
Unweit der berühmten Bastille in Paris findet sich auf einer ehemaligen Bahntrasse mit dem „Viaduc des Arts“, dem „Viadukt der Künste“, ein spektakulärer Hochgarten, der auch als Vorbild für den ungleich berühmteren High Line Park in New York diente.

„Auch wenn heute nichts mehr zu sehen ist, wurde hier wurde eines der wichtigsten Kapitel unserer Geschichte geschrieben“, weiß Laurent Guignon mit Blick auf den weitgehend gesichtslosen Place de la Bastille zu berichten. Der heute von einer geschäftigen Straße und der neuen Oper gesäumte Platz im Herzen der französischen Hauptstadt Paris beheimatete dereinst eine befestige Stadttorburg, die Bastille, die später als Staatsgefängnis genutzt wurde.
Sturm auf die Bastille
Obschon dieses Fleckchen mit dem legendären „Sturm auf die Bastille“ am 14. Juli 1789, der als Beginn der Französischen Revolution gilt, Eingang in die Geschichtsbücher fand, ist hier heute tatsächlich von der historischen Bedeutung nicht mehr viel zu spüren. Lediglich ein paar metallene Punkte auf dem Boden markieren, von den Passanten fast unbemerkt, den Grundriss der legendären Bastille.

In der Mitte des Platzes erhebt sich die 52 Meter hohe Julisäule. Die im Jahre 1840 errichtete „Colonne de Juillet“, soll an die dreitägige Julirevolution von 1830 erinnern, die zum Sturz von König Karl X. und zur Einsetzung des „Bürgerkönigs“ Ludwig Philipp führte. Ganz oben auf der Kupfersäule thront eine knapp sechs Meter große Blattgold-Figur, die den „Geist der Freiheit“ darstellt und die „gerissene Kette der Tyrannei“ in die Höhe hält.
Stillgelegte Bahntrasse

„In die Säule sind in Gold die Namen der 504 Opfer des Aufstands eingraviert“, blättert der 53-jährige Guignon, der sich als Streiter für die Fahrradkultur in der Millionenmetropole an der Seine und als Ökologe einen Namen gemacht hat, verbal weiter ein wenig im Geschichtsbuch. Fast im gleichen Atemzug wechselt er galant das Thema: „Dort, wo seit 1989 die Opéra Bastille steht, war früher mit dem Gare de la Bastille ein Kopfbahnhof zu finden.“

Das ausgediente Bahnhofsgebäude wurde im Jahre 1984 dem Erdboden gleich gemacht, geblieben ist aber ein Teil der Bahnstrecke, die von 1859 bis 1969 die Paris mit Marles-en-Brie im Südosten der französischen Kapitale verband. Vom Gare de la Bastille verlief die Trasse parallel zur Avenue Daumesnil auf einem Viadukt. Getragen wurde (und wird) diese von 71 Gewölben aus rotem Ziegel und zwei Metallbrücken, während die Bahntrasse selber zum „Viaduc des Arts“ mit Hochgarten umgebaut wurde.
Promenade mit Parkcharakter

„Die Gewölbebögen wurden ab 1989 zu rund 50 Ladenlokalen umgebaut, die Schienen rausgerissen und die einstige Bahntrasse auf dem Viadukt in eine bepflanzte Promenade mit Parkcharakter umgewandelt“, schwärmt Guignon von der Pionierleistung des Landschaftsarchitekten Philippe Mathieux und Jacques Vergely. Eine Blaupause dieser städtebaulichen Besonderheit sei der im Jahre 2014 eröffnete High Line Park in New York, so der hagere Franzose mit dem gräulich melierten Haar weiter.

Das Viaduc des Arts erweist sich heute als eine knapp neun Meter breite, langgezogene grüne Oase, von der aus sich immer wieder Blicke in die unmittelbar angrenzenden Häuser eröffnen. Entlang der bepflanzten Promenade oberhalb der Gewölbebögen säumen nicht wenigen als 300 Pflanzenarten den Weg.
Kunst und Pflanzenpracht

Angelegt ist der weltweit erste erhöhte Parkwanderweg, der ursprünglich den Namen „Promenade plantée“ trug, als linearer Freiraum mit Pergolen, berankten Torbögen, Bambushainen und großzügigen Staudenbeeten auf rund zehn Metern über dem Straßenniveau. Die üppige Bepflanzung sorgt zugleich dafür, dass das Gros des Lärms der stark befahrenen Avenue Daumesnil absorbiert wird. Geschickt integriert, finden sich entlang des Panoramawegs zudem zahlreiche Kunstwerke.

