Reykjavik feiert das bevorstehende Winterende

Winter Lights Festival, Copyright Karsten-Thilo Raab

Von der Sonne ist Island nicht gerade verwöhnt. Vor allem in den Wintermonaten. Was nicht allein auf die fast durchgehend frostigen Temperaturen gemünzt ist. Während der ohnehin kurzen Tageslichtdauer lässt sich der Lorenz eher selten, dann zumeist kurz blicken. Die Isländer selber haben sich längst daran gewöhnt, werden dafür in den Sommermonaten mit Dauertageslicht verwöhnt. Auch dem mitunter tristen Grau des Alltags wissen sie im Winter erfolgreich zu trotzen. So etwa in der Hauptstadt Reykjavík, wo seit 2003 jährlich im Februar das Winter Lights Festival begangen wird. Vier Tage – oder besser gesagt – vier Abende lang feiern die Nordmänner traditionell sowohl den Winter als auch das Zurückkommen des Lichts nach der langen Zeit der Finsternis mit zahlreichen Licht-Installationen sowie kulturellen und  familiären Veranstaltungen. Einmal so in Feierstimmung, sind die Isländer dann auch in Geberlaune. Denn alle Veranstaltungen dieses Spektakels sind kostenfrei.

Winter Lights Festival, Copyright Karsten-Thilo Raab„Für uns ist dies stets ein besonderer Moment. In einigen Teilen des Landes, vor allem im Norden, haben die Menschen zum Teil bis zu drei Monate lang die Sonne nicht gesehen“, erläutert Dóra Magnúsdóttir von Visit Reykjavík die Motivation hinter dem Festival. Dabei verweist sie auf die Tatsache, dass in einigen Landstrichen des zweitgrößten Inselstaates Europas bedingt durch die Lage im hohen Norden sowie durch die zum Teil hoch aufragenden Berge die Sonne oft monatelang nicht zu sehen ist – was das Leben im vielfach kargen, zum Teil unwirtlichen und überwiegend baumlosen Island nicht unbedingt erleichtert. Doch die Isländer wissen mit diesem Naturphänomen umzugehen und freuen sich Jahr ein, Jahr aus auf das Ende der Dunkelheit.

Winter Lights Festival, Copyright Karsten-Thilo RaabRund um den zentralen Platz von Reykjavík, den Austurvöllur, wurde zum Auftakt die Straßenbeleuchtung des Festivals ausgeschaltet. Stattdessen sorgte im Schatten der kleinen Domkirche die spektakuläre Lichtinstallation „Pixel Cloud“ von Marcos Zotes begleitet von der eigens komponierten Musik von Eddi Egilsson für eine besondere Stimmung im Herzen der nördlichsten Hauptstadt der Welt.

Tag zwei, oder besser gesagt, Abend zwei, des Winter Lights Festivals stand dann  ab 19 Uhr bis Mitternacht ganz im Zeichen der Langen Nacht der Museen mit viel Musik, Modenschauen Tanz, Shows, Lesungen und Workshops. Verbindendes Element war dabei im wahrsten Sinne des Wortes die eigens eingesetzte Nachtbusse, die kostenfrei die Besucher von einer Location zur nächsten transportieren.

Reykjavik 871 Museum, Copyright Karsten-Thilo Raab (1)Zu den Hotspots der Museumsnacht zählte der Blick in die Anfänge der Geschichte von Reykjavík im Jahre 871. Dabei entpuppte sich die „Vikings of Reykjavík Exhibition“ im wahrsten Sinne des Wortes als unterirdische Ausstellung. Nicht, weil sie so schlecht war, sondern weil sie die Besucher unter die Erde der isländischen Kapitale führt. Prunkstück der multimedialen Ausstellung sind die Ruinen eines 20 Meter langen Langhauses der Wikinger aus der Zeit um das Jahr 930. Ganz nebenbei erfährt der geneigte Besucher beim Besuch der Ausstellung, dass die Island wohl das letzte Flecken Erde Europas war, das besiedelt wurde. Nachweislich stammen die Isländer wohl von Nordmännern – vorwiegend aus Norwegen – ab, die auf ihrer Reise nach Island in Irland noch einige Frauen raubten. Daher lässt sich in den isländischen Genen sowohl eine entfernte Verwandtschaft zu den Norwegern als auch zu den Iren nachweisen.

Reykjavik Art Museum, Copyright Karsten-Thilo Raab (2)„Dass die Iren feierlustig und Spaß liebend sind, weiß jedes Kind. Nun wissen wir auch, warum wir so viel lustiger sind als andere Skandinavier“, flachst dann auch Dóra Magnúsdóttir. Die Verbindung zu Irland sei vermutlich auch der Grund, warum so viele Isländer rötliches Haar hätten.

Nur wenige Gehminuten entfernt, wartet im Hafnarhús, einer der drei Dependancen des Reykjavík Arts Museum, ein jäher Kontrast zur frühen Geschichte der Stadt und der Insel. Das in einem alten Hafengemäuer untergebrachte Museum präsentiert ausschließlich moderne Gegenwartskunst. Dabei werden sowohl isländische als auch internationale Künstler in den Fokus gerückt. Ein großes Augenmerk wird hier auch auf das Leben und Werk von Erró gelegt. Dem schaffensfreudigen Sohn der Stadt, der mittlerweile hoch betagt ist und seit vielen Jahrzehnten in Paris lebt, ist eine grandiose Dauerausstellung gewidmet. Vor allem die frechen und farbenfrohen, oft auch kritischen Bilder des wohl bedeutendsten europäischen Pop-Art-Künstlers wissen auch jene in den Bann zu ziehen, die ansonsten eher wenig mit Gegenwartskunst anzufangen wissen.

