Britischen Inseln und liegt etwa 85 Kilometer von der Küste Englands, Irlands, Schottlands und von Wales entfernt in der Irischen See.
Fährverbindungen: Die Steam Packet Company unterhält regelmäßige Fährverbindungen von Douglas nach Dublin in Irland, nach Belfast in Nordirland sowie nach Heysham und Liverpool in England.

Flugverbindungen: Hauptverbindungen bestehen nach Manchester, Birmingham, London, Dublin sowie Edinburgh. Ohne Umstieg ist die Insel nicht zur erreichen.
Währung: Gültiges Zahlungsmittel ist das Manx Pfund, das eins zu eins an das britische Pfund gekoppelt. Das britische Pfund wird überall auf der Insel akzeptiert, nicht aber umgekehrt das Manx Pfund in Großbritannien.
Motorsport: Wissenswertes über die Tourist Trophy findet sich unter www.iomtt.com.

Tipp: Überaus empfehlenswert ist der Erwerb eines „GO Explore Pass“ für einen, drei, fünf oder sieben Tage. Dieser ermöglicht freien Zutritt zu nahezu allen Museen und Attraktionen der Insel und unbegrenzt Fahrt mit dem ÖPNV inklusive aller historische Eisenbahnen. Den Pass gibt es ab 21 Manx Pfund (etwa 24,50 Euro). Informationen unter https://manxnationalheritage.im
Essen und Trinken: Beim Essen kommt man an zwei Dingen nicht vorbei: Kippers – geräucherte Heringe, und dem Manx Loaghtan-Lamm. Ganz oben auf der Speisekarte stehen zudem die Quennies, kleine Jakobsmuscheln, die unbedingt probiert werden sollten.

Restaurants: Little Fish Cafe, Little Fish Cafe, 30/31A North Quay, Douglas, IM1 4LB, Telefon 01624-622518, www.littlefishcafe.com
Frank Matcham’s Units 1-3, Harris Promende, Villa Arcade, Douglas, IM12NH, www.matchams.im
Jaks Bar & Smokehouse. 43 Loch Promenade, Douglas, IMyi 2LZ, Telefon 01624-663786, www.jakspub.com

The British, North Quay, Douglas IM1 4LB, Telefon 01624-616663, www.facebook.com/thebritishiom
Übernachten: The George Hotel, The Parade, Castletown, Telefon: 0044-(0)1624-822533, Email: thegeorge@manx.net. Das Drei-Sterne-Haus bietet Zimmer pro Person und Nacht ab 45 Pfund.
Sefton Hotel, Harris Promenade, Douglas IM1 2RW, Telefon 0044-(0)1624-645500, Fax 676004, Email: info@seftonhotel.co.im, www.seftonhotel.co.im. Zimmerpreise in dem Vier-Sterne-Haus an der Strandpromenade beginnen bei 42 Pfund pro Person und Nacht.
Perfekter Reisebegleiter für die Isle of Man
Druckfrisch erschienen ist der 160 Seiten starke Reiseführer Isle of Man (ISBN 978-3-939408-87-1) der beiden Mortimer-Reisemagazin-Redakteure Susanne Timmann und Karsten-Thilo Raab. Erhältlich ist der Titel mit vielen Bildern und QR-Codes, die mit Videos direkt einstimmen auf die spannende Entdeckungsreise für 22 Euro im Buchhandel oder versandkostenfrei direkt beim Westflügel Verlag.
Neben Informationen zu allen Städten auf der Insel, zur Geschichte, zu Flora, Fauna, zur Wirtschaft, Sprache und Kulinarik für die Isle of Man enthält das praktische Kompendium Tipps für Outdoor-Aktivitäten, für Unternehmungen mit Kindern, für Kulturbeflissene und Romantiker sowie Empfehlungen für die Must-Dos. Fünf Tourenvorschläge erleichtern die Planung, weitere Informationen finden sich in den Reisezielen von A – Z. Jede Menge Nützliches und Informatives runden den sorgfältig recherchierten Reiseführer ab. Zudem gibt es den Titel als hochwertiges Hardback (ISBN 978-3-939408-88-8) ebenfalls im Handel oder direkt beim Verlag.
Karsten-Thilo Raab
berichtet seit mehr als drei Jahrzehnten für eine Vielzahl von Zeitungen und Magazinen über Reiseziele weltweit. Zudem hat er sich einen Namen als Autor von mehr als 120 Reise-, Wander- und Radführern sowie Bildbänden gemacht.
