Jay-Festival – nichts für schwache Nerven

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Auf den ersten Blick wirken die Bußrituale des Jay-Festivals“ befremdlich. – Foto: Sabine Ludwig / Mortimer Reisemagazin

Es ist eines der größten Festivals im südthailändischen Phuket: Das „Tesagan Gin Je“, kurz „Jay“ oder auch „Nine Emperor Gods Festival“ genannt. Seine außergewöhnlichen Prozessionen werden in ganz Thailand, doch vor allem im Süden, einmal im Jahr gefeiert. Hier wird der Vegetarismus über neun Tage friedlich zelebriert. Doch der Besuch ist nicht für alle geeignet, denn Bußrituale mit Selbstverletzungen können irritierend wirken.

Bußrituale und Feuerläufe

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Es fließt kein Blut. Schmerzen scheinen die Pilger nicht zu haben. – Foto: Sabine Ludwig / Mortimer Reisemagazin

Während der Feierlichkeiten verwandelt sich die thailändische Insel Phuket in ein farbenprächtiges Fest aus Lichtern, Düften und pflanzlichen Genüssen. Jährlich ausgerichtet im neunten Monat des chinesischen Mondkalenders verzichten Menschen für neun Tage bewusst auf tierische Produkte und nehmen an teils barbarischen Ritualen zur Reinigung von Körper und Seele teil. Junge Männer und zunehmend auch Frauen bohren Schwerter und Zangen durch ihre Wangen und folgen damit dem Prozessionszug durch die Straßen der Inselmetropole. Das alles dient dem Vegetarismus und seiner spirituellen Bedeutung: Dazu gehören Körperreinigung und spirituelle Rituale, wie sich in Trance versetzen zu lassen.

Auch immer mehr Frauen unterwerfen sich den Bußritualen. – Foto: Sabine Ludwig / Mortimer Reisemagazin

Die Beteiligten, Mah Song und als Medien der Götter benannt, lassen sich bereitwillig fotografieren und genießen es, mit wagemutigen Aktionen im Mittelpunkt zu stehen. Auch Feuerläufe gehören dazu. Zuvor werden sie in den umliegenden taoistischen Tempeln in Trance versetzt, um die Prozedur der Backen-, Lippen- und Zungen-Penetrationen schmerzfrei auszuhalten. Damit sollen ihnen Gottheiten wie Yok Ong Hong Tae und Kiew Ong Tai Tae als Wächter des Festes Superkräfte verleihen und ihnen nahe sein. Weder fließt Blut noch zeigen die religiösen Pilgerinnen und Pilger Symptome von Schmerzen.

Weder Alkohol noch Sex

Schreine, Hausaltäre aber auch Früchte werden in den Tempeln gesegnet. – Foto: Sabine Ludwig / Mortimer Reisemagazin

Die Holzstatuen der Götter werden geehrt und durch die Straßen getragen. Das Entzünden von Feuerwerkskörpern, Böllern, laute Trommelmusik und rituelle Gesänge sollen böse Geister vertreiben. Wie immer haben sich Zuschauer, die meisten von ihnen chinesischen Ursprungs, aus der ganzen Welt versammelt. Gläubige bringen Schreine, Hausaltäre und Früchte zu den Tempeln, um sie segnen zu lassen.

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Das Jay-Festival produziert massenweise kuriose Blickfänge. – Foto: Sabine Ludwig / Mortimer Reisemagazin

Jedes Jahr findet das Fest an neun Tagen im Oktober statt. Kein Fleisch, Alkohol oder schlechtes Benehmen sind erlaubt. Sex fällt auch darunter, weshalb pflanzliche Stimulatoren wie Knoblauch oder Zwiebeln während dieser Tage vom Speiseplan verbannt werden. Wer diese Regeln im neunten Mondmonat des chinesischen Kalenders befolgt, besitzt den Schlüssel zu guter Gesundheit und innerem Frieden. Glauben und Spiritualität sind damit die Eckpfeiler der Veranstaltung.

Wurzeln liegen im Dunkeln

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In den chinesisch-taoistischen Tempeln in Phuket wird das „Jay-Festival“ ausgiebig gefeiert. – Foto: Sabine Ludwig / Mortimer Reisemagazin

Gelbe Ballons und Fahnen mit roter Schrift hängen in der ganzen Stadt und auf dem Gelände der Tempel. Damit wird Besuchern gezeigt, wo sie unbesorgt, nämlich rein vegetarisch, essen können und somit keine Vorschriften verletzen.

