
Zwischen Basaltsäulen, Mythen und Sonnenlicht lässt sich in der Garni-Schlucht in Armenien an der „Symphonie der Steine“ der Klang der Erde auf besondere Art und Weise erspüren.

Manchmal scheint die Erde selbst Komponistin zu sein – nicht mit Violinen und Taktstock, sondern mit Basalt, Wind und Licht. In der Garni-Schlucht in Armenien, auch Azat-Schlucht genannt, offenbart Mutter Natur ein geologisches Meisterwerk, das in seiner Ordnung und Poesie einer orchestralen Darbietung gleicht: die „Symphonie der Steine“. Wer diese bizarre wie faszinierende Landschaft betritt, wird Teil einer stillen Aufführung. Die gewaltigen Basaltsäulen wirken fast schon akribisch geordnet wie die Pfeifen einer monumentalen Orgel – nur dass hier kein Kirchenchor singt, sondern Wind und Wasser ihre uralte Melodie spielen.
Geologisches Wunder
„Vor rund 30 Millionen Jahren wälzte sich glühende Lava durch das heutige Tal von Garni. Beim Abkühlen schrumpfte sie und bildete dabei regelmäßige, meist sechseckige Basaltsäulen aus“, blättert Armenien-Experte Aramayis Mnatsakanyan, schlicht „Aram“ genannt, ein wenig verbal in der Entstehungsgeschichte des Naturphänomens. Gleichzeitig betont der 43-jährige, dass die geometrische Präzision keineswegs Zufall sei, sondern Ergebnis endloser physikalischer Prozesse. Die imposanten Basaltsäulen hängen wie Orgelpfeifen meterhoch an den faszinierenden Gesteinsformationen und reihen sich wie ein steinernes Notenblatt aneinander – geformt von Zeit, Druck und kosmischer Geduld. Ihre rhythmische Ordnung ist ebenso eindrucksvoll wie surreal – und ein Paradebeispiel dafür, dass Natur mit Ästhetik bisweilen nicht geizt.
Wo Mutter Natur Komponistin spielt

Der Weg in die Schlucht, rund 30 Kilometer südöstlich der armenischen Hauptstadt Eriwan, beginnt unspektakulär – vorbei an Obstgärten und alten Steinmauern. Doch je tiefer man hinabsteigt, desto mehr wandelt sich die Kulisse. Die Flanken der Schlucht ragen plötzlich senkrecht empor, und der Azat-Fluss rauscht wie ein unermüdlicher Dirigent durch die steinernen Ränge. Vögel zwitschern, der Wind streicht über die Säulen – es ist eine Szenerie, in der man automatisch langsamer wird.
Sinfonie aus Basalt, Wind und Zeit

Bei jedem Schritt entlang der Basaltsäulen wird klar: Das hier ist kein gewöhnlicher Canyon – und dies nicht nur wegen der Länge von gut zwölf Kilometern. Die bis zu 200 Meter hohen Säulen wirken wie von Menschenhand gesetzt – dabei sind sie das Ergebnis eines Naturprozesses. „Die Lava kühlte über Wochen langsam ab. Es war, als hätte sie Zeit, Form und Ästhetik bewusst gewählt“, lässt Aram weiter wissen.

Zusätzliche Magie erfährt die „Symphonie der Steine“ durch die Tatsache, dass sie ihr Gesicht je nach Lichteinfall und Tageszeit verändert. Morgens schmeichelt häufig ein weiches Leuchten den Formen, mittags treten die Kontraste hervor, und am Abend wird die Szenerie mit dem Sonnenuntergang erst golden, dann fast mystisch. Ein Ort, der Staunen und Ehrfurcht unweigerlich miteinander verknüpft. Manche Besucher schweigen ehrfürchtig, andere summen leise, als wollten sie dem Konzert der Felsen ein eigene Melodie hinzufügen.
Legenden über die Steine

Wie es sich für Plätze voller Magie gehört, ranken sich auch um die Garni-Schlucht zahlreiche Legenden. „Manche sagen, die Felsen seien versteinerte Musik – andere behaupten, Götter hätten hier ein Instrument geschaffen, das heute noch nachklingt“, berichtet Aram. Wiederum andere, fährt der 43-jährige, der mit einer Deutschlehrerin verheiratet ist, fort, würden in den Säulen die Finger eines gefallenen Riesen sehen, der versucht, den Himmel zu greifen.
Steinernes Konzert ohne Taktstock

„Wenn der Wind durch die Schlucht pfeift, hört man das Lied des Riesen“, meint dann auch der 76-jährige Karapet aus Garni, „aber man muss mit dem Herzen zuhören.“ Ob es stimmt, was der Getränkeverkäufer am Eingang der Schlucht erzählt? Wer weiß das schon? Auf jeden Fall verleiht der Wind der „Symphonie der Steine“ ganz eigene (Pfeif-) Töne und fügt dem Ganzen eine poetische Dimension hinzu. Zwischen den Schatten der Felsformationen fühlt man sich klein – aber niemals verloren. Hier wird der geneigte Naturliebhaber Teil einer Aufführung, die seit Millionen Jahren ohne Applaus auskommt.
Der Tempel von Garni

