Bristol auf den Spuren von Banksy

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Nicht von ungefähr gilt Bristol als Hauptstadt der Streetart. – Foto: Karsten-Thilo Raab

Bristol treibt es im wahrsten Sinne des Wortes bunt. Zwar finden sich auch an anderen Orten rund um den Erdball Wandbilder und Graffitis, doch die Universitätsstadt im Südwesten von England reklamiert für sich, die heimliche Streetart-Kapitale der Welt zu sein. Nirgendwo sonst soll die Straßenkunst an Hausfassaden, Wänden und Mauern derart stark verbreitet sein wie in der 470.000-Seelengemeinde am River Avon. Mit dem Upfest im Stadtteil Bedminster stellt Bristol sogar das größte Streetart-Festival in Europa jährlich auf die Beine.

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Streetart – nicht nur von Banksy – ist in Bristol allgegenwärtig. – Foto Karsten-Thilo Raab

Eine der schillerndsten Figuren der Streetart-Szene ist fraglos der weltweit operierende Guerilla-Künstler Banksy, in dessen Heimatstadt Bristol in Nacht- und Nebelaktionen seine ersten Wandbilder auftauchten.

Banksy als Gamechanger

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Banksys „Well hung lover“ in der Frogmore Street. – Foto: Karsten-Thilo Raab

„Für die einen ist Banksy ein großer Künstler, für andere ein Krimineller, der fremdes Eigentum beschmiert“, stellt John Nation nüchtern fest. Der kleine Mann mit dem grauen Haar verfügt selber über eine große Begeisterung für Streetart. Gleichzeitig hat der ehemalige Sozialarbeiter, der heute täglich Führungen zu den Straßenkunstwerken seiner Heimatstadt anbietet, durchaus Verständnis für Teile der geübten Kritik.

Nicht wenige Motive sind mehrere Etagen groß. – Foto: Karsten-Thilo Raab

„Banksy war mit seinen Bildern schon vor vielen Jahren ein Gamechanger in unserem Land. Er hat definitiv die Wahrnehmung und Wertschätzung von Graffitis verändert“, konstatiert der 62-jährige mit Blick auf den Künstler, dessen wahre Identität bislang unbekannt geblieben ist. John Nation selber gibt vor, Banksy persönlich zu kennen und ihn in jungen Jahren als Sozialarbeiter bei verschiedenen Projekten betreut zu haben. Die wahre Identität des wohl berühmtesten Graffiti-Künstlers der Welt will er jedoch keinesfalls preisgeben.

Straßenkunst entkriminalisieren

John Nation und Spartacus-Graffiti in der Culver Street. – Foto: Karsten-Thilo Raab

„Es gibt so etwas wie einen Ehrenkodex unter den Graffiti-Künstlern und dieser verbietet es, den echten Namen von Banksy preiszugeben“, unterstreicht John Nation mit Blick auf die eingeschworene Gemeinschaft der Sprayer. Gleichzeitig ärgert sich der überaus eloquente Experte darüber, dass einige der Wandbilder mutwillig beschädigt oder beschmiert werden.

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Graffiti gegen Messerangriffe in der Frogmore Street. – Foto: Karsten-Thilo Raab

„Zugegeben, es klingt paradox, denn offiziell sind illegale Malereien vor dem Gesetz eine Straftat“, so der 62-jährige weiter. Tatsächlich hatte Banksy als Ikone der Streetart-Szene mit seinen Werken entscheidend dazu beigetragen, die Straßenkunst nicht nur zu kommerzialisieren, sondern auch ein Stück weit zu entkriminalisieren. Zumindest in Bristol, wo Banksy im Jahre 2006 erstmals ins Licht der Öffentlichkeit rückte, nachdem er in der Frogmore Street gegenüber der City Hall mit Hilfe eines Gerüsts im Schutz der Dunkelheit das Motiv „Well hung lover“ an die Fassade der ehemaligen Klinik für Sexualmedizin sprühte. Damals wollte die Stadt Bristol das Wandbild sofort wieder entfernen lassen – ebenso wie es in der Vergangenheit vielfach mit illegal Schmierereien und Graffitis praktiziert wurde.

Bristol durchaus inkonsequent

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Gigantisch große Streetart in der Quay Street. – Foto: Karsten-Thilo Raab

„Das positive Echo seitens der Bevölkerung führte schließlich dazu, dass das Bild geduldet wurde“, verweist John Nation auf ein anderes Kuriosum in diesem Zusammenhang. Denn schon wenig später wurde das Motiv mit einer Paintball-Pistole und farbigen Geschossen attackiert. Die Übeltäter wurden gefasst und zu einer dreijährigen Freiheitsstrafe verurteilt. Entsprechend wurden viele Stimmen laut, die bekrittelten, dass in Bristol mit zweierlei Maß gemessen würde. Über einige Sprayer würde eine schützende Hand gelegt, andere wanderten in den Knast. Im gleichen Atemzug mehrte sich Kritik darüber, dass die Stadt in der Vergangenheit viel Geld für die Beseitigung von Graffitis ausgegeben habe, statt Arbeitslosigkeit und sozialen Probleme damit entgegen zu wirken.

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Das Motiv „Mild, Mild West“ in Stokes Croft gehört zu den bekanntesten Banksy-Werken. – Foto: Karsten-Thilo Raab

Und so gibt es heute eine Art Burgfrieden in Bristol. Längst finden sich nicht nur Werke von Banksy in den Straßen der Stadt. Nur einen Steinwurf von Banksys populärem Erstlingswerk beispielsweise hat JPS alias Jamie Paul Scanlon im Jahre 2022 direkt neben dem Pub The Shilling in der Frogmore Street ein Motiv gegen Messerangriffe aufgesprüht. Direkt um die Ecke in der Culver Street finden sich mit einer Spartakus-Figur und einer Katze weitere Werke des Künstlers aus dem nahegelegen Weston-super-Mare.