Schwimmbad Laugardalslaug, Copyright Karsten-Thilo RaabDaneben haben an diesem Abend überall in der Stadt neben den zahlreichen Museen auch die Ateliers vieler Künstler und Designer geöffnet. Und alles bei freiem Eintritt. Wer nach Mitternacht von dem gewaltigen Kulturangebot noch nicht erschlagen und ermattet fühlt, stürzt sich noch in das Nachtleben von Reykjavík. Vor allem an der Shopping- und Kneipenmeile Laugavegur wird bis in die frühen Morgenstunden gefeiert. Wobei der eine oder andere die Lampe tüchtig anhat – was wiederum irgendwie ganz gut zum Winter Lights Festival passt.

Schwimmbad Laugardalslaug, Copyright Karsten-Thilo RaabAuch am dritten Tag des Feiermarathons ist bei den sonnenhungrigen Isländern nichts von Ermüdung zu spüren – egal wie lang oder kurz die Nacht gewesen sein mag. Während am Samstag ganztägig ein internationales Kinderfest Programm für den Nachwuchs bietet, rückt abends vor allem die Poollandschaft der Stadt ins Licht.

„Was für die Finnen die Sauna ist, sind für uns unsere Hot Pots und Pools“, verrät Dóra Magnúsdóttir. Die mit geothermischer Wärme geheizten Thermalbäder sind am vorletzten Festivalabend aber nicht nur zum Plantschen geöffnet.

Bühnen in den – nicht vor oder neben – drei der größten Geothermalpools der Stadt boten ein ganz neues Konzerterlebnis. Im Schwimmbad Laugardalslaug sang ein 50-köpfiger Chor isländische Volkslieder, im Schwimmbad Vesturbæjalaug legten namhafte Diskjockeys auf, während die wild tanzenden Gäste im Wasser mit Glühstäbchen und Taschenlampen für eine ganz besondere Atmosphäre sorgten, die Reykjavík zugleich in ein bezauberndes Licht hüllt. Und manch einer wünschte sich, die Sonne möge noch ein wenig auf sich warten lassen. Ansonsten bleibt nur die Gewissheit, dass der nächste Winter ganz bestimmt kommt und damit auch das nächste Winter Lights Festival – und zwar vom 6. bis 9. Februar 2014.

Allgemeine Informationen: www.visitReykjavík.is

Informationen zum Winter Lights Festival: www.vetrarhatid.is (Englisch und Isländisch)

Anreise: Icelandair  fliegt ab Frankfurt direkt nach Reykjavík. Die Flugzeit beträgt rund dreieinhalb Stunden. Vom Flughafen Keflavik verkehrt der Flybus zum 50 Kilometer entfernten Zentrum von Reykjavík. Der Flybus kostet hin und zurück 3.500 Isländische Kronen (etwa 21 Euro) für Erwachsene und 1.750 ISK (etwa 11 Euro) für Kinder.

Sprache: Landessprache ist Isländisch. Auch Englisch wird überall gesprochen.

Geld: Zahlmittel ist die Isländische Krone (ISK). 100 Kronen entsprechen etwa 0,58 Euro, ein Euro entspricht rund 170 ISK. Völlig unkompliziert ist auch der Einsatz von Kreditkarten, die nahezu überall akzeptiert werden.

Reykjavík Arts Museum – Hafnarhús, Tryggvagata 17, 101 Reykjavik, Telefon 00354-590-1200, www.artmuseum.is.

BBP Hotdog Bude, Copyright Karsten-Thilo Raab Essen & Trinken: Grillmarket, Lækjargata 2a, 101 Reykjavik, Telefon 00354-571-7777, www.grillmarkadurinn.is.  In-Restaurant im Herzen der Innenstadt. Neben gegrillten Fisch- und Fleischspezialitäten stehen auch Besonderheiten wie Wal oder Papageientaucher auf der Speisekarte.

Vox (im Hilton Reykjavík Nordica), 2 Sudurlandsbraur, 108 Reykjavík, Island, Telefon 00354-444-5050, www.vox.is. Eines der Toprestaurants des Landes mit moderner Fusion Kitchen, in der vornehmlich regionale Produkte verwendet werden.

Bæjarins Beztu Pylzur, Bollagarðar 4, 101 Reykjavík, www.bbp.is. Die direkt am Hafen gelegene Hot-Dog-Bude ist Kult. Oft bilden sich mehrere Meter lange Schlangen vor dem rot-weißen Schnellimbiss, an dem schon der frühere US-Präsident Bill Clinton ein Würstchen im Brötchen genoss.

Übernachten: Hotel Reykjavík Centrum, Ađalstræti 16, 101 Reykjavík, Island, Telefon 00354-514-6000, www.hotelcentrum.is. Das zentral gelegene Vier-Sterne-Haus bietet Doppelzimmer ab umgerechnet 80 Euro pro Person pro Nacht an.

Fosshotel Baron, Baronsstígur 2-4, 101 Reykjavík, Telefon 00354-562-3204, www.fosshotel.is. Das Drei-Sterne-Haus im Zentrum von Reykjavík hält große Doppelzimmer ab 120 Euro die Nacht bereit.

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