
Fluss in Füssen mit vier Buchstaben? Der Lech bringt die Lösung. Und wo ist die einstige Wasserstraße im Ostallgäu, die vornehmlich für die Flößerei genutzt wurde, am schönsten? Natürlich am Wasserfall und für diese spektakuläre Sehenswürdigkeit bietet der König-Max-Steg die beste Aussicht. Hier am zwölf Meter hohen Lechfall ergießt sich der Fluss über die Staustufe in eine enge Klamm, um danach in einem breiten Bett an Füssen vorbeizufließen. In längst vergangenen Zeiten diente diese Wasserkraft der Hanfmühle, die sich unterhalb vom ehemaligen Benediktinerkloster St. Mang in unmittelbarer Nähe befindet. Das Kloster machte sich als wirtschaftliche Keimzelle und religiöses Zentrum einen Namen in der Geschichte der Stadt und beherbergt heute das Rathaus.

Der Besuch auf dem König-Max-Steg belohnt „sommertags eine frische Brise Vichy“, wie eine amüsierte Betrachterin kommentierte, die den dezenten Sprühregen sichtlich genoss. König Maximilian II. von Bayern (1848-1864) gab diesem Standort im Jahre 1853 seinen Namen. An diesem Wittelsbacher geht hier kein Weg vorbei, ebenso wenig wie an seinem Sohn, dem legendären Ludwig II., König von Bayern (1864-1886). Schließlich hinterließ der leidenschaftliche Schlossbauherr dem Freistaat unter anderem diese drei Prunkbauten: Neuschwanstein hier im Allgäu sowie die Schlösser Herrenchiemsee und Linderhof in Oberbayern. Diese architektonischen Meisterwerke wurden erst im Juli von der UN-Kulturorganisation UNESCO mit dem Welterbesiegel geadelt.
Zwischen Schlossblick und Geigenbau

Apropos Aufstieg. Der Weg ist das Spiel. Zum Warming up oder Eingrooven auf die Berge und weiteren angedachten Outdooraktionen lädt der Kalvarienberg gerade zu ein. Nein, nicht als Gang nach Golgatha gedacht. Vielmehr, um auf der Gipfelplattform in etwa 1.000 Meter die fantastische Rundumsicht zu genießen. Da grüßen St. Mang und das Hohe Schloss aus dem Norden, während das Alpenvorland mit dem Weißensee, dem Hopfensee und dem Forggensee trumpft. Im Osten prominieren die Königsschlösser Neuschwanstein und Hohenschwangau sowie der Schwansee, Tegelberg, Hohen Straußberg und Säuling. Der Westen bietet bei Vils den Blick auf den renaturierten Lech und die Tannheimer Berge. Tief durchatmen, die gute Luft genießen und an der stillen Begeisterung erfreuen.

Weniger bekannt als das Märchenschloss Neuschwanstein, aber deshalb nicht minder interessant ist die Tatsache, dass Füssen mit einer langen und stolzen Geschichte in der Kunst des Lauten- und Geigenbaus aufwarten kann. Die erste Lautenmacherzunft Europas gründete sich hier bereits im Jahre 1562. Die hiesigen Bergwälder lieferten hochwertige Hölzer wie Eibe, Fichte und Bergahorn, die nicht nur über den Lech geflößt wurden, sondern auch erstklassiges Material für die Mittelalterinstrumente lieferten.
Saiteninstrumente mit Geschichte

Die alte Römerstraße Via Augusta, die von Italien nach Deutschland führte – unter anderem durch Füssen und den Forggensee – bot sehr gute Handelsbedingungen und sorgte dafür, dass die kunstvoll gefertigten Lauten und Gitarren in Europa bekannt wurden. Der Zunftzwang hatte allerdings auch zur Folge, dass viele Meister auswanderten. Es heißt, dass im 16. und 17. Jahrhundert zwei Drittel aller Lautenmacher in Venedig und Padua Füssener Abstammung waren. Da lohnt sich in jedem Fall der Blick auf die Sammlung der historischen Saiteninstrumente, die es im Museum der Stadt – im ehemaligen Kloster St. Mang – nicht nur zu sehen, sondern deren ungewöhnlichen Klänge es hier auch zu hören gibt.

Eingebettet in 1.000 Abteigeschichte ist die Klosterbibliothek sowie das darunter angeordnete Refektorium. Spannend und originell: Der Speisesaal ist durch eine Öffnung in der Mitte des Raumes von oben einsehbar.
Wunderbar wanderbar

Wenn der Berg ruft, wollen Wanderschuhe und -stöcke in den Einsatz gebracht werden. Nordlichter und Flachlandtiroler tun gut daran, sich erfahrenen Bergführern anzuschließen oder sich zumindest von ihnen beraten zu lassen. Zeigt die Realität doch schon mal, dass Ambition und Kondition nicht unbedingt im ausgeglichenen Verhältnis stehen. Vernünftige Ausrüstung, Kondition und Erfahrung sind Voraussetzung für eine erfolgreiche, anspruchsvolle Wanderung ebenso „wie Vernunft, Stärke und der Mut, auch mal umzudrehen“, erklärt Bergwanderführer Stefan Fredlmeier, der sich hier bestens auskennt. „Der Berg fordert Demut und Respekt!“ Die Botschaft ist klar: Vernunft muss hier ganz klar das Risiko dominieren.

