
Bonjour im kulinarischen Paradies vom Burgund: eine Reise in die tiefe Provinz führt zum historischen Stadtjuwel Louhans und einem legendären Geflügel, das europaweit die besten Speisekarten eroberte. Voilà Bühne frei für das Poulet de Bresse – dem vielleicht glücklichsten Huhn seiner gefiederten Art.
Von der Weinstadt Dijon in die Bresse

Die „Königin der Hühner“ ist in der Bresse-Bourguignonne zu Hause, einer idyllischen Region zwischen dem Jura-Gebirge und dem Fluss Saône – nicht weit entfernt vom attraktiven mittelalterlichen Städtchen Louhans. Gemütlich Reisende planen etwa eineinhalb Stunden ein, um ganz entspannt auf Landstraßen in das wenig entdeckte Hinterland zu gelangen. Startpunkt des Genuss-Trips ist Burgunds charmante Metropole Dijon im Osten Frankreichs.

Wer unterwegs auf der Route Départementale 966 voller Erwartungsfreude im Restaurant Le Saint Sauveur eintrifft, wird inmitten des hübschen Marktfleckens Varennes reich belohnt: Voilà – das feinfaserige saftige Bresse-Huhn wird hier noch mit rustikalem Charme angerichtet. Céline & Georges Lelièvre, ambitionierte Chefs des Gourmet-Gasthofs, arbeiteten über mehrere Jahre in Schweizer Michelin-Restaurants. Im Jahr 2012 bekamen sie den Ehrentitel „Neuentdeckung des Jahres“ vom bekannten französischen Restaurantführer Gault Millau.

Das sympathische Gastronomen-Duo Lelièvre ist sich völlig einig: „Der besondere aromatische Geschmack vom Poulet de Bresse erklärt sich mit bestem frischem Futter direkt aus der Natur.“ Denn die meiste Zeit während seiner etwa fünf Monate langen Aufzucht verbringt die „Königin des Geflügels“ auf idyllischen Grasflächen mit nährreichen Böden. Einem normalen Huhn aus dem Supermarkt, aufgewachsen in Massentierhaltung, ist meist nur die Hälfte dieser Lebensspanne vergönnt, bis es als schlachtreif eingestuft wird.
König Henri IV. spendierte Sonntags-Huhn für alle

Das wohl teuerste Geflügel Europas – es kostet das Vielfache eines konventionell aufgezogenen Huhns – wird in der Region Bresse gern mit raffinierter Crème-Sauce serviert: ein majestätischer Hühner-Knochen dekoriert den Teller und zum Fleischgenuss gibt es einen üppigen Nachschlag an sämigem Jus. Alle Hühner der Jahrhunderte alten Bresse-Rasse, die nicht im angestammten Gebiet nordöstlich von Lyon gezüchtet werden, erkennt man am Namenszusatz „Gauloise“(Poulet Bresse Gauloise).

In Anspielung auf die französischen Nationalfarben werden die schneeweiß gefiederten Hühner mit den zartblauen Läufen in Deutschland ebenfalls unter dem Namen „Les Bleues“ (Die Blauen) auf den Markt gebracht. An ihren Füßchen fehlt niemals das Siegel mit ihrer garantierten Herkunftsbezeichnung – und für Frankreichs geflügelte Kronjuwelen gilt eine erstaunliche EU-Ausnahme: Bresse-Hühner dürfen komplett mit Kopf und Läufen auf den Märkten angeboten werden.

Le Poulet de Bresse ist das einzige Huhn mit der geschützten Ursprungsbezeichnung AOP (Appellation d’ Origine Protegée). Die verdankt es König Henri IV., der anno 1601 für das Geflügel aus der Region Bresse exklusiv diesen Titel festlegte. Der volkstümliche Regent erlangte seine Beliebtheit mit dem von ihm propagierten Poule au pot (Hühnereintopf), der in keiner französischen Bauernfamilie sonntags auf dem Tisch fehlen durfte.
Der VIP-Status vom Bresse-Huhn in jüngerer Zeit geht auf den unsterblichen Starkoch Paul Bocuse (1926-2018)) zurück. Der Urvater der Nouvelle Cuisine, geboren nahe der heutigen Feinschmecker-Metropole Lyon, kreierte einige seiner Lieblingsgerichte rund um die Königin des französischen Geflügels.
Leckere Rahm-Saucen auf Gourmet-Teller

Aus der für ihre exzellenten Kuhmilch-Produkte bekannten Region Bresse stammt die mit leckerste Crème Fraîche von Frankreich. Köstlichkeiten aus Großmutters Zeiten werden hier seit 1939 in ihrer ursprünglichen Rezeptur hergestellt – teils noch handgeschöpft, wie man auf nostalgischen Werbeplakaten erkennen kann. Natürlich gibt es im Gourmet-Gasthof von Varennes-Saint-Sauveur ein Dessert, das mit raffinierten Rahm-Ingredienzen der traditionsreichen Molkerei Laiterie de Bresse verführt – gemischt mit einem Fonds aus zartschmelzendem Karamell.

