Kuh vadis im Schweizer Kanton Fribourg

Neugierige Blicke beim Alpabtrieb in Plaffeien im Kanton Fribourg. – Foto: Susanne Timmann / Mortimer Reisemagazin

Wenn die Sommerfrische auf der Alp endet, beginnt auch in Plaffeien im schweizerischen Kanton Fribourg die große Rückkehr ins Tal – und die ist alles andere als still und heimlich.

Der Almabtrieb ist hier kein schnöder Viehtransport, sondern eine Parade der Hörner, Hufe und Heimatliebe. Und wer glaubt, Kühe seien nur zum Muhen da, hat noch nie gesehen, wie sie sich für ihren großen Auftritt herausputzen.

Plaffeien
Ein lautes Glockengeläut hallt durch Plaffeien. – Foto: Susanne Timmann / Mortimer Reisemagazin

Mit kunstvoll geflochtenen Blumenkränzen auf dem Kopf, Glocken um den Hals und einem Blick, der irgendwo zwischen stoisch und stolz pendelt, schreiten die Rinder durch die Gassen. Alle tragen ihren Schmuck wie ein Haute-Couture-Modell auf dem Laufsteg – nur eben mit mehr Fell und weniger Allüren.

Fröhliches Glockengebimmel

Ein Auftritt in gelb und rot. – Foto: Susanne Timmann / Mortimer Reisemagazin

Die Glocken bimmeln nicht nur zur Zierde, sondern erzählen Geschichten: von Almen, Sommern und der Kunst, auf steilen Hängen nicht ins Rutschen zu geraten. Kurzum: Jede Herde hat ihren eigenen Stil, von traditionell bis extravagant.

Immer schön gelassen bleiben. – Foto: Susanne Timmann / Mortimer Reisemagazin

Die Stimmung? Eine Mischung aus Volksfest und Familienfeier, bei der jeder jeden kennt – und wenn nicht, wird man spätestens beim gemeinsamen Anstoßen mit Apfelsaft oder einem Glas Weißwein bekannt gemacht. Es riecht nach Heu, nach Käse, nach Leben.

Uralte Tradition

Für musikalische Untermalung ist definitiv gesorgt. – Foto: Susanne Timmann / Mortimer Reisemagazin

Trachtenvereine marschieren, Alphornbläser lassen ihre Töne durch die Täler schweben, und irgendwo zwischen Raclette-Stand und Handwerksmarkt tanzt ein Kind mit einem Plüschkalb im Arm.

Christoph Overney als echter Älpler ist immer mit Herz und Heimatliebe dabei. – Foto: Susanne Timmann / Mortimer Reisemagazin

Christoph Overney, selbst Älpler mit 30 Rinder im Nebenerwerb, betreibt noch immer seine Alp selber. Besser gesagt, sein Vater ist im Sommer jeden Tag in der Alp oben. „Das ist gut für den Vater, sonst spricht er mir zu viel rein“, erzählt Christoph Overney und ergänzt wehmütig lächelnd „Im Winter ist sein Herz noch immer in der Alp oben.“

Ladies first

Und weiter geht es in Richtung Winterquartier. – Foto: Susanne Timmann / Mortimer Reisemagazin

Die 35 Kühe der Senner-Familie haben bereits den Weg ins wärmere Tal mit klappenden Hufen und lautem Glockengebimmel geschafft, ohne die vielen Zuschauer, die sich am großen Tag des Alpabzugs im kleinen Plaffeien massenhaft fröhlich gespannt versammelt haben.

Plaffeien
Der Alpabzug in Plaffeien ist das Fest für die ganze Familie. – Foto: Susanne Timmann / Mortimer Reisemagazin

„Die Milchkühe kommen schon Ende August runter wegen der Milch“, meint Christoph Overney und ergänzt „die Kühe brauchen ja für den ausgezeichneten Geschmack ihrer Milch frische Blumen und frisches Gras, das gibt es Ende August dann nicht mehr so viel.“ Aha, die feinen, verwöhnten Damen treten den Rückzug ins Tal ohne die Herren an. „Die Rinder können dann noch den Rest fressen, das ist es nicht so wichtig, was zwischen die Zähne kommt,“ plaudert Christoph Overney aus dem Kuhkästchen.

Faszination Alpabtrieb

Das Sommerwerk ist vollbracht. – Foto: Susanne Timmann / Mortimer Reisemagazin

„Es geht beim Alpabzug um die Hirten und nicht um die Zuschauer, es geht um den Stolz der Hirten und der Besitzer, dass die Tiere gesund und wohlbehalten nach der langen Zeit wieder im Tal sind“, erklärt Christoph Overney die jahrhundertealte Tradition.

Stolze Tradition über Generationen. – Foto: Susanne Timmann / Mortimer Reisemagazin

„Die wirkliche Faszination ist, wie die Hirten in ihrer traditionellen Kleidung unten begrüßt werden. Wie sie die Blumen mit so viel Liebe zum Detail gebunden haben.“ – Recht hat Christoph Overney, der Landwirt und Älpler ist. Dann erzählt er noch, dass diese Jahr 1.150 Tiere in 21 Truppen am großen Alpabtrieb mitmachen, die sich aus einer Höhe von bis zu 2.200 Metern ins Tal aufmachen.

Der große Tag

Das Warten auf den großen Tag hat endlich ein Ende. – Foto: Susanne Timmann / Mortimer Reisemagazin

Schon morgens um drei, vier Uhr beginnen die Hirten mit dem Aufsetzen der Blumenkränze. Doch die Vorbereitungen starten mindestens eine Woche vorher. Müssen doch die Damen und Herren Muh gewaschen und eventuell sogar in Form geschnitten werden. Die schweren, lauten Glocken, die bis zu 1,000 Franken wert sind, werden nur zum Alpabzug angelegt. Oben auf der Alp klingeln kleinere Glocken durch die Berge.

Plaffeien
Die Alpabtriebsglocken sind durchaus wertvoll. – Foto: Susanne Timmann / Mortimer Reisemagazin

So manch ein Hirte hat das besondere Vergnügen sogar zweimal pro Session. Eben diese, die sowohl für die Kühe, da ja früher den Rückzug ins Tal antreten und Rinder haben, die den Damen dann später folgen.

Leckereien im Bauernmarkt

Moderne Ankündigung der nächsten Truppe. – Foto: Susanne Timmann / Mortimer Reisemagazin

Schon zum 19 Mal hat in Plaffeien der große Alpabzug stattgefunden. „Früher war dieser ohne Kommerz und die Leute hat es auch nicht mehr so interessiert“, blickt Christoph Ocerney zurück. „Dann hatte ein Älpler die Idee seine Produkte mehr zu vermarkten und an einem kleinen Stand zu verkaufen, das kam gut an, und so folgten weitere in den nächsten Jahren“, ergänzt er.

Ein besonderer Leckerbissen des Kanton Fribourgs sind die Büscheli-Biire. – Foto: Susanne Timmann / Mortimer Reisemagazin

Nicht nur, dass die Stände mit Käse, Wurst und später Handarbeiten gut ankamen, die alte Tradition des Alpabzuges, die Heimatliebe, die Verbundenheit mit der Natur wurde mehr und mehr wieder modern. Und heute kommen Besucher aus aller Welt ins beschauliche Plaffeien, wenn es wieder heißt: Alpabzug.

Eine bunte Mischung

Auch die Ziegen haben ihr Sommerwerk vollbracht. – Foto: Susanne Timmann / Mortimer Reisemagazin

Und bei diesem zeigen sich selbstbewusst Kühe, Rinder, Pferde und Ziegen bei der Parade gen Tal. Selbst Hühner, die ihre Körner einen Sommer lang hoch oben aus der saftigen Erde gepickt und fleißig Eier gelegt haben, treten den Weg in den wärmeren Stall an.

Selbst der Kessel für die Käseproduktion muss vom Berg runter. – Foto: Susanne Timmann / Mortimer Reisemagazin

Diese allerdings nehmen ein Pferdetaxi, um den – je nach Höhe der Alp – 15 Kilometer weiten Weg anzutreten. Etwa drei Stunden spazierend durch die Gegend zu gackern, wäre doch etwas viel.

Alpakas in Ferienlaune

Ein Spaziergang durch Plaffeien lohnt allemal. – Foto: Susanne Timmann / Mortimer Reisemagazin

Krönender Abschluss, wenn auch ungekrönt, ist die Alpakaherde, die auch ihren Job oben auf der Alp quasi erst mal an den Nagel hängt. Genug Wolle produziert, genug Besucher durch die heidihafte Bilderbuchwelt spaziert.

Plaffeien
Ein lustiges Durcheinander ist die Alpakaherde. – Foto: Susanne Timmann / Mortimer Reisemagazin

„Wenn die Alpakas kommen, wird es ganz still, weil niemand weiß, wie die reagieren,“ regt Christoph Overney zum Aufpassen an. Weiß doch niemand, wann es den so lieb und unschuldig aussehend Tierchen doch zu bunt wird und sie dies mit einer ordentlichen Handvoll Spucke zum Ausdruck bringen.

Wehmütiger Abschied

Zurück im Stall, Aus mit bunten Blumen und klingenden Glocken. – Foto: Susanne Timmann / Mortimer Reisemagazin

Der Almabtrieb in Plaffeien im Kanton Fribourg ist mehr als ein landwirtschaftliches Ritual – er ist ein liebevoll inszeniertes „Merci“ an die Berge, die Tiere und die Menschen, die den Sommer dort verbracht haben.

Tschüss, bis zum nächsten Mal in Plaffeien. – Foto: Susanne Timmann / Mortimer Reisemagazin

Und während die Kühe langsam Richtung Tal trotten, scheint selbst die Sonne ein wenig wehmütig zu blinzeln – als wolle sie sagen: „Bis nächstes Jahr, ihr Schönheiten.“ Weitere Informationen unter www.myswitzerland.com, www.help.myswitzerland.comwww.fribourg.ch und www.plaffeien.ch.

Tipps und Informationen

Leuckerbad
Mit dem Swiss Travel Pass entspannt durch die ganze Schweiz reisen. – Foto: Susanne Timmann / Mortimer Reisemagazin

Tipps für die Anreise

Entspanntes Anreisen mit dem Swiss Travel Pass des Swiss Travel System (STS) für unbegrenztes Reisen mit Bahn, Bus und Schiff durch die Schweiz plus Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel in 90 Städten. Zusätzlich noch freier Eintritt in über 500 Museen, Bergausflüge: Rigi, Stanserhorn und Stoos sowie bis zu 50 Prozent Rabatt auf weitere Bergausflüge. Weitere Informationen unter www.sbb.ch.

Mit SWISS gut ankommen. – Foto: Susanne Timmann / Mortimer Reisemagazin

Swiss International Air Lines (SWISS) ist die größte Fluggesellschaft der Schweiz. Sie bindet die Schweiz mit Direktverbindungen ab den Landesflughäfen Zürich und Genf an Europa und die Welt an. Dafür setzt die Premiumfluggesellschaft eine der modernsten und CO2-effizientesten Flotten Europas ein. Weitere Informationen unter www.swiss.com  

Restauranttipps

Das Restaurant L ´ Aigle Noir überzeugt mit hervorragendem Essen und einer spektakulären Aussicht. – Foto: Susanne Timmann / Mortimer Reisemagazin

Nur circa 20 Kilometer von Plaffeien findet sich in Fribourg das Restaurant L ´ Aigle Noir. Mit sagenhaftem Blick auf das alte Fribourg und sehr leckerem Essen auf Sterneniveau, aber mit richtigen Älplerportionen, den Tag ausklingen lassen. 

Eine tolle Kombination: Schweinefilets mit Sesam kurz angebraten, Kokosmilch-Koriander-Sauce, frische Tagliatelle mit Olivenöl, gedünsteter Spaghettikürbis mit Ingwer und als Extra Büscheli-Biire im Restaurant L ´ Aigle Noir. – Foto: Susanne Timmann / Mortimer Reisemagazin

Alle Gerichte haben ihren individuellen Charme und da fällt die Auswahl durchaus schwer. Reservierung unbedingt empfohlen, vor allem für den Wintergartenbereich. Weitere Informationen unter www.aiglenoir.ch  

Eine Versuchung wert sind die Rösti im Café des Arcades. – Foto: Susanne Timmann / Mortimer Reisemagazin

Für die kleine oder große Stärkung zwischendurch bietet sich im Zentrum von Fribourg das ungezwungene Café des Arcades an. Die Rösti und auch die anderen Gerichte sind auf jeden Fall sehr zu empfehlen. Weitere Informationen unter www.cafedesarcades.ch 


Die Recherchereise fand – ohne Einfluss auf die journalistische Ausarbeitung – auf Einladung / mit Unterstützung von Schweiz Tourismus und Fribourg Tourismus statt.

Susanne Timmann

lebt im Rheinland, ist aber in der Welt zuhause. Seit 2022 fungiert sie als stellvertretende Chefredakteurin des Mortimer Reisemagazins, für das sie Beiträge in Wort und (Bewegt-) Bild über Destinationen weltweit verfasst.