Ist‘s allesamt beherzigt, geht’s den Berg nauf. Über Stock und Stein, Gipfel und Grate. Die Wandertrilogie Allgäu umfasst 876 Streckenkilometer in drei Höhenlagen quer durch das Allgäu. Gut konditioniert ist ein Abschnitt der Wasserläuferroute, etwa von Pfronten nach Füssen (Etappe 7), machbar. Aber Achtung: Hier handelt es sich zwar „nur“ um etwa 17,2 Kilometer, allerdings dürfen die zu bewältigenden Höhenmeter, Aufstieg: 860 Meter und Abstieg 780 Meter, nicht außer Acht gelassen werden. Kein Spaziergang also. Der Bergweg mit seinen Herausforderungen gehört jedenfalls schon in die Kategorie mittelschwer.
Deutschlands höchst gelegene Burgruine

Die Burgruine Falkenstein grenzt an Tirol und liegt auf 1.277 Metern Höhe. Sie trägt den Titel „Höchste Burgruine Deutschlands“. Hier ist dann auch mal Pause mit zünftiger Brotzeit und ein wenig verschnaufen angesagt. König Ludwig II. wollte sich hier oben seinen letzten Traum verwirklichen und ein Schloss – größer als Neuschwanstein – errichten. Sein früher Tod 1886 machten diese Pläne allerdings zunichte.

Auch der Abstieg zum Alatsee fordert eine gewisse Ausdauer und Beharrlichkeit. Das Etappenziel erreicht, kommt „Maria Hilf“ sehr gelegen, die auf ihre Weise diesen Wandereinsatz zu loben weiß. Eine kühle Bügelflasche aus dem gleichnamigen Sudhaus verbreitet mit seinem hellen Lagerbier, der „Maria Hilfer Erleuchtung“, gute Laune und schafft Hoffnung auf selbige.
Strampeln mit Schlossblick

Dagegen lassen sich die 42 Kilometer der „Burgen- und Schlösserrunde“ mit ihren 380 Höhenmetern, und vor allem mit dem E-Bike, ganz locker bewältigen. Die drei Königschlösser Neuschwanstein, Hohenschwangau sowie das Hohe Schloss und vier Burgen liegen auf dieser abwechslungsreichen Route ebenso wie das Dreieck Bayern, Tirol und Hochstift Augsburg. Es radelt sich recht entspannt durch diese reizvolle und abwechslungsreiche Landschaft, geprägt von Bergen, Seen und Wäldern.

Da bleibt am Abend noch Zeit und Muskelkraft für eine angenehme Abkühlung. In Füssen und um Füssen herum gibt es 13 Badeseen. Unter ihnen – der Forggensee – als größter Stausee Deutschlands. In den 1950er Jahren durch die Stauung des Lechs entstanden, dient er der Stromerzeugung und dem Hochwasserschutz und im Sommer der Naherholung. An seinem Ufer gaben sich bereits Großmeister wie Sting und Simply Red die Ehre, bei Open-Air-Konzerten vor dem Festspielhaus Neuschwanstein. Zum Perspektivwechsel und zur absoluten Krönung des Abends gehört in jedem Fall eine romantische Kanutour bei Sonnenuntergang. Wenn die Abendstunden den See in ein ganz besonderes warmes, goldenes Licht setzen, ergibt sich eine fantastische Atmosphäre, die es in voller Gänze zu genießen gilt. Fotos, mit denen diese einzigartigen Momente eingefangen werden, fordern ganz sicher anschließend keinerlei Effektfilter. Einfach nur traumhaft.

Ein Trip nach Füssen? Also bei weitem kein Gang nach Golgatha! Eher eine Reise, die die Erleuchtung mit sich bringt, dass die drittgrößte Stadt des Ostallgäus und die Region drumherum ein Mekka an Möglichkeiten, mit vielfältigen und erlebnisreichen Genussmomenten, bietet. Weitere Informationen unter www.fuessen.de.
Buchtipp für den Lechweg
Rund 125 km lang folgt der österreichisch-deutsche Lechweg dem Verlauf des Flusses Lech, von der Quelle bei Lech am Arlberg bis zum Lechfall bei Füssen im Allgäu. Mortimer Reisemagazin-Redakteur Karsten-Thilo Raab beschreibt gemeinsam mit Ulrike K. Peters den Weg in ihrem praktischen wie handlichen Wanderführer Lechweg auf insgesamt 160 Seiten.
Ein Infoblock zu jeder Etappe enthält Angaben zu Weglänge, voraussichtlich benötigter Zeit, Höhenmetern und Infrastruktur entlang des Weges, ein kurzer einleitender Text stellt die Highlights der jeweiligen Etappe vor. Im Anschluss folgt eine detaillierte Wegbeschreibung, die durch Kartenskizzen und Höhenprofile ergänzt wird. Informationen zur Region und zur Geschichte des Weges und praktische Tipps zu Themen wie Anreise, Gepäcktransfer oder Reisezeit runden den Wanderführer ab. Erhältlich ist der Wanderführer Lechweg (ISBN 978-3-86686-420-7) für 12,90 Euro im Buchhandel oder direkt beim Conrad Stein Verlag.

Mortimer
Seit dem Jahr 2011 berichtet das Mortimer Reisemagazin tagtäglich in Wort, Bild und teilweise mit Videos aus der Welt des Reisens. Mehr als 8.000 Beiträge über Destinationen aus allen Teilen der Erde stehen für Interessierte mittlerweile kostenfei bereit.