Albanien – ein unentdecktes Paradies

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Albanien gilt nicht von ungefähr als offener Geheimtipp abseits des Massentourismus. – Foto: Philip Duckwitz

Albanien ist ein Land voller Kontraste, Geschichte und unberührter Schönheit. Als ich meine Reise durch dieses faszinierende Land beginne, bin ich sofort von der Vielfalt und Herzlichkeit der Menschen beeindruckt. Von der pulsierenden Hauptstadt Tirana über die antiken Stätten in Durrës bis hin zu den malerischen Gassen von Berat, der Natur im Landesinneren, den langen Sand- und Kiesstränden – Albanien bietet eine Fülle an Erlebnissen für jeden Reisenden – und ist touristisch noch im Aufbruch.

Tirana – eine Stadt im Aufbruch

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Auch ungewöhnliche Blickfänge finden sich in Tirana. – Foto: Philip Duckwitz

Ich stehe auf dem Skanderbeg-Platz, dem pulsierenden Herzen Tiranas, und spüre sofort die Energie dieser Stadt. Um mich herum flanieren Einheimische, Kinder jagen Tauben, und in den Straßencafés wird starker albanischer Kaffee serviert. Tirana ist wild, bunt und voller Überraschungen – eine Stadt, die sich ständig neu erfindet, ohne ihre Wurzeln zu vergessen. Alte Männer sitzen in trauter Runde und diskutieren lebhaft, junge Leute strömen in die angesagten Cafés, und über allem thront die Reiterstatue des Nationalhelden Skanderbeg, der Albanien einst gegen die Osmanen verteidigte. Tirana ist laut, chaotisch und doch irgendwie charmant.

Et’hem-Bey-Moschee – ein osmanisches Kleinod

Reich verziert ist die Et’hem-Bey-Moschee. – Foto: Philip Duckwitz

Gleich neben dem Platz steht die Et’hem-Bey-Moschee, eines der wenigen religiösen Bauwerke, das die kommunistische Ära überstanden hat. Ihre filigranen Fresken zeigen Bäume, Wasserfälle und sogar die Kaaba – eine Seltenheit in der islamischen Kunst. Als ich die Schuhe ausziehe und den kühlen Gebetssaal betrete, umfängt mich eine fast meditative Ruhe. Draußen mischt sich der Ruf des Muezzins mit dem Hupen der Autos – ein perfektes Sinnbild für das moderne Albanien.

Ein beliebter Treffpunkt ist die Pyramide von Tirana. – Foto: Philip Duckwitz

Auf dem Toptani-Platz genieße ich einen starken albanischen Kaffee – eine Tradition, die hier fast heilig ist. Die Locals sitzen stundenlang in den Cafés, diskutieren und beobachten das bunte Treiben. Später besteige ich die Pyramide von Tirana, ein surrealer Betonkoloss aus der Hoxha-Ära, der heute von Jugendlichen als Treffpunkt und Kletterparcours genutzt wird. Von oben blicke ich auf die Skyline der Stadt, mit den Bergen im Hintergrund – ein Kontrast, der Albanien perfekt beschreibt: wild, unverfälscht, voller Gegensätze.

Ein düsteres Kapitel der Geschichte

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Relikte aus den dunklen Tagen Albaniens finden sich in der Hauptstadt Tirana. – Foto: Philip Duckwitz

Doch Tirana hat auch seine Schattenseiten. Im Bunk’Art 2, einem umgebauten Atomschutzbunker, wird die paranoide Welt des Diktators Enver Hoxha greifbar. Die engen Gänge, die Überwachungstechnik, die Berichte von Verfolgung und Angst – es ist bedrückend, aber notwendig, um das heutige Albanien zu verstehen.

