Massenfußball, Kinderwagen- und Matsch-Rennen

Matlock RaftingWie der Tannenbaum, der obligatorische Truthahn und die Geschenke gehören Spaßevents für viele Briten zu einem perfekten Weihnachtsfest. Nur für echte Kerle und die Härtesten der Harten ist beispielsweise das Peter Pan Cup Swimming Race am ersten Weihnachtstag im Londoner Hyde Park. Kaum hat Father Christmas, wie der Weihnachtsmann auf der britischen Insel heißt, seine Geschenke durch den Kamin gebracht, da stürzen sich ab 9 Uhr morgens Wagemutige für den wohltätigen Zweck in die eisigen Fluten der Serpentine, des künstlichen Sees inmitten der königlichen Grünanlage, und legen nur in Badehose und Weihnachtsmütze bekleidet rund 100 Yards (rund 91 Meter) zurück.

Seit 1946 steigt jährlich am 2. Weihnachtstag das Pram Race in Pagham in der Grafschaft Sussex. Mit Erwachsenen als ausgewachsene Riesenbaby im Sitz eines liebevoll verkleideten Kinderwagens müssen die kostümierten Teilnehmer die fünf Kilometer lange Streck zwischen der Mühle und dem Parkplatz The Lamb im Rennen gegen Zeit und Gegner absolvieren und dabei in allen drei Pubs entlang der Strecke ein Bier zu sich nehmen.

Peter Pan Cup, Copyright Serpentine Swimming Club (12)Völlig durchnässt kämpfen sich derweil die Starter des Raft Race in Matlock in der Grafschaft Derbyshie nach einer atemberaubenden Fahrt über den eisig-kalten River Derwent in Ziel. Mit phantasievoll gestalteten Flössen geht es auf die rund sieben Kilometer lange Strecke im Wettbewerb gegen die Uhr, die Konkurrenten und das nasse Element. Spätestens an den Stromschnellen des Matlock Weir machen die Starter dann Bekanntschaft mit dem Flusswasser, wenn Teilnehmer, nach Teilnehmer in die Fluten des Derwent plumpst.

Ein Fußballspiel der anderen Art wird am 2. Weihnachtstag in Waltham Cross in der Grafschaft Hertfordshire angepfiffen. Beim Bakers and Sweeps Floor and Shoot Football Massacre wird seit mehr als 100 Jahren Fußballanarchie ausgelebt. Regeln sind quasi nicht existent. Die Torhüter müssen sich die Augen verbinden, die Torpfosten sind beweglich und in der Halbzeit müssen alle Spieler Bier trinken. Zudem ist der Ball so groß wie ein Medizinball. Bei dem Spieler zwischen „Bäckern“ und „Straßenfegern“ werden alle Beteiligten inklusive des Schiedsrichters regelmäßig mit Mehl oder Staub überschüttet. Das Spiel ist zu Ende, wenn der Referee keine Lust mehr hat, eingepudert zu werden, oder einfach nur nach Hause möchte.

Ba' Game, Foto Visit BritainAuch in Kirkwall auf den Orkney Inseln frönen die Insulaner am Weihnachtstag einem wilden und chaotischen Ballspiel, bei dem scheinbar jeder gegen jeden kämpft. Beim Ba’ Game gibt es kaum feste Regeln. Nicht von ungefähr verbarrikadieren Geschäftsinhaber die Schaufenster und Türen ihrer Ladenlokale mit dicken Holzplatten. Denn es kommt durchaus vor, dass Spieler Abkürzungen durch Kneipen, Häuser, Vorgärten und sogar über Dächer nehmen. Nur die St. Magnus Cathedral gehört nicht zum Spielfeld. Ansonsten wird das ganze Stadtgebiet miteinbezogen. Und für den Laien sind auch die beiden kontrahierenden Mannschaften nicht zu unterscheiden, denn sie tragen keine einheitlichen Trikots. Was jedoch angesichts von bis zu 300 Spielern überaus hilfreich wäre.

Britannia Kuriosa, Coverbild, Copyright Westflügel Verlag Bei den Spielern selber wird vorausgesetzt, dass sie wissen, wer zu ihrem Team gehört. Gut zu sehen ist der Ball eigentlich nur zu Spielbeginn, wenn die Kugel in die Menge geworfen wird. Danach taucht der Ba’ in der Masse unter. Nur die Richtung, in die sich das Gros der Spieler bewegt, lässt vermuten, wo sich der Ball gerade befindet. Das Spielerknäuel schiebt sich oft stundenlang – auch nach Einbruch der Dunkelheit – durch die Straßen und Gassen von Kirkwall. Als Tore dienen eine Häuserwand und das Hafenbecken. Beide liegen rund 1,6 Kilometer auseinander.

Allgemeine Informationen: Visit Britain, Dorotheenstraße 54, 10117 Berlin, Telefon 01801-468642 (Ortstarif), www.visitbritain.de

Literaturtipp: Ulrike Katrin Peters, Karsten-Thilo Raab: Britannia Kuriosa – Die skurrilsten Veranstaltungen in Großbritannien, Westflügel Verlag, ISBN 978-3-939408-04-8

Ulrike Katrin Peters, Karsten-Thilo Raab: Oh, diese Briten, Conrad Stein Verlag, ISBN 978-3-86686-800-7