
Es gibt Dinge zwischen Himmel und Erde, die man beim Fliegen eigentlich für selbstverständlich hält. Dass das Flugzeug nicht rückwärts startet. Dass die Erdnüsse, die gegen einen kleinen Obolus erworben werden können, salzig sind. Und dass man seinen Sitz ein wenig neigen darf, sobald die Reisehöhe erreicht ist, um dem Rücken eine Pause vom unbequemen 90-Grad-Winkel zu gönnen. Doch WestJet, eine kanadische Billigfluggesellschaft mit offensichtlichem Hang zur Innovation (oder Provokation), hat beschlossen, mit dieser Tradition zu brechen. Und zwar mit einem Knall – oder besser: mit einem Klick auf „Jetzt Sitzneigung buchen“.
WestJet und der Sitzwinkel des Schreckens
Denn wer künftig mit einer Boeing 737 von WestJet gen Himmel strebt, sollte vorher tief in sich gehen – und noch tiefer in die Tasche. Die neue Sitzgeneration in der Economy-Class bietet nämlich nur eine festgelegte, kaum spürbare Neigung. Eine Art symbolisches Nicken des Sitzes, das sagt: „Ich würde ja gerne, aber ich darf nicht.“ Wer sich wirklich zurücklehnen will, muss für spezielle Sitze mit verstellbaren Rückenlehne zahlen. Und zwar nicht mit einem Lächeln, sondern mit harter Währung.

Die Idee dahinter? Komfort als Premium-Erlebnis. Oder anders gesagt: Wer sich entspannen will, soll gefälligst dafür blechen. Die Rückenlehne wird zum Statussymbol – wer sie bewegt, zeigt: Ich kann es mir leisten. Economy wird zur Sparversion mit eingebauter Rückenstarre. Business-Class? Die neue Sehnsucht der gebeugten Massen.
Zurücklehnen? Nur mit Kreditkarte!
Natürlich verkauft WestJet das Ganze als „modernes Kabinenerlebnis“. Das klingt nach futuristischem Luxus, riecht aber verdächtig nach cleverem Upselling. Denn während die Sitze optisch glänzen, bleibt die Bewegungsfreiheit auf der Strecke. Die Passagiere hingegen dürfen sich künftig zwischen „Sitzen wie ein Brett“ und „Sitzen wie ein Mensch“ entscheiden – letzteres gegen Aufpreis.

Man fragt sich: Was kommt als Nächstes? Münzeinwurf fürs Tablett? Kreditkarte für die Armlehne? Vielleicht ein Abo-Modell für das Fensterblick-Feature? Zusatzgebühren für das Licht am Platz? Die Fantasie kennt keine Grenzen – und die Airlines offenbar auch nicht.
WestJet hebt ab – der Komfort bleibt am Boden
Doch eines ist sicher: Die Zeiten, in denen man sich einfach zurücklehnen konnte, sind vorbei – zumindest bei WestJet. Willkommen in der Ära des Premium-Kippens. Wer fliegen will wie ein Boss, muss auch zahlen wie einer. Und wer sparen will, sollte sich besser an Yoga-Übungen für den Flugzeugstuhl gewöhnen.

Aber, wer schon nicht die Beine bewegen kann, sollte auch keine Rückenfreiheit haben. Fakt ist, sollte WestJet mit dem Modell Erfolg haben, werden andere Airlines früher oder später nachziehen. Also: Rücken gerade, Kopf hoch – und bloß nicht neigen. Es sei denn, man hat das Neigungspaket gebucht.
Buchtipp: Nur Fliegen ist schöner
Bekannt ist der Franke Stefan Schöner eigentlich als begeisterter Kreuzfahrer, der seine kleinen und großen Erlebnissen in den beiden Erfolgsbüchern „Urlaub auf hoher See“ (ISBN 978-3-939408-12-3) und „Mehr Urlaub auf hoher See“ mit Witz und Esprit verarbeitet hat. Das Fliegen mag er gar nicht. Allerdings hat Schöner bei seinen Kreuzfahrten ein kleines Problem: Seine Heimat Unterfranken liegt hunderte von Kilometern vom Meer und vom nächsten Kreuzfahrthafen entfernt. Deswegen muss er, ob es ihm gefällt oder nicht, auch immer wieder ins Flugzeug steigen. Mit dem Ergebnis, dass er nun mit Nur Fliegen ist schöner eine Sammlung mit heiteren Kurzgeschichten rund ums Fliegen vorgelegt hat.
Und auch beim Fliegen gibt es für ihn immer bemerkenswerte Erlebnisse. Ob die Technik streikt oder das Kabinenpersonal, ob das Wetter verrückt spielt oder der Taxifahrer am Flughafen, Schöner spießt die kleinen Widrigkeiten des Reisealltags genauso mit Witz und einem Augenzwinkern auf wie die Eigenheiten der Mitarbeiter der Fluggesellschaften und des Sicherheitspersonals und natürlich auch die der lieben Mitreisenden.
Wie in den bereits erschienenen Kurzgeschichtenbänden beschreibt Schöner heitere wie nachdenkliche Episoden mit Humor und liebevollem Blick fürs Detail und beweist, dass man mit der richtigen Perspektive eigentlich immer und überall amüsieren kann.
Erhältlich ist Nur Fliegen ist schöner (ISBN 978-3-939408-29-1) von Stefan Schöner für 10,99 Euro im Buchhandel oder versandkostenfrei direkt beim Westflügel Verlag.
Karsten-Thilo Raab
berichtet seit mehr als drei Jahrzehnten für eine Vielzahl von Zeitungen und Magazinen über Reiseziele weltweit. Zudem hat er sich einen Namen als Autor von mehr als 120 Reise-, Wander- und Radführern sowie Bildbänden gemacht.