Die Genuss-Region Burgund zeigt sich in der Bresse von ihrer bodenständigen Seite. Der Geflügel-Metzger neben dem Restaurant Saint Saveur garantiert die absolute Frische – vom hier stets großzügig portionierten Bresse-Huhn. Spätestens, wenn die fröhlichen Glocken der Dorfkirche vis-à-vis zum Essen erklingen, sind auch kritische Genießer am Tisch längst kulinarisch geläutert: Denn hier kann man sich persönlich vom paradiesischen Landleben der Gourmet-Hühner überzeugen.

Den so delikaten wie unvergesslichen Hühner-Schmaus zelebriert man etwa 20 Kilometer von Louhans entfernt. Das mittelalterliche Kleinstädtchen trumpft mit einer grandiosen Arkaden-Straße, die aus 157 historischen Laubengängen besteht. Zudem kann man hier den größten Hühnermarkt der Region erkunden: Werden die geflügelten Kronjuwelen der französischen Küche deswegen in und um Louhans herum am liebsten schlicht auf dem Holztisch serviert?
Französische Tafelfreuden – ein UNESCO Weltkulturerbe

Im Landgasthof Le Saint Sauveur, wo viele Auszeichnungen die Wände schmücken, begeistern sich Stammgäste dennoch für den 3-Sterne-Michelin Spitzenkoch Georges Blanc – einen populären Botschafter der geflügelten kulinarischen Kronjuwelen Frankreichs. „Mit seinen 82 Jahren steht er weiter passioniert am Herd – und bereitet mit viel Liebe zum Detail unser einzigartiges Bresse-Huhn zu, am liebsten mit klassischem Rezept,“ hört man da ganz unverblümt zwischen Dessert und Digestif.

Im Burgund, einer Herzregion von Frankreichs Feinschmeckern, ist man besonders stolz auf all die kulinarischen Lobreden und Lorbeeren, mit der die Grande Nation auch dank einer spektakulären UNESCO-Auszeichnung in reichem Übermaße bedacht wurde: ergänzend zu einer Vielzahl an nationalen Ehrungen, mit denen Frankreich sich selbst gerne ein wenig beweihräuchert – mit selbstverliebtem Blick auf seine wirklich einzigartige Genusskultur.

Denn unter dem etwas hochtrabenden Titel „Immaterielles Weltkulturerbe“ bekam die „Grande Nation“ im Jahr 2010 die wohlverdiente Ehrung für ihr exzellentes Essen wie auch all die beneidenswert schönen Rituale rund um den üppig gedeckten Tisch. Wen wundert es – als eine der populärsten kulinarischen Trophäen Frankreichs gilt das Boeuf Bourguignon – zart geschmortes Rindfleisch in Rotweinsauce, mit dem der Name der Feinschmecker-Region Burgund in aller Welt bekannt wurde.

Ein begehrter nationaler französischer Orden wird von der „Commanderie des Cordons bleus de la France“ verliehen, Frankreichs Gilde exquisiter Köche und Gastronomen. Im Restaurant Le Saint Sauveur hängt die schmucke Auszeichnung prominent neben dem nostalgischen Servierwagen für den geliebten Käse. Denn der ist im Burgund mit reicher Auswahl stets bei einem guten Gastmahl präsent – als letzter Gourmet-Akt wie auch begleitender Genuss zu feinen Weinen.
Besuch beim Geflügel-König Monsieur Marquis

Nicht verpassen sollte man einen Besuch auf der Geflügelfarm des vielfach prämierten Züchters Laurent Marquis, der seit einigen Jahren das Unternehmen seines Vaters weiterführt. Auf seinen Terroirs picken und gackern die vielleicht zufriedensten Hühner unseres Planeten: „Meine Freigehege bieten jedem Tier ein Minimum von 20 Quadratmetern an natürlicher Auslauffläche“, betont der Besitzer des kleinen Familienbetriebs Maison Marquis. Mit der großzügigen Abmessung seines u paradiesischen Terrain übertrumpft er den üblichen Standard gleich ums Doppelte.

