Klick, das Manhattan-Panoramabild oben vom Empire State Building ist im Kasten. Klick, Freiheitsstatue auch. Shoppen bei Macy’s, Time Square, ein Rundgang durch Tiffany, Relaxen im Central Park, „window shopping“ auf der Fifth Avenue. Das Drei-Tage-Pflichtprogramm für New York ist absolviert. Fehlt die Kür. Der Kick, die andere Tour, die nicht jeder macht. Sie beginnt in Lower East Side an der Kreuzung Bowery Street/Broome Street. Schmucklose Häuser mit Wandbildern, unzählige Fahnen mit chinesischen Schriftzeichen, Menschen aller Hautschattierungen, brüllender Verkehr in beiden Richtungen.
„Walk the Big Apple“ heißt das Abenteuer. Flinke Füße braucht man da und gute Turnschuhe. Entdeckt nur so die sinnliche Seite der Stadt, die im Sommer an jeder Ecke daran erinnert, dass sie südlich wie Neapel liegt. Zum Glück hat man schnell den Stadtplan mit den quadratisch angelegten Straßen und die U-Bahnlinien nach Uptown, Midtown, West Side oder Downtown im Kopf. Der Trick, New York zu genießen, ist: „let it go“, vergiss alle Regeln.
Ampel mit Vorschlagscharakter
In den Straßenschluchten gilt das Motto: Erlaubt ist alles, solange man nicht gestoppt wird. An der Ampel ist Rot für „stopp“ und Weiß für „gehen“ ein Farbenspiel, mehr nicht. Man geht, wenn die Straße frei ist. Einleuchtend, nicht? Time is money, Zeit ist Geld, man hat keine Zeit für unpraktische Verordnungen. Und hat man sich mal in den Quartieren verheddert, kommt sofort eine „helping hand“ auf einen zu – die Aufgeschlossenheit der New Yorker ist wohltuend.
New York ist die größte Ansammlung von Dörfern in der Welt, sagt man. Eingeteilt in fünf Bezirke, Boroughs genannt, die wiederum in viele kleine Stadtteile zerfallen. Getrennt oft nur durch eine Straße oder einen Häuserblock, unterscheiden sie sich häufig wie Tag und Nacht. In Manhattan gibt es rund zwei Dutzend Gemeinden, von Chinatown und Little Italy über SoHo, Chelsea bis nach Spanish Harlem. Sie schmecken und riechen und klingen immer ganz anders.
Abwechslungsreiches East Village
Das abwechslungsreichste unter den Dörfern ist Manhattans East Village. In seiner Völkermischung zwischen Delancy und 14th Steet, zwischen Broadway und East River ist es die große Stadt en miniature. Im alten jüdischen Viertel unterhalb der Houston Street stellen Händler Schuhe, Jacken, Koffer und Trödel vor ihre Läden. Auf der Second Avenue sind hebräische oder spanische Sprachfetzen zu hören. Ein Schild vor der polnischen Schlachterei preist hausgemachte Piroggen an. Ein paar Straßen weiter gibt es afrikanischen Schmuck und lateinamerikanische Handarbeit. Vor rosa oder türkis gestrichenen Bretterbuden sitzen Puertoricaner und trinken Rum, aus indischen Restaurants klingt sanfte Sitar-Musik, am Tresen eines ukrainischen Coffee-Shops träumen alte Männer von der Alten Welt.
In der Hauptstadt der Welt leben Menschen aus 180 Ländern – aus Kuba, Kambodscha, Iran, Botswana oder Brasilien; sie sprechen über 120 unterschiedliche Sprachen und haben die verschiedensten Götter. In ihrer Heimat mögen sie sich bekriegen, hier leben sie neben-, zuweilen sogar miteinander. Sie kamen und kommen, weil sie sich mehr vom Leben erhoffen.