Guerilla-Künstler mit Vorbildfunktion

Streetart in der Quay Street. – Foto: Karsten-Thilo Raab

Derweil richten Banksy-Jünger den Blick auf die Marsh Lane im Stadtteil Barton Hill. Unweit des Jugendzentrums, in dem der Guerilla-Künstler zu Zeiten des zuständigen Sozialarbeiters John Nation verkehrte, ziert ein Mädchen, das ein Katapult voller roter Blumen auf eine Hauswand schießt, eine Fassade. Nicht minder bekannt ist das Motiv „Mild, Mild West“ in Stokes Croft. Zu sehen ist ein Teddybären, der einen Molotov-Cocktail auf Polizisten schleudert. Und in der Lower Lamb Street sprühte Banksy den vielfach zitierten Spruch „You don’t need planning permission to build castles in the sky“ (Man braucht keine Baugenehmigung, um Luftschlösser zu bauen) an die Wand.

Das Motiv „Mother and Child“ in der Quay Street. – Foto: Karsten-Thilo Raab

Eine ungewöhnlich hohe Dichte an riesigen, zum Teil haushohen Graffitis findet sich in der Quay Street. Der Bogen reicht von einem Mann im gestreiften Anzug mit Bowler Hat, der einen Eimer Farbe ausgießt über eine Mutter, mit ihrem Baby im Arm, bis hin zu einer augenzwinkernden Anspielung auf eines der berühmtesten New Yorker Fotomotive. Ähnlich wie auf einem Wolkenkrater-Neubau in Manhattan sitzen Bauarbeiter auf einem Stahlträger – nur mit dem Unterschied, dass statt der amerikanischen Skyscraper Landmarken aus Bristol wie die Kathedrale den Hintergrund bilden. Derweil thematisiert das Motiv „Deconstruction“ Abrissarbeiten sowie die Vergangenheit des Hafens vom Bristol. Und einen Steinwurf weiter sind die Bogengänge des Gotteshauses St John‘s künstlerisch gestaltet.

Hauptstadt der Streetart

Sprühfarbe wird in Bristol bereits für kleines Geld feilgeboten. – Foto: Karsten-Thilo Raab

Inmitten der Quay Street findet sich zudem ein gut ausgestatteter Laden, der Sprühdosen in allen Farbnuancen anbietet. „Je nach Kunstwerk und Schablone braucht man nur eine einzige Dose“, erläutert John Nation, dass die Graffiti-Kunst ein durchaus preiswertes Vergnügen sein kann. Schließlich gibt es die billigsten Sprühdosen schon ab 3,50 Britische Pfund, was rund vier Euro entspricht. Ergänzend fügt der 62-jährige hinzu, dass der Verkauf an unter 16-jährige streng verboten sei. Schon zieht es John Nation weiter. Schließlich hat er noch viele, viele beeindruckende Graffitis zu zeigen – etwa im Stadtteil Easton. Doch bereits jetzt ist klar, warum Bristol ganz sicher nicht nur als heimliche Hauptstadt der Streetart gelten darf.

Wissenswertes zu Bristol in Kurzform

Bunt und vielfältig ist die Streetart in Bristol. – Foto: Karsten-Thilo Raab

Informationen: www.visitbristol.co.uk

Anreise: Bristol ist von London (Paddington Station) bequem in rund anderthalb Stunden mit dem Zug zu erreichen. Der Flughafen Bristol wird von Deutschland, Österreich und der Schweiz via Amsterdam mit KLM angeflogen.

In nahezu jeder Straße finden sich mehr oder weniger faszinierende Kunstwerke. – Foto: Karsten-Thilo Raab

Streetart-Tour: Die Streetart-Tour wird immer samstags um 11 Uhr angeboten. Die Teilnahmegebühr beträgt 15 Britische Pfund (ca. 17,20 Euro). Weitere Informationen unter www.wherethewall.com

Das leibliche Wohl

Das Lido Restaurant bietet mediterrane Genüsse mit Blick auf den Pool. – Foto: Karsten-Thilo Raab

Essen und Trinken: No.1 Harbourside, 1 Canon’s Rd, Bristol BS1 5UH, England, Telefon 0044-1179291100, www.no1harbourside.co.uk. Angesagtes Restaurant direkt am Hafen. Zu den besonderen Spezialitäten gehören der Trüffel-Pilz-Burger.

Lido-Restraurant, Oakfield Place, Clifton, Bristol, BS8 2BJ, England, Telefon 0044-1173323970. Zum viktorianischen Lido-Bad in Clifton gehören eine Bar direkt auf Pool-Höhe sowie das Lido-Restaurant. Serviert werden Tapas mit britischer Note.

Sich gemütlich betten

Das Mercure Bristol Grand Hotel blickt auf eine lange bewegte Geschichte. – Foto: Karsten-Thilo Raab

Übernachten: Mercure Bristol Grand Hotel, Broad Street, BS1 2EL BRISTOL, England, Telefon +44 117 929 1645, https://all.accor.com. Das alt-ehrwürdige Vier-Sterne-Hotel bietet im historischen Ambiente eine Gebäudekomplexes aus den 1860er Jahren Doppelzimmer ab 93 Britischen Pfund (etwa 108 Euro) an. Das Interieur des Hauses wurde von der Kunstszene in Bristol und der reichen Vergangenheit des Gebäudes inspiriert; klassisch, aber modern, und mit über 500 Motiven aus der Streetart-Szene reich bestückt.


Die Recherche fand auf Einladung/mit Unterstützung von Accor Hotels in Zusammenarbeit mit uschi liebl pr und FINN Partners statt.