Das Festival geht auf eine Legende zurück und zieht meist Besucher mit chinesischem kulturellen Hintergrund an. – Foto: Sabine Ludwig / Mortimer Reisemagazin

Bis heute sind die Ursprünge des Festivals ungewiss. Die Legende besagt, dass in der ersten Hälfte des 19. Jahrhundert eine wandernde chinesische Operngruppe in Phuket Station machte. Während ihrer Tournee soll das Ensemble an „Dschungelfieber“ (Malaria) erkrankt sein. Die Schauspieler und Sänger entschieden sich verzweifelt für eine strenge vegetarische Ernährung und beteten zu den Neun taoistischen Kaisergöttern, um Geist und Körper zu reinigen. Zu aller Erstaunen erholte sich die Operngruppe vollständig. Sie feierten, indem sie ein Festival abhielten, das dazu gedacht war, die Götter zu ehren und die Freude der Menschen über das Überleben einer im 19. Jahrhundert tödlichen Krankheit auszudrücken.

Weiß als beherrschende Farbe

Patrick ist extra aus Singapur angereist. Mit thailändischen Freunden besucht er das Festival. – Foto: Sabine Ludwig / Mortimer Reisemagazin

Diese Sage erklärt, warum das Festival zu einem spektakulären jährlichen Groß-Ereignis gewachsen ist, das Tausende von Teilnehmern aus China und anderen asiatischen Ländern anzieht. Auch Patrick glaubt fest an die Symbolik. Der Chinese aus Singapur ist extra angereist. Endlich konnte er sich den Besuch ermöglichen. Schon seit Jahren hat er darauf hin gefiebert. „Es ist schon etwas ganz Besonderes, an diesem Festival teilzunehmen, das sollte sich keiner entgehen lassen“, betont er. Flüge nach Phuket und Hotels in und um die Stadt sind an den Tagen des Festivals nur schwer zu bekommen. Patrick hat Glück gehabt und teilt seine Begeisterung mit thailändischen Freunden, die ihn begleiten. Sie alle tragen weiße Kleidung, mit prächtigen Emblems verziert.

Auch Kauuii ist ganz in weiß gekleidet. – Foto: Sabine Ludwig / Mortimer Reisemagazin

Kauuii aus Phuket weiß, warum die Farbe eine Bedeutung spielt: „Wir tragen weiß, da wir damit unsere Reinheit und den Respekt gegenüber dieser Tradition zum Ausdruck bringen. Eine der Regeln für die neuntägige Veranstaltung ist das Anziehen bestimmter Kleidung.“

Spezielle Festival Kleidung

Ein junges Paar hat sich gerade an einem Straßenstand eingekleidet und zeigt sich stolz im neuen Outfit. – Foto: Sabine Ludwig / Mortimer Reisemagazin

An den Straßenrändern bieten fliegende Händler entsprechende T-Shirts und Hosen an. Das Material ist billig, und so sind auch die Preise. Verziert sind die Hosen und Rückansichten der Shirts mit fantasievollen chinesischen Drachen, Göttern und Dämonen in grellen Farben. Patrick und Kauuii haben sich damit ausgestattet und wollen auch im nächsten Jahr wieder mit dabei sein. Für beide bedeutet das chinesisch-taoistische Fest einen Höhepunkt in ihrem spirituellen buddhistischen Jahresverlauf. Die Kleidung dazu haben sie ja bereits.

Das Ritual schmerzt manche schon beim Zugucken. – Foto: Sabine Ludwig / Mortimer Reisemagazin

Das nächste Vegetarische Festival findet vom 10. bis 18. Oktober 2026 statt. Die Haupt-Prozessionen sind dabei vom 15. bis 18. Oktober 2026. Weitere Informationen unter www.tourismthailand.org.

Jedes Jahr im Oktober steigt das faszinierende Jay-Festival. Gelbe Ballons und Fahnen weisen auf das vegetarische Festival hin. – Foto: Sabine Ludwig / Mortimer Reisemagazin

Sabine Ludwig

ist deutsche Journalistin und Reiseautorin. Sie hat mehrere Bücher veröffentlicht und war als Kriegsberichterstatterin in Afghanistan, Südsudan, Irak und Mali. In ihrer Freizeit widmet sie sich neben diversen Sportarten ihrem Blog sl4lifestyle.com und ihrem Hund Brad. - Foto: Nicola Mesken