Siógar reihenweise Pässe werden offen gehandelt. – Foto: Philip Duckwitz

Mein Weg führt mich weiter in den Alten Bazar, ein farbenfrohes Viertel mit kleinen Läden, Cafés und Kunsthandwerk. Ich koste lokale Spezialitäten – süßes Baklava, frischen Schafskäse, eingelegte Paprika. Besonders beeindruckt mich die Gastfreundschaft der Menschen. Ein Lächeln hier, eine Einladung auf einen Raki dort – ich fühle mich willkommen. Lebendig geht es hier im Alten Bazar zu, wo Händler neben Obst, Gemüse und duftenden Gewürzen Kuriositäten aus Vergangenheit und Gegenwart feilbieten. Kommunistische Relikte, handgeschnitzte Holzpfeifen und sogar Pässe entdecke ich. Wer noch eine zweite Identität sucht, scheint hier fündig zu werden, schmunzle ich. Rund um den kuriosen Markt sprießen hippe Cafés und Galerien. Ich probiere „Tavë Kosi“, ein herzhaftes Lamm-Joghurt-Auflaufgericht, und lasse mich von der Mischung aus Alt und Neu überraschen. Wie gut, dass direkt in der Nähe des Marktes eines der beliebtesten Traditions-Restaurants der Stadt liegt. Bodenständiges Essen und stimmungsvolle Livemusik runden das Flair der heimeligen Folklore ab.

Zeichen der Hoffnung

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Überaus prachtvoll ist die Katedralja e Ngjalljës së Krishtit ausgestaltet. – Foto: Philip Duckwitz

Mich zieht es weiter durch die Stadt. Die Auferstehungskathedrale „Katedralja e Ngjalljës së Krishtit“, erst 2012 eröffnet, erhebt sich imposant vor mir, eine der größten orthodoxen Kirchen auf dem Balkan. Ihre modernen Fresken erzählen biblische Geschichten mit albanischen Gesichtern – ein Statement des Glaubens nach Jahrzehnten der Unterdrückung. Ein architektonisches Highlight ist die Auferstehungskathedrale. Die orthodoxe Kathedrale mit ihrer futuristischen Kuppel fasziniert mich – innen wie außen. auf der anderen Straßenseite liegt das Haus der Blätter – ein ehemaliges Spionagezentrum, das heute als Museum genutzt wird. Die Ausstellung ist spannend und erschreckend zugleich: Geräte zur Überwachung, Verhörprotokolle, originale Möbelstücke – hier wird Geschichte greifbar. Nicht weit entfernt besuche ich die römisch-katholische Pauluskathedrale. Sie ist schlicht, aber kraftvoll. Die moderne Architektur steht in schönem Kontrast zur bewegten Geschichte der Stadt. Wie schön, dass die Religionen und Konfessionen hier so dicht beieinander friedlich zusammenstehen können.

Wo Antike auf Mittelmeerflair trifft

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Durrës begeistert mit seinen römischen Ausgrabungsstätten. – Foto: Philip Duckwitz

Nur eine halbe Stunde von Tirana entfernt liegt Durrës, Albaniens wichtigste Hafenstadt. Die römischen Ausgrabungsstätten mit ihrem gewaltigen Amphitheater – einem der größten des Balkans – zeugen von einer glorreichen Vergangenheit. Tatsächlich ein beeindruckendes Bauwerk aus römischer Zeit, das einst 20.000 Menschen fasste. Ich schlendere durch die Ruinen und stelle mir vor, wie hier einst Gladiatoren kämpften. Gleich daneben befinden sich die Reste römischer Thermen. Allerorts ziehen sich Relikte römischer Zivilisation durch die Stadt und laden zum Besuch ein. Der venezianische Turm, Teil der alten Stadtbefestigung, bietet einen wunderbaren Ausblick auf das Meer und das historische Zentrum. Ich verliere mich in den Gassen, entdecke versteckte Cafés und das byzantinische Erbe der Stadt.

