Churfranken – Franken auf Höchstniveau

Entdeckungen in einer (fast) unbekannten Urlaubsregion

Churfranken
Eine Kostümführung in Chufranken, genauer zu „500 Jahre Bauernkrieg“ in Miltenberg, erweist sich als kurzweilige wie lehrreiche Erfahrung. – Foto: Sabine Ludwig / Mortimer Reisemagazin

Urlaub in Deutschland ist gefragt wie nie. Die meisten Reisenden wissen die Schönheiten Frankens zu schätzen. In Ober-, Unter- und Mittelfranken liegen idyllische Orte und Städte. Und guten Wein und schmackhaftes Bier aus typischen Hausbrauereien gibt es auch. Aber Churfranken? Wo liegt denn das? Der exotische Name hat sich schnell erklärt: Es besteht aus Regionen innerhalb der Landkreise Miltenberg und Aschaffenburg, die vom Odenwald und Spessart geprägt sind. Egal ob mit dem Auto, Rad, der Bahn, zu Fuß oder mit dem Motorrad, Churfranken ist trotz seiner Winzigkeit von 60 Kilometern Länge und 20 Kilometern Breite eine Reise wert.

Chur … was?

Churfranken
Die Abteikirche von Amorbach gilt als eine der beeindruckendsten Sakralbauten des deutschen Rokokos und auch als beliebter Storchennestplatz. – Foto: Sabine Ludwig / Mortimer Reisemagazin

Schaut man sich die vom Untermain durchzogene Gegend auf der Karte an, liegt sie im Norden von Bayern. „Churfranken, das ist Franken auf höchstem Niveau“, sagen die Einwohner. Und recht haben sie. Auch hier gibt es gute und beste Tropfen. Während Weißwein-Franken ganz anders ist, werden in Churfranken weltberühmte Spätburgunder kredenzt. Der Fränkische Rotwein-Wanderweg wird hier zum Begriff. Wanderer und Weinliebhaber können mit den Zielorten Großwallstadt oder Bürgstadt die 72 Kilometer lange Gesamtstrecke in bequemen Tagestouren erwandern, innehalten, probieren, einkehren, übernachten und weitergehen. Je nach Gusto, im schnellen, bequemen oder entschleunigenden Rhythmus.

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Das zu Beginn des 13. Jahrhunderts errichtete Templerhaus gilt als eines der ältesten und besterhaltenen Fachwerkgebäude Deutschlands. – Foto: Sabine Ludwig / Mortimer Reisemagazin

Die Geschichte Churfrankens ist beeindruckend. Schon im Mittelalter war die Region als Knotenpunkt wichtiger Handelsstraßen weltoffen und relativ wohlhabend. Kein Wunder, dass damit Begehrlichkeiten geweckt wurden. Weltliche und kirchliche Herrscher residierten in prächtigen Fachwerkhäusern, Klöster und Burgen. Amorbachs Stadtführerin Angelika Klingenmeier zeigt das zu Beginn des 13. Jahrhunderts errichtete Templerhaus im Ortskern als eines der ältesten und besterhaltenen Fachwerkgebäude Deutschlands. Ob es mit dem Templerorden in Verbindung steht, ist allerdings nicht nachweisbar.

Die Kapelle Amorsbrunn mit dem Christopherus-Gemälde. – Foto: Sabine Ludwig / Mortimer Reisemagazin

Die nahe Abteikirche ist das Herzstück des um das Jahr 730 gegründeten und 1803 säkularisierten Benediktinerklosters Amorbach. Die Abteikirche gilt als eine der beeindruckendsten Sakralbauten des deutschen Rokokos, hier befindet sich auch eine der größten Barockorgeln Europas. Klingenmeier deutet auf das Chorgitter zwischen Mönch- und Laienkirche. Für verwöhnte Ohren gibt es jeden Sonntag um 15 Uhr ein Orgelvorspiel als Klangerlebnis.

Lindenbergs Sonderzug

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Udo Lindenberg und der Sonderzug nach Pankow. – Foto: Sabine Ludwig / Mortimer Reisemagazin

Am Bahnhof auf Gleis 1 wird es wieder ganz weltlich. Denn hier trifft man auf Udo Lindenbergs Sonderzug nach Pankow. Tatsächlich haben es die Amorbacher Eisenbahnfreunde geschafft, die vom Panikrocker höchstpersönlich gestaltete Lok 218 212-9 in das Churfranken-Städtchen zu holen. „Lindenberg hat sie 2003 farblich gestaltet. Die Original-Beklebung leuchtet bis zum heutigen Tag“, betont Mitglied Sandra Schöpf stolz. Tatsächlich fuhr der Rockstar am Tag der Deutschen Einheit 2003 mit 450 Gästen in einem „Sonderzug“ symbolisch von Berlin-Friedrichsstraße zur Festveranstaltung in Pankow.