Einen zusätzlichen Reiz erfährt das 1.300 Meter lange „Viadukt der Künste“ durch die Tatsache, dass es nahtlos in einen gut 4,5 Kilometer langer Parkwanderweg, den Coulée verte René-Dumont, übergeht. Benannt wurde der Weg nach dem im Jahre 2001 verstorbenen, französischen Agrarwissenschaftler und Soziologen René Dumont, der als „Vater“ der grünen Partei Les Verts gilt. Die malerische Route verbindet die Route insgesamt vier innerstädtische Parkanlagen miteinander und führt nordöstlich der Porte Dorée bis an den Rand der Schnellstraße Périphérique.
Filmisches Denkmal

Filmische in Szene gesetzt wurden Viaduc des Arts und der Coulée verte René-Dumont übrigens i Jahre 2004 für den für den Oscar nominierten Kinofilm „Before Sunset“ mit Julie Delpy und Ethan Hawke in den Hauptrollen. „Seitdem ist der Weg leider nicht mehr ein ganz so großer Geheimtipp“, lacht Laurent, wohl wissend, dass sich nach wie vor nur wenigen Besucher auf den ungewöhnlichen Höhenweg südlich des Place de la Bastille begeben.
Wissenswertes zu Paris in Kurzform

Informationen: www.parisinfo.com
Anreise: Aus dem Westen Deutschlands verbindet der Eurostar täglich die Stationen Dortmund, Essen, Duisburg, Düsseldorf, Köln, Aachen, Lüttich, Brüssel und Paris bis zu fünfmal miteinander. Buchen lassen sich die Fahrten unter www.eurostar.com. Tickets in der Kategorie „Standard“ gibt es bereits ab 32 Euro pro Person, in der Comfort-Klasse ab 70 Euro und in der Premium-Klasse ab 135 Euro.

Fahrradverleih: In Paris finden sich überall im Stadtgebiet verteilt rund 1.400 Verleihstationen mit mehr als 30.000 Rädern, die über eine App gemietet und an verschiedenen Stellen im Stadtgebiet wieder abgestellt werden können. 24-Stunden-Tickets kosten 5 Euro. Informationen unter www.velib-metropole.fr.
Pariser Restaurant-Vielfalt

Essen & Trinken:
Le Plomb du Cantal, 3 rue de la Gaite, 75014 Paris, Telefon 0033- 1-43351692. Das Traditions-Restaurant ist bekannt für seine Aligot-Varianten
Douze, 2 Passage Emma Calvé, 75012 Paris, Telefon 0033-1-45312400, www.douze.paris. Wechselnde regionale und ökologische Produkte stehen auf der kleinen Speisekarte des Nachbarschaftsprojekts.

Creatures, 25 Rue de la Chau. d’Antin, 75009 Paris, www.creatures-paris.com. Dinner mit Aussicht auf den Eiffelturm, die Oper, und Sacre Coeur bietet das Restaurant auf dem Dach der berühmten Galeries Lafayette. Serviert werden vornehmliche vegetarische Gerichte und mediterrane Küche.
Les Bariolés de Maud, 8 Rue Saint-Bernard, 75011 Paris, www.lesbariolesdemaud.fr. Bekannt für eines der besten und kreativsten Brunch-Angebote der Stadt.
Sich betten

Übernachten: Ibis Paris Gare Montparnasse Catalogne, 7-11 Rue du Texel, 75014 Paris, Frankreich, Telefon 0033-(0)7 56 43 04 45. Empfehlenswertes Stadthotel in Montparnasse mit ordentlicher Ausstattung in einer ruhiger Straße nur wenige Minuten vom Bahnhof und der nächsten Metrostation entfernt. Doppelzimmer werden ab 120 Euro angeboten; für das Frühstück werden zusätzlich 13,80 Euro fürs Frühstück pro Person in Rechnung gestellt.


Karsten-Thilo Raab
berichtet seit mehr als drei Jahrzehnten für eine Vielzahl von Zeitungen und Magazinen über Reiseziele weltweit. Zudem hat er sich einen Namen als Autor von mehr als 120 Reise-, Wander- und Radführern sowie Bildbänden gemacht.