Brooklyn als Hotspot
Für das ganz Heiße steht derzeit in New York: total Brooklyn. Manhattan war gestern. Kenner lieben Brooklyn am ganz frühen Morgen, wenn die ersten Sonnenstrahlen das Wasser des East Rivers streifen und man ohne Autogetöse über die fantastische Brooklyn-Bridge spazieren kann – mit der Manhattan-Skyline im Rücken. Superschnell, in zehn Minuten, fahren die U-Bahnlinien A und C ab Washington Square bis zur Station High Street in Downtown Brooklyn. In den 1980er Jahren noch Arbeiterviertel, verrufen und arm, ist es heute absolut angesagt. Immer mehr wollen fort aus dem teuren, trubeligen Manhattan. Die Gegend ist eine Art Prenzlauer Berg – auf amerikanisch. Viele Häuser, die „Brownstones“, sind aus rotem Sandstein gebaut, zwei, drei Etagen hoch. Treppenstufen führen zu den Hauseingängen. Ab Frühling sitzen die Bewohner und Nachbarn hier und plauschen.
Viele Geldgeber haben investiert, denn hier sind die kreativen Talente – Künstler, Medienmacher und Designer, neuerdings auch Jungunternehmer. Sie bringen ein neues Lebensgefühl mit: lässig, ökologisch, dynamisch. „Dumbo“, das sich unterhalb der Brooklyn-Bridge ausgebreitet hat, war früher ein Bestand alter Lagerhallen, heute ist es voller Lofts, Cafés, Bistros, Restaurants. Und einen Spitznamen haben die Straßenzüge schon längst: Silicon Alley.
Trendiges Williamsburg
Spaziert man am East River an der Manhattan Bridge vorbei Richtung Norden, liest man auf einer wuchtigen Sandsteinfassade „Public Bath“. Früher ging man hier duschen, heute ist es ein Schwimmbad mit Fitness-Center. Das passt, denn inzwischen ist Williamsburg zum Trendviertel für reiche New Yorker geworden. Sie bauen sich alte Lagerhäuser zu schicken Großraum-Wohnungen in bester Lage um: nah am Wasser und vor allem nah am Büro – von hier bis nach Midtown sind es gerade mal zwei, drei U-Bahnstationen. Glastürme mit außergewöhnlicher Architektur „wachsen“ aus dem Flussufer, entlang der Bedford Avenue hat sich ein cooles Szeneviertel etabliert. Ein paar Blocks weiter Menschen in schwarzen Mänteln und Filzhüten, unmodische Hornbrillen, Rauschebärte und Löckchen neben den Ohren. Ein jüdisch-orthodoxes Viertel mitten in Williamsburg. Samstags ist hier kein Leben, kein Autoverkehr, sind alle Läden dicht: Sabbat! In Bedford-Stuyvesant wäre noch Arabien, das muslimische Viertel. Doch wir drehen ab auf die Linie M zum Park auf der New Yorker High Line.
Den Abriss der vergammelten ehemaligen Hochbahn-Trasse in West Chelsea aus 1934 haben Nachbarn verhindert. 1980 fuhr der letzte Zug vom Meatpacking District zu den Lagerhäusern – an Bord gefrorene Truthähne. Das Parkprojekt auf der Strecke konnte umgesetzt werden. Zwischen Himmel und Erde wie in einem Science-Fiction-Film kann man vom Whitney Museum 2,5 Kilometer bis zur 30th Street durch Grün und Weitblicke flanieren. Futuristische Wolkenkratzer und Luxuswohntürme machen die ehemalige Hochbahn zu einer Schlucht aus Glas und riesigen Displays. Die Schienen sind vielerorts geblieben, dazwischen blühen Astern, Petunien und Goldruten, führen Wege und stehen Bänke, begeistern wechselnde Kunstobjekte und eröffnen Panoramablicke etwa über den Hudson River bis nach New Jersey auf der anderen Seite.