Unweit der Schlucht wartet das 7.500-Seelen-Nest Garni noch mit einer weiteren Besonderheit auf: einem Tempel, dessen Geschichte bis in das erste Jahrhundert nach Christus zurückreicht. Die dem Sonnengott Mithra geweihte Anlage zeigt mit ihren ionischen Säulen deutliche Einflüsse aus der römisch-hellenistischen Architektur – und dies mitten im Kaukasus. Einst Sommerresidenz armenischer Könige, verbindet der Tempel das Streben nach Ordnung mit spiritueller Bedeutung.
Kulinarische Begegnungen

Die Umgebung von Garni bietet nicht nur landschaftliche wie geschichtsträchtige, sondern auch kulinarische Erlebnisse. Wer Glück hat, darf beim Backen von Lavash – dem traditionellen Fladenbrot, das in (unterirdischen) Tonöfen gebacken und des Rezeptur von Generation zu Generation weitergegeben wird – zusehen. Auf den Straßen bieten Händler Obst, Honig und selbstgemachten Joghurt an. Die Herzlichkeit der Menschen ist dabei nicht minder beeindruckend, als die „Symphonie der Steine“, wenn auch von einer anderen Melodie getragen.
Wissenswertes in Kurzform

Allgemeine Informationen: www.armenia.travel/de
Einreise: Für die Einreise wird ein mindestens noch sechs Monate gültiger Reisepass benötigt. Passinhaber von EU- und Schengen-Staaten benötigen kein Visum.

Anreise: Lufthansa bietet Direktflüge aus Frankfurt an; Eurowings aus Düsseldorf und Austrian aus Wien. Der Flughafen Swartnoz liegt nur elf Kilometer vom Stadtzentrum Eriwans entfernt.
Sprache: Amtssprache ist Armenisch. Russisch ist ebenfalls weit verbreitet. Englisch wird in den meisten Restaurants und Hotels gesprochen.
Gut zu wissen

Reisezeit: Die durchschnittlichen Sommer-Tagestemperaturen liegen bei 30 Grad Celsius, während im Winter die Temperatur im Mittel bei minus 5 Grad Celsius liegen. liegen. Die Winter in Erewan sind in der Regel mild und schneearm. Beste Reisezeiten sind das Frühjahr und der Herbst.
Zeit: Der Zeitunterschied beträgt plus zwei Stunden. 9 Uhr in Deutschland bedeutet 11 Uhr in Armenien.
Währung: Zahlungsmittel ist der Dram. Der Dram ist unterteilt in 100 Luma. 100 Dram entsprechen rund 0,24 Euro; ein Euro ist etwa 422 Dram. Kreditkarten und bargeldlose Zahlung werden weitgehend akzeptiert
Besondere Genussmomente

Wasser: Das Trinkwasser in Armenien stammt aus natürlichen unterirdischen Quellen und kann bedenkenlos getrunken werden.
Restaurants: 782, 1 Tumayan Street, Eriwan, 0009, Armenien, www.782.am. Das moderne wie stylische Restaurant bietet unweit der Kaskaden traditionelle armenische Küche mit pfiffiger Note.

Mov Restaurant, Puskin Street 8, Eriwan, Armenien, Telefon 00374-33-652652, www.movrestaurant.com. Der Name des Restaurants im Herzen von Eriwan bedeutet „Rebe“. Entsprechend kommen zur Hauptspeise vornehmlich gefüllte Weinblättern in verschiedenen schmackhaften Varianten auf den Tisch.
Ansonsten ist die Tumayan Straße eine sehr gute Anlaufstelle für alle, die gepflegt Essen gehen wollen, denn hier reiht sich ein Restaurant an das nächste.
Sich gemütlich betten

Übernachten: Bed & Breakfast ist für 30 bis 50 Euro zuhaben; Boutique Hotels kosten um die 70 Euro pro Nacht.
Hoteltipp: Ramada Hotel & Suites by Wyndham Yerevan, 15 Pavstos Busand St, 0010 Jerewan, Armenien, Telefon 00374-11-200400, www.wyndhamhotels.com. Nur wenige Gehminuten vom Platz der Republik gelegenes Vier-Stern-Hotel mit guter Ausstattung und großzügigen Zimmern.

Die Recherche fand auf Einladung / mit Unterstützung des Tourism Committees of Armenia und von New Age Marketing statt, ohne Einfluss auf die journalistische Ausarbeitung zu nehmen.

Karsten-Thilo Raab
berichtet seit mehr als drei Jahrzehnten für eine Vielzahl von Zeitungen und Magazinen über Reiseziele weltweit. Zudem hat er sich einen Namen als Autor von mehr als 120 Reise-, Wander- und Radführern sowie Bildbänden gemacht.