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Der Sonderzug wurde vom Panikrocker höchst persönlich gestaltet. – Foto: Sabine Ludwig / Mortimer Reisemagazin

Die einstige Benediktinerabtei liegt versteckt in den Hügeln außerhalb des Städtchens. Dominik Schmidt hat das klösterliche Kleinod mitten in der Corona-Zeit „blauäugig und gutherzig“ übernommen und trotz Wirtschaftskrise zu einem ambitionierten Restaurant und Hotel ausgebaut. Bewusste Abgeschiedenheit wird in den 24 Hotelzimmern des Schafhofes zelebriert. Komfort und Annehmlichkeiten wie einen Hubschrauber-Landeplatz, den Gewölbe-Weinkeller von 1524 und ein eigenes Trauzimmer gehören als Selbstverständlichkeit zum Angebot.

Mit Kinderwunsch nach Amorsbrunn

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Der Jesse-Altar in der Kapelle Amorsbrunn. – Foto Sabine Ludwig / Mortimer Reisemagazin

Ganz in der Nähe liegt die Kapelle Amorsbrunn. Legenden und Überlieferungen ranken sich um sie, denn dem Wasser der nahen Quelle wurden die unterschiedlichsten Heilwirkungen zugesprochen. Bis ins 20. Jahrhundert hofften kinderlose Frauen, durch ein paar Schlucke schwanger zu werden. Es kamen immer mehr Wallfahrerinnen und ihre Familien und das romanische Kirchlein musste im 16. Jahrhundert erweitert werden.

Mortimer-Reisemagazin-Mitarbeiterin Sabine Ludwig ist bereit, abzuheben…

Besucher bestaunen nicht nur den Jesse-Altar und das Christopherus-Gemälde von 1535 an der äußeren Chorwand, sondern auch die Sandsteinkanzel und die Mariensäule von 1720. Ins „Heilbad“ aus dem 16. Jahrhundert können sie gedanklich eintauchen. Aus dem Wunsch, auf dem Kraftort einst ein Kloster zu errichten, wurde nichts, da der Boden zu sumpfig war.

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Buchbar ist ein Rundflug über Churfranken ab Mainbullau. – Foto: Sabine Ludwig / Mortimer Reisemagazin

Der Heilige St. Gangolf ist Patron für Kindersegen und glückliche Ehen. Deshalb wurde er vor allem von den Frauen, die zu Amorsbrunn pilgerten, verehrt. Der Heilige Gangolf wird außerdem als Patron der Reiter und Pferde angesehen. Jährlich am zweiten Maiwochenende findet der St. Gangolfsritt mit anschließender Segnung der bunt geschmückten Reiter und Gespanne statt. Die berittene Prozession geht auf das 15. Jahrhundert zurück und soll eine Augenweide für die Besucher sein.

Wie es damals war …

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Miltenbergs Stadtführerin Dorothea Zöller. – Foto: Sabine Ludwig / Mortimer Reisemagazin

An der Hand halten und einmal kräftig durchschütteln, weist Miltenbergs Stadtführerin Dorothea Zöller ihre Gäste an. Die sind erstmal verblüfft, folgen den Anweisungen und landen schließlich tief im Mittelalter zur Zeit des Bauernkrieges um 1523. Da kommt auch schon Götz von Berlichingen die Straße entlang, flankiert von einem Bettler. Zöller nimmt die Besucher mit auf eine kostümierte Zeitreise zu „500 Jahre Bauernkrieg“. In den malerischen Gassen der Churfranken-Metropole begegnen den Gästen bedeutende Persönlichkeiten jener Epoche. Die Miltenbergerin ist bekannt für ihre besonderen Kostümführungen und Zeitreisen. „Dieses Jahr ist es der Bauernkrieg“, erklärt Zöller ihre Idee. Genügend Mitstreiterinnen und Mitstreiter hat sie gefunden. Denen macht es viel Freude in historischen Kostümen das Leben von damals zu präsentieren,

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Chef der Faust-Brauerei: Johannes Faust. – Foto: Sabine Ludwig / Mortimer Reisemagazin

Nicht ganz so alt wie der Bauernkrieg ist das Brauhaus Faust im historischen Schwarzviertel der Altstadt. Pro Jahr werden in dem 1654 gegründeten späteren Familienbetrieb etwas über 60.000 Hektoliter Bier gebraut. Johannes Faust trägt heute in der vierten Generation die Verantwortung für das Unternehmen. Der Schwerpunkt liegt auf Braukunst mit Charakter. Ganz im Zeichen des Slow Food-Trends und Entschleunigung steht die Zertifizierung mit dem Slow Brewing Gütesiegel.

