Weißes Gold: Auf den Spuren des Salzes

Salz
Salz hat die Geschichte und Entwicklung von Bad Reichenhall maßgeblich geprägt.

Suppe ohne Salz? Schmeckt nicht. Brot ohne Salz? Gewöhnungsbedürftig. Frühstücksei ohne Salz? Geht gar nicht. Das „weiße Gold“ ist ständiger Begleiter unseres Essens. Häufig kommt es aus dem oberbayerischen Bad Reichenhall.

Auf den ersten Blick ist es leicht verwirrend. Das Alpensalz aus den bayerischen Bergen ist ursprünglich Meersalz. Das Bad Reichenhaller Salz stammt gar nicht aus dem Kurort selbst, sondern aus dem benachbarten Berchtesgaden. Und die Salinen in beiden Orten gehören nicht etwa einem einheimischen Unternehmen, sondern Baden-Württembergern.

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Ein Besuch in der Alten Saline vermittelt einen spannenden Einblick in die Salz-Gewinnung und -Produktion. – Foto: Alte Saline Bad Reichenhall/Südwestdeutsche Salzwerke AG

Aber der Reihe nach. Wo heute der Königssee Massen an Touristen anlockt und der Watzmann hoch in den Himmel ragt, lagen vor 100 Millionen Jahren die flachen Ausläufer eines Urmeers mit Namen Tethys. In Zeiten höherer Temperaturen verdampfte das Wasser und ließ mächtige Salzstöcke zurück. Als sich dann durch die Verschiebung der Erdplatten die Alpen auftürmten, verschwand das Salz tief im Inneren des neuen Gebirges.

Reichtum und Macht

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Gigantische Wasserräder bedienten die Pumpen. – Foto: Klaus Pfenning / Mortimer Reisemagazin

In Bad Reichenhall wird Salz bereits seit 4.000 Jahren gewonnen. Kelten, Römer, Germanen, Bajuwaren – sie alle waren förmlich süchtig nach dem „weißen Gold“. Der Besitz von Solequellen und Salinen bedeutete Reichtum und Macht. Schließlich benötigten alle Menschen Salz, das die Erde jedoch nur an wenigen Stellen freigab. Das „Hall“ im Ortsnamen deutet darauf hin, dass es in Bad Reichenhall Salzvorkommen gibt. Ebenso wie beispielsweise in den österreichischen Gemeinden Hallstadt und Hallein oder in den württembergischen Städten Schwäbisch Hall und Bad Friedrichshall.

Nomen est Omen in Bad Reichenhall. – Foto: Alte Saline Bad Reichenhall/Südwestdeutsche Salzwerke AG

Vermutlich geht der Begriff „Hall“ auf die Kelten zurück, die damit Plätze bezeichneten, an denen Salz gewonnen wurde. Bad Reichenhall bedeutet demzufolge „reich an Salz.“ Dass die Region im bayerisch-österreichischen Grenzgebiet buchstäblich reichlich damit gesegnet ist, zeigen auch Namen wie Salzburg, Salzkammergut oder das Flüsschen Salzach. Auf ihm wurde bis ins 19. Jahrhundert hinein das Salz ver-schifft.

Sole mit 26 Prozent Salzgehalt

Salzgeschichte wird in der Alten Saline erlebbar. – Foto: Klaus Pfenning / Mortimer Reisemagazin

Bereits im frühen Mittelalter trieben die Salzsucher Stollen und Schächte tief in den Berg hinein. Das Salz wurde zunächst bergmännisch gewonnen, wie noch heute in Bad Friedrichshall bei Heilbronn. In Bad Reichenhall dagegen stammt es aus stark salzhaltigen Solequellen unter der Stadt. Mit einem Salzgehalt von 26 Prozent ist die Sole annähernd so hoch kon-zentriert wie das das Wasser im Toten Meer.

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Schritt für Schritt kann die Salzgewinnung in Bad Reichenhall nachvollzogen werden. – Foto: Klaus Pfenning / Mortimer Reisemagazin

Die letzten großen Erschließungen Ende des 18. Jahrhunderts gehen auf Kurfürst Carl Theodor zurück. Als Kurfürst der Kurpfalz hatte der Wittelsbacher 1777 Bayern geerbt und seine Residenz eher widerwillig von Mannheim nach München verlegt. In Bad Reichenhall gilt er bis heute als „Neuerer und Vermehrer des Salinenglücks“. Eine Marmorbüste in der Nähe der nach ihm genannten Quelle erinnert an den Kurpfalz-Bayern. Das Salinengebäude entstand ein knappes Jahrhundert später unter Bayernkönig Ludwig I., der nicht mehr und nicht weniger als „die schönste Saline der Welt“ erschaffen wollte. Heute wird die Sole nicht mehr industriell, sondern ausschließlich für Kur-Zwecke genutzt.

Herausragende Architektur

Die Alte Saline erweist sich als begehbares Geschichtsbuch.