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Die einstige Pracht lässt sich in der Villa Zogout noch erahnen. – Foto: Philip Duckwitz

Die Promenade von Durrës lädt zum Flanieren ein, und in einer kleinen Taverne mit Blick aufs Meer genieße ich fangfrischen Fisch und den romantischen Sonnenuntergang. Doch Durrës ist auch Badeort. Am Strand promenieren Familien, meist sind es Einheimische. Und dann ist da noch die Villa Zogut, ein verlassenes Königsschloss oberhalb des Meeres mit traumhaftem Ausblick über die Region – ein mysteriöser Lost Place, der Geschichten von Glanz und Niedergang flüstert. Während des sogenannten „Lotterieaufstands“ 1997, als Albanien sich in einer tiefen wirtschaftlichen Krise befand, entlud sich der Volkszorn hier in der ehemaligen Königsresidenz und späteren, kommunistischen Parteizentrale, die sogar schon von Nikita Chruschtschow besucht hat. Das Schloss wurde bis auf die Grundmauern ausgeräumt und steht heute völlig roh in der Landschaft, So kann sie als historisches Zeugnis besichtigt werden. Ich streife durch leere Flure, schaue durch zerbrochene Fenster aufs glitzernde Meer und spüre Geschichte.

 Wandern wie in Neuseeland

Die Bergwelt lädt zu ausgiebigen Wanderungen ein. – Foto: Philip Duckwitz

Mich zieht es aus den Städten auf das Land, in die Berge. Ich erreiche das Dorf Theth im Norden. Die Fahrt dorthin ist schon ein Abenteuer – schmale Serpentinen schlängeln sich durch atemberaubende Landschaften. Doch die Mühe lohnt sich. Theth ist ein malerisches Bergdorf, umgeben von schroffen Gipfeln und smaragdgrünen Flüssen. Ich wandere zur Theth-Schlucht und weiter zur „Blauen Quelle“, einem Naturpool mit eiskristallklarem Wasser. Die Einsamkeit hier ist unglaublich – abseits der ausgetretenen Pfade fühle ich mich wie ein Entdecker.

Auch kulinarisch weiß Albanien zu gefallen. – Foto: Philip Duckwitz

Am Abend kehre ich in eine traditionelle Gästehaus-Alm („Kulla“) ein, wo mich die Gastgeber mit hausgemachtem Raki und Byrek verwöhnen. Die albanische Gastfreundschaft ist legendär – hier wird man nicht nur bewirtet, sondern sofort in die Familie aufgenommen.

Naturjuwel vor den Toren Tiranas

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Berat gilt nicht von ungefähr als eine der schönsten Städte des Landes. – Foto: Philip Duckwitz

Zurück in der Nähe Tiranas lockt der Bovilla-See. Die smaragdgrünen Wasser, umgeben von schroffen Bergen, sind ideal für Wanderungen und Picknicks. Ein Ort der Ruhe, nur eine halbe Stunde von der Hauptstadt entfernt. Weiter südlich liegt Berat, eine der schönsten Städte Albaniens. Die Burg Berat thront über einem Labyrinth aus osmanischen Häusern, deren Fenster sich wie ein Puzzle die Hänge hinaufziehen – daher der Name „Stadt der tausend Fenster“. Innerhalb der Festungsmauern leben noch heute Menschen. Ich laufe durch enge Gassen, besuche alte Kirchen und genieße einen Kaffee mit Blick auf das Tal.

Butrint – antike Ruinen in wilder Natur

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Butrint lädt zu einer spannenden Reise in die Vergangenheit. – Foto: Philip Duckwitz

Ganz im Süden, nahe der griechischen Grenze, liegt der Butrint-Nationalpark mit seinen mehr als 9.000 Hektar großem Areal. Er umfasst das Küstengebiet am Ionischen Meer im Süden Albaniens mit dem Butrintsee. Hier wandere ich zwischen römischen Thermen, griechischen Tempeln und venezianischen Festungsmauern – alles überwuchert von üppiger Vegetation. Ein magischer Ort, an dem sich Geschichte und Natur verbinden.