Whisky in NATO-Bunkern

Ehemalige NATO-Bunker bergen Schätze. – Foto: Sabine Ludwig / Mortimer Reisemagazin

Geheimnisvoll wird es bei einer Whisky-Verkostung in der St. Kilian-Destillerie in Rüdenau. Denn die führt die Besucher tief hinein in den Wald und das Außenlager, genannt St. Kilian Bunker City. Mystische NATO-Bunker aus der Zeit des Kalten Krieges werden für die Lagerung und Reifung von Whisky genutzt. St. Kilian produziert international prämierten Single Malt Whisky nach schottischer Tradition in unzähligen Holzfässern.

Whiskybrenner und Master Blender Mario Rudolf führt durch die Bunker. – Foto: Sabine Ludwig / Mortimer Reisemagazin

„Im 7. Jahrhundert christianisierten drei Mönche aus Irland Franken. Im Gepäck hatten sie das „Aqua Vitae“ – das Wasser des Lebens sowie eine Technologie zu dessen Herstellung“, kommentiert Whiskybrenner und Master Blender Mario Rudolf die Entstehungs-Legende. Die Klosterbrüder erreichten Rüdenau und vermischten den Trank mit dem Naß des Ottilienbrunnens, einer heilsamen Quelle, wo schon lange zuvor Wassergötter verehrt wurden. Heute werden die Mönche als die drei heiligen Frankenapostel St. Kilian, Kolonat und Totnan verehrt.

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Hier lagert Single Malt Whisky nach schottischer Tradition in Fässern. – Foto: Sabine Ludwig / Mortimer Reisemagazin

Irland wurde bereits früh christianisiert Im 6. Jahrhundert reisten irische Missionare bis in den Vorderen Orient. Unter Arabern entdeckten sie die Kunst der Destillation mit Hilfe von kleinen Kupferbrennblasen. Der daraus gewonnene Alkohol wurde mit Gewürzen, Kräutern und Blumen angereichert und diente als Parfüm. Die irischen Mönche tranken ihn und befanden das „Aqua Vitae“, wie sie die Flüssigkeit lateinisch nannten, als Medizin für Körper und Geist. Fortan mit diesem gewonnenen Wissen wurde in den Klöstern von Irland auf Kupferbrennblasen das Aqua Vitae gebrannt und verbreitet.

Die christliche Armenbibel

Überall warten charmante Straßen und Gassen. – Foto: Sabine Ludwig / Mortimer Reisemagazin

Wenige Kilometer entfernt in Bürgstadt gibt es mit der „Armenbibel“ ein christliches Kleinod vermutlich aus dem 10. Jahrhundert. Die Martinskapelle gilt als eine der ältesten Kirchen Frankens. Die Wandmalereien beinhalten Szenen der Martinslegende, Fresken aus dem Alten Testament sowie Bilder, die die Jugend und Passion Jesu darstellen. Für Menschen, die nicht lesen konnten, war die sogenannte Armenbibel ein beliebtes buntes Bilderbuch. Keine Frage, Churfranken ist nicht nur vielfältig,  sondern auch voller ganz besonderer Reiseüberraschungen.

Tipps für einen Kurzurlaub in Churfranken:

Der Schafhof gehört zu den empfehlenswerten Adressen in Churfranken. – Foto: Sabine Ludwig / Mortimer Reisemagazin

Informationen: www.churfranken.de

Rundflüge über Churfranken: info@churfranken.de

Hotel- und Restaurant-Tipps: Landhotel & Restaurant Der Schafhof in Amorbach; Stangs Küche mit Restaurant und Biergarten in Amorbach; Gleis 1, Gaststätte mit Blick auf die Lindenberg-Lok in Amorbach; Landhotel Adler in Bürgstadt; Faust Braustuben und Biergarten in Miltenberg

Sabine Ludwig

ist deutsche Journalistin und Reiseautorin. Sie hat mehrere Bücher veröffentlicht und war als Kriegsberichterstatterin in Afghanistan, Südsudan, Irak und Mali. In ihrer Freizeit widmet sie sich neben diversen Sportarten ihrem Blog sl4lifestyle.com und ihrem Hund Brad. - Foto: Nicola Mesken