Kleiner New York-Koller
Irgendwann kommt er, der New York-Koller. Dann ist alles zu laut, zu chaotisch. Schnell in die U-Bahnlinie 7 ab 34th Street/Hudson Yards zum Time Square. Wir wollen auf die lange nicht zugänglich gewesenen Aussichtsterrassen des Rockefeller Centers, zum „Top of the Rock“ auf 270 Meter. Die Terrassen krönen den vom Ölmilliardär John D. Rockefeller im Art-Deco-Stil erbauten Riesenkomplex von 19 Wolkenkratzern. Von da oben in der Dämmerung: Manhattans Skyline in allen vier Richtungen.
Tipps für Schnellstarter nach New York
Anreise: Preisewerte Flüge nach New York bietet Norse Atlantic Airways von vielen europäischen Airports ab 147 Euro an.
Reiseliteratur: Dumont Reise-Taschenbuch New York – überraschend anders; mit ungewöhnlichen Adressen, stylisch und umweltbewusst. Ergänzt mit einem kleinen, unterhaltsamen Reisefeuilleton zum Preis von 19,95 Euro.
Freizeit: Empfehlenswert ist für New York der CityPASS mit drei verschiedenen Inhalten (max. zehn Attraktionen) gültig jeweils für neun Tage unbegrenztes Sightseeing. Ideal für Erstbesucher, die die ganze Stadt erkunden wollen. Ergänzend dazu empfiehlt sich eine Metro-Card. Broadway-Musical-Tickets sowie Karten für die Metropolitan Opera sind unter www.broadwaycollection.com erhältlich.
Hotel: Moxy Lower East Side Hotel, 145 Bowery, New York, NY 10002, mit 300 cool designten Zimmern in strahlenden Farben im trubeligen Downtown. Beliebt und belebt sind die Rooftop-Bar, das japanische Restaurant Sake No Hana, der unterirdische Club, die Klavierlounge; Preise ab 199 Dollar pro Nacht.
Die Recherche fand auf Einladung / mit Unterstützung von Hill & Knowlton statt.
Der aktuelle Buchtipp für New York Liebhaber
Keine Frage, Der Seebestatter von Brooklyn von Thomas W. Schmidt hat alles, was einen packenden Kriminalroman ausmacht: New York – Sophia Stone, die charismatische Firmeninhaberin von Stone-Antiquitäten wird tot aufgefunden, und zwar eher zufällig beim Angeln im East River. Am Körper der Leiche findet man ein Bekennerschreiben. Laut Inhalt handelt es sich dabei um einen Mord mit islamistischem Hintergrund. Die Täter unternehmen alles, um dies als Tatbestand zu deklarieren und gegenüber der Bevölkerung öffentlich zu machen. Handelt es sich wirklich um eine islamistisch motivierte Tat oder wollen die Mörder nur vom eigentlichen Motiv ablenken?
Dann geschehen weitere Morde im Charakter einer Hinrichtung. Auch hier tauchen ähnliche Bekennerschreiben auf. Die Zweifel an einem religiös motivierten Hintergrund schwinden. Die Ermittler haben jedoch allen Grund, die genauen Umstände der Morde sowie die Inhalte der Bekennerschreiben intern zu behandeln, um den Frieden zwischen den New Yorker #Muslimen und der einheimischen Bevölkerung zu bewahren. Undercover-Ermittler Amin Antun ist selbst Muslime. Gemeinsam mit Anthony Brown, einem ehemaligen Polizisten, der ebenfalls verdeckt ermittelt, nimmt er sich der dubiosen Fälle, die irgendwie zusammen zu hängen scheinen, an. Er verwahrt sich mit Nachdruck dagegen, dass seine Glaubensbrüder belastet werden sollen …
Erhältlich ist der 176 Seiten strake Kriminalroman Der Seebestatter von Brooklyn (ISBN 978-3-939408-33-8) von Thomas W. Schmidt für 11,99 Euro im Buchhandel oder versandkostenfrei direkt beim Westflügel Verlag.
Katharina Büttel
lebt und arbeitet als freie Reisejournalistin in Berlin. Über 30 Jahre reist sie für ihre Reportagen und Fotos um die Welt – seit vielen Jahren veröffentlicht sie auch im Mortimer-Reisemagazin.