Der Mann mit dem blaublütigen Namen ist zutiefst erdverbunden. Der drohenden räuberischen Füchse zum Trotz hat er immer noch seinen poetischen Blick auf die Natur bewahrt: „In der Bresse überrascht uns immer wieder ein sehr kühler Wind des Nordens, wir nennen ihn La Bise, den Kuss. Doch für uns als Züchter ist die kalte Brise Gold wert, sie beschert uns eine reiche Mais-Ernte –das feine Futter für meine anspruchsvollen Hühner,“ betont Laurent Marquis: „Zusätzlich bekommen sie beste Trockenmilch – ergänzend zu ihrer Nahrung aus Schnecken und Insekten wie auch Gräsern und Kräutern.“

Voller Stolz zeigt Laurent Marquis die winzigen Metallringe, mit denen er die zartblauen Füßchen seiner edlen Hühner mit dem geschützten Herkunftssiegel AOP markiert: „Das schneeweiße Gefieder und ein leuchtend roter Kamm, voilà –meine preisgekürten Reines Gaulloises sind ‚Drei-Farben-Schönheiten‘ in Reinnatur. Sie repräsentieren unsere Trikolore, die Nationalfahne der Franzosen“, freut sich der Züchter mit Blick auf all seine Pokale, die er mit persönlicher Widmung vom französischen Präsidenten Emmanuel Macron bekam.
Louhans – ein historisches Stadtjuwel

Die charmante mittelalterliche Kleinstadt Louhans lädt zu pittoresken Promenaden durch die schier unendlichen Arkaden der Stadt – voilà eine Rekordzahl von 157 Galerien auf der Grande Rue von Louhans. Wer dort in einem Lieblingscafé genussvoll an der fabelhaften Gebäckspezialität Corniotte knabbert, fühlt sich ein wenig wie Gott in Frankreichs Wonnegarten Burgund.

Unvergesslich bleibt der Besuch von zwei illustren Museen mit ihren faszinierend präsentierten Chroniken und meist amüsiert-analytischen Blick auf die Jetztzeit. Hier begegnet man aufs Schönste der philosophischen Erzähllust die Franzosen, mit der sie auch verstaubte Historie zu erquickendem neuem Leben erwecken – jenseits ihrer Vorlieben für kulinarische Vergötterungs-Rituale.
Faszinierend: Hospital aus der Barock-Zeit

Das Musée Hôtel-Dieu, ein bestens erhaltenes Hospital aus der späten Barockzeit, entführt seine Besucher auf dramatische Weise zurück in längst vergessene Zeiten: als schwer erkrankte Menschen noch in Gemeinschaft vieler anderer Patienten ihren Weg zur Heilung fanden–stets mit Blick auf die Reliquien der Kirche.
In der Mitte des einst eiskalten kirchlichen Spitals spendete ein riesiger Ofen etwas Wärme.

In geduckten kleinen Betten-Nischen lagen die von schwerer Krankheit Geplagten hinter ihren offenen oder zugezogenen Vorhängen. Direkt über ihnen ragten die sakralen Kapellen-Bögen in den Himmel. So standen sie stets unter göttlicher Regie. Die Pflege der oftmals vor sich hinsiechenden Gläubigen übernahmen so selbstlose wie unermüdliche Nonnen: ein Szenario, das heute als eine Utopie der Geschichte erscheint.
Historische Apotheke mit feinen Fayencen

Oceana Nommay, die Kulturbeauftragte der Stadt, führt durch die historische Apotheke des Hospitals. Nomen es Omen: Oceana’s Namen inspiriert im tiefen Burgund nicht nur imaginäres Meeresrauschen, sondern auch das Gedenken an Pilger, die auf ihrem erschöpfenden Weg im Zeichen der Jakobsmuschel nach Louhans zur Genesung kamen.

Anstatt Pillen gab es für sie Naturmedizin aus Fayence-Töpfen, deren andalusisch-maurische Keramikkunst noch heute fasziniert. Auf antiken Holzregalen sind aus Nevers/Burgund auch Gefäße in Porzellanblau zu sehen. Wer in Louhans dann ein paar Straßen weiter das Museum für Druckkunst besucht, nimmt weitere wichtige Lektionen mit – für unser ach so modernes heutiges Leben.
Lehrreiches Museum für Druckkunst
Das Musée de l’Imprimerie ist Teil einer nachhaltigen Tourismus-Strategie in der Region Bourgogne Franche-Comté. Es liegt an einer regionalen Rad-Route und trägt als Écomusée das Qualitätssiegel Accueil Vélo. Mit seinen so überraschend wie lebensnah präsentierten Exponaten zeigt es die packende Geschichte der lokalen Zeitung L’Indépendant. Die ist für jeden Besucher übertragbar auf die heimischen Blätter der eigenen Region.