Etwa in der wunderschön gestalteten Rupertus-Therme. Der Heilige Rupertus gilt der Legende nach um das Jahr 700 herum als der Entdecker der Reichenhaller Sole. Mehrere warme Solebecken mit unterschiedlicher Salzkonzentration laden zum Entspannen ein. Spätestens im Schwebebecken mit seinen zwölf Prozent Salzgehalt fühlt sich das Leben einfach nur noch schwerelos an. Bad Reichenhall gilt schon seit Langem als eine der führenden Kurstädte Europas. Nach einem verheerenden Brand 1834 richtete sich die Stadt architektonisch sehr stark an der Tradition großer Badekulturen wie Karlsbad, Baden-Baden oder Meran aus. Mit dem Salz und zahlreichen Kurgästen aus dem Hochadel der KuK-Monarchie und Russlands kam Bad Reichenhall zu viel Ansehen und Geld.

Auch architektonisch weiß die Alte Saline ein Zeichen zu setzen. – Foto: Alte Saline Bad Reichenhall/Südwestdeutsche Salzwerke AG

Heute zählt das Bayerische Staatsbad mit seinem herrschaftlichen Kurgarten, dem vom Jugendstil beeinflussten und unter Denkmalschutz stehenden Kurmittelhaus sowie zahlreichen mondänen Villen zu den schönsten Kurorten Deutschlands. Vor allem bei Atemwegs-, aber auch bei Hauterkrankungen wie Neurodermitis gilt die Stadt im südöstlichsten Teil Deutschlands als wahres Eldorado. Die alte Bädertradition lebt nicht zuletzt in einer Trink- und Wandelhalle, beim Inhalieren oder bei einem Wannenbad fort, alles natürlich mit Reichenhaller Sole.

Funktion des Gradierbaus der Not geschuldet

Stadtbildprägend ist die Saalach mit ihrem türkisblauen Wasser. – Foto: Klaus Pfenning / Mortimer Reisemagazin

Die Sole spielt auch die entscheidende Rolle beim Gradierhaus, einem 160 Meter langen Prachtbau aus der Zeit des Jugendstils. Ursprünglich waren Gradierhäuser der Not geschuldet: Holz zum Erhitzen und Verdampfen der Sole war lange Zeit knapp und teuer. Also suchte man nach anderen Wegen, den Salzgehalt der wässrigen Lösung zu erhöhen: durch eine natürliche Verdunstung mithilfe von Sonne und Wärme. Die Sole rieselte entlang der feinen Verästelungen von Schlehdorn-Büschen. Dadurch entstand ein feiner Sprühnebel, der das Wasser verdampfen und das Salz zurückließ.

Beliebter Treff für Gesundheitsbewußte ist der Kurpark in Bad Reichenhall. – Foto: Klaus Pfenning / Mortimer Reisemagazin

Heute dient das Luft-Salz-Wasser-Gemisch ausschließlich Kurzwecken. Mehrfach langsam um das Gradierhaus herumspazieren und dabei tief durch die Nase einatmen putzt die Atemwege bis zur Lunge durch. Im Bad Reichenhaller Gradierwerk rieseln in den Sommermonaten täglich rund 400.000 Liter Sole das „weltgrößte Alpen-Freiluft-Inhalatorium“ hinab.

Bad Reichenhaller Salz aus Berchtesgaden

Seit 1890 trägt die Stadt das „Bad“ im Namen und 1899 wurde ihr  das Prädikat eines „Königlich Bayerischen Staatsbads“ verliehen. – Foto: Klaus Pfenning / Mortimer Reisemagazin

Für industrielle Zwecke reicht die Sole aus den Bad Reichenhaller Bergen jedoch nicht mehr aus. Stattdessen kommt sie über eine Leitung aus dem 20 Kilometer entfernten Berchtesgaden. Dort wird das Salz unter Tage mithilfe der sogenannten Bohrspültechnik gewonnen: der Salzstock wird angebohrt und über Jahrzehnte immer wieder mit Wasser befüllt, bis dieses genügend Salz ausgewaschen und bis zum Sättigungsgrad von 27 Prozent angereichert hat. In der Neuen Saline in Bad Reichenhall wird das Wasser dann wieder verdampft und das gewonnene Salz getrocknet.

Zu den Landmarken in Bad Reichenhall gehört das Alte Rathaus. / Mortimer Reisemagazin

Viel zu sehen gibt es dort jedoch nicht. Statt in großen Sudpfannen wie früher entsteht das weiße Gold heute in einem geschlossenen Prozess. Statistisch betrachtet findet sich Bad Reichenhaller Markensalz heute in jeder zweiten deutschen Küche. Die wenigsten Konsumenten ahnen dabei, dass Bergwerk und Salinen gar nicht Bayern gehören. Sondern über die Südwestdeutschen Salzwerke ganz überwiegend der Stadt Heilbronn und dem Land Baden-Württemberg.

Klaus Pfenning

arbeitete jahrzehntelang in der Unternehmenskommunikation. Statt über Druckmaschinen, Schaltanlagen oder Gabelstapler schreibt er heute lieber über andere Dinge: guten Wein, tolles Essen, spannende Reisen.