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Der Hauch einer langen Geschichte ist auf Schritt und Tritt zu spüren. – Foto: Philip Duckwitz

Albanien ist auch ein Paradies für Feinschmecker. In einem Dorfrestaurant unterwegs wird mir „Fërgesë“ serviert, ein cremiger Paprika-Käse-Eintopf, dazu frisches „Baklava“. Am smaragdgrünen Bovilla-See genieße ich Forelle, direkt aus dem glasklaren Wasser gefischt und die Seebrasse schmeckt mir in Durres am Meer besonders gut. Dazu ein Glas Raki – der albanische Schnaps, der bei keiner Mahlzeit fehlen darf. Lammfleisch, langsam gegart über dem Feuer, begleitet von Reis oder Polenta. Frischer Fisch direkt aus der Adria, gewürzt mit Knoblauch und Zitrone. Paprika, gefüllt mit Reis und Kräutern, in Tomatensoße geschmort, dazu ein Glas albanischer Wein. In jedem Gericht schmeckt man die Tradition, die Hingabe, die Liebe zur Heimat. Und überall spürt man die albanische Gastfreundschaft – Einladungen zum Kaffee, Erzählungen über die Familie, das Gefühl, willkommen zu sein.

Warum Albanien?

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Es fällt nicht schwer, sich für Albanien zu begeistern. – Foto: Philip Duckwitz

Albanien ist wild, widersprüchlich und wunderschön. Ein Land der Kontraste: Antike Ruinen neben kommunistischen Bunkern, osmanische Moscheen neben orthodoxen Kirchen, mediterrane Strände neben alpinen Landschaften. Ob im kleinen Bergdorf oder in der Hauptstadt: Die Menschen Albaniens empfangen mich mit offenen Armen. Ihre Herzlichkeit, ihr Stolz, ihre Geschichten – sie prägen meine Reise mehr als jede Sehenswürdigkeit.

Nicht nur die Hauptsadt Tirana hat einiges zu bieten. – Foto: Philip Duckwitz

Albanien ist für mich ein unentdecktes Touristenziel. Kein Massentourismus, keine überlaufenen Strände, kein glattgebügelter Komfort. Dafür echtes Leben, tiefe Eindrücke, bewegende Begegnungen. Ich bin gekommen, um zu entdecken – und ich gehe mit einem Herzen voller Geschichten, Bildern und Dankbarkeit. Doch was mich am meisten beeindruckt, ist die Herzlichkeit der Menschen. Hier gibt es keine überteuerten Restaurants, kein oberflächliches Sightseeing. Stattdessen echtes Leben, echte Begegnungen, echte Abenteuer. Es ist die Vielfältigkeit, die dieses kleine Land ausmacht: In den bunten Straßen Tiranas, an den antiken Stätten von Durrës oder in den malerischen Gassen von Berat – Albanien überrascht, berührt und lässt einen nicht mehr los. Und das Beste? Es fühlt sich noch an, als wäre man einer der Ersten, der dieses Geheimnis entdeckt. Also – auf nach Albanien, bevor alle es tun!

Wissenswertes zu Albanien

Abendstimmung in Durrës. – Foto: Philip Duckwitz

Anreise: Nach Tirana gelangt man von zahlreichen Flughäfen in Deutschland in zweieinhalb Stunden. Von dort aus kann man sich bequem ein Auto mieten.

Beste Reisezeit: Mai und Juni sowie September und Oktober mit jeweils angenehmen Temperaturen und wenigen Touristen

Tradition und Kultur nehmen in Albanien großen Stellenwert ein. – Foto: Philip Duckwitz

Essen & Trinken: Unbedingt probiert werden solltenFërgesë (Käse-Paprika-Eintopf), Baklava sowie frische Granatäpfel

In Tirana unweit des Alten Bazars lässt es sich vorzüglich in traditioneller Umgebung mit Live-Folklore speisen im Restaurant Oda Garden; in Durrës:  mit exzellenter Fischküche und traumhafter Aussicht kommt das Restaurant Pastarella daher.

Natürlich werden vielerorts die üblichen Mitbringsel angeboten. – Foto: Philip Duckwitz

Souvenir: Handgefertigte Filzartikel oder traditioneller Raki.

Philip Duckwitz

Philip Duckwitz

unternahm 2007 seine erste Pressereise nach Guatemala. Damals ahnte er nicht, dass er seitdem mehr als 90 Länder besuchen würde. Der Germanist und Politologe ist als Weltenbummler bis heute stets auf der Suche nach unbekannten Regionen, interessanten Menschen und ungewöhnlichen Stories.