In Museum für Druckkunst wird lokale Geschichte mit philosophischem Esprit erfrischend neu ausgeleuchtet – ein wenig im Stil der französischen Enzyklopädisten des 18. Jahrhunderts. Heute gelten Geistesgrößen der Aufklärung wie Denis Diderot und Jean-Jacques Rousseau als eine Art Vorreiter emotionalen Storytellings unserer Zeit.

Wie schnell sich die Künstliche Intelligenz als Lügengespenst entpuppen kann, fällt einem wie Schuppen von den Augen, wenn man im Museum der Druckkunst vor den historischen Zeugnissen menschlicher Kreativität steht. Das heute noch gewohnte Zeitungspapier-Rascheln gehört wohl bald der Vergangenheit an; und Gutenbergs Druckerpresse, erfunden um 1450, ist dann nur noch ein Meilenstein in Richtung Digitalisierung.

Mit Blick auf alte Druckmaschinen verwandelt sich der neue KI-Souverän vom alltäglichen Diener zum unersättlichen Vielfraß: Verschlingt er all unser so schön Erdachtes gigantisch schnell – und tischt es uns, den eigentlichen Schöpfern, dann irgendwann als neue revolutionäre Erfindung auf?

Prost Mahlzeit – dämmert es einem urplötzlich in der alten Kulturregion Burgund, was technischer Fortschritt an Abgründen mit sich bringen kann. Spätestens bei einem erhellenden Glas Burgunder kommt dann vielleicht im Weinkeller von Louhans der rettende Vorsatz, die gerufenen KI-Geister einfach weiter mit menschlicher Schläue auszutricksen . . .
Tipps und Informationen zu Burgund
Allgemeine Informationen: www.burgund-tourismus.com

Tiefe Provinz vom Burgund: Etappe 2 von 3: Gemütliche kulinarische & kulturelle Erlebnisreise durchs Hinterland meist auf Landstraßen (route départementale). Erkundung der Gegend um das historische Städtchen Louhans mit seiner mittelalterlichen Kultur, Museen und der Arkaden-Promenade. Kulinarisch gekrönt vom Bresse-Huhn aus dem Burgund. Fokus auf das leckere Bresse-Huhn – als „Königin des Geflügels“ ein kulinarischer Schatz Frankreichs.

Anfahrt: Start von der Wein-Metropole Dijon (Ankunft Bahnhof, Schnellstraßen) in die ländliche Region Bresse, etwa anderthalb Stunden auf Landstraßen. Alternative Route via Lyon (Ankunft Flughafen, Autobahn), dann rund zwei Stunden über Schnellstraßen in die Bresse-Region.

Pays de la Bresse Bourguignonne – ein grünes Eldorado. Entspanntes Radfahren ohne steile Abschnitte bietet die Route Voie Verte-La Bressane, auf der man idyllische Landschaften erkundet. Kanu-, Kajak- oder Stand-Up-Paddle-Touren auf dem beschaulichen Fluss Seille.

Museen in Louhans: Barockes Hospital mit historischer Apotheke: Im Hôtel-Dieu Louhans wird man in einer spannenden Zeitmaschine ins 17. Jahrhundert zurückversetzt.
Museum für Druckkunst: Das Musée de l’Imprimerie bietet eine illustre detailreiche Chronik der Lokalzeitung L’Indépendant.

Übernachtung in Domizil aus 18. Jahrhundert: Das individuell geführte Drei-Sterne-Hotel Logis Hostellerie Bressane liegt 14 km außerhalb von Louhans. Es bietet ein exzellentes Restaurant mit regionaler Küche.

Buchtipp für Feinschmecker im Burgund: Kulinarische Reise mit feinen Rezepten: Burgund im Kochbuch von Hilke Maunder & Thomas Müller.
Die Recherche fand auf Einladung / mit Unterstützung der Tourismuszentrale Bourgogne-Franche-Comté statt. 
 
    Gabriela Greess
arbeitete auf Kuba. Das inspirierte sie, um später als Reisejournalistin und Autorin über Zigarren und Lifestyle aus aller Welt zu berichten. Die Romanistin hat ein Faible für spanisch- und französischsprachige Länder wie auch für hippe Metropolen.
 
 
		 
		 
		