
Zug verspätet, U-Bahn stecken geblieben, Billigflieger geräumt und Gepäck verloren – eine Odyssee zwischen Bahnsteig, Tunnel und Wolken. Ein Erfahrungsbericht über die unfreiwillige Meisterprüfung in Geduld, Humor und Sitzkomfort.
Ich glaube, nein, ich bin mir fasst sicher, es muss an mir liegen. Egal welches Verkehrsmittel ich wähle, nie läuft es nach Plan, geschweige denn halbwegs in der vorgesehenen Zeit. Vielleicht aber haben sich alle Transportunternehmen zusammengetan, um meine Frustratsionstoleranzgrenze auszutesten. Quasi eine Masterprüfung für einen Vielreisenden. Allein in den letzten zwei Tagen habe ich gefühlt 47 Stunden mit unvorhergesehenen Geduldsproben verbracht.
Es fing an mit der Fahrt im Regionalexpress, der nicht nur 45 Minuten zu spät war, sondern sich auch noch verfahren hat. Klingt absurd, ist es auch. Ein Zug der sich verfährt? Ja. Offenbar war eine Weiche falsch gestellt. Wobei ich nicht weiß, ob es ein technischer Defekt oder menschliches Versagen war. Kaum um die Kurve, ging der Zug in die Eisen und kam zu einem abrupten Halt. Der Fahrer informierte selbst halb amüsiert über das Unfassbare. Er selber musste dann aussteigen, zum anderen Ende des Zuges marschieren und in den Führerstand klettern, um den Zug bis hinter die Weiche zurückzusenden. Müßig zu erwähnen, dass dies dauerte, da der Streckenabschnitt hinter uns nicht frei war. Wie lange wir uns gedulden mussten, weiß ich nicht mehr. Ich weiß nur, ich bin morgens glatt rasiert aus dem Haus und hatte am Zielbahnhof einen Vollbart.
Der etwas andere Tunnelblick
Abends bin ich dann mit der U-Bahn in die Altstadt. Mitten im Tunnel blieb das vermaledeite Ding einfach stecken. Wegen eines Signalfehlers ging fast eine Stunde lang nichts mehr. Dabei wurde schnell klar, das bei den meisten Gäste Geduld nicht unbedingt zu den Kernkompetenzen gehörte. Mit den gesammelten Verbalergüssen könnte ich problemlos ein dreibändiges Schimpfwörterbuch fühlen.
Doch da ahnte ich noch nicht, dass es am nächsten Tag noch schlimmer kommen sollte. Mit der Bahn sollte es mit zwei Umstiegen zu einem dieser in der Mitte vom Nichts gelegenen Billig-Airline-Flughäfen am Niederrhein gehen. Beim ersten Umstieg fielen nacheinander drei (!) Züge ohne Angabe von Gründen aus. Schlimmer noch – bei allen dreien wurden erst zehnminütige, dann 20-minütige, dann 35-minütige Verspätungen angezeigt, ehe es nach einer Dreiviertelstunde hieß, der Zug fallen aus und der nächste käme in 15 Minuten. Zumindest wurde dank der Salami-Taktik sichergestellt, dass niemand den Bahnsteig verließ, um sich einen Kaffee zu holen oder wegzubringen.
Zug Nummer 4 kam dann tatsächlich mit 20 Minuten Verspätung, um unterwegs weitere 30 Minuten zusammen zu trödeln.
Billig-Handhabung der Billig-Airline
Im Vollsprint und mit hängenden Zunge ging es schließlich am Flughafen durch die Sicherheits- und Passkontrolle direkt zum Gate, wo das Boarding bereits kurz vor dem Abschluss stand. Fünf Minuten später waren alle an Bord, weitere fünf Minuten später wieder alle draußen. Warum das Flugzeug geräumt wurde, verriet bei der irischen Billigairline natürlich niemand. Vermutlich dachte die Crew, es verstehe sowieso niemand Gälisch. Nach weiteren 45 Minuten ging es dann tatsächlich zurück an Bord und mit entsprechender Verspätung gen Nordafrika. Aber nicht entspannt, denn zwischen den blauen Sitzen mit den gelborangen Kopfenden hätten selbst Zwerge Schwierigkeiten, bequem Platz zu finden. Da drängt sich die Frage auf, ob Flugzeugbauer jemals selber in ihren Maschinen Platz genommen haben oder ob die enge Bestuhlung allein der Profitgier der No-Thrills-Airline geschuldet ist? Auch der Bequemlichkeitsgrad der Sitzfläche sollte durchaus gewürdigt werden. Ist doch jede Kirchenbank dagegen eine Wohlfühloase. Vor allem wenn man dort drei Stunden Platz nehmen muss.
Gut, dass die Flugbegleiterin mir versehentlich Orangensaft über die Hose schüttet, kann passieren. Als sie dann noch ganz abgebrüht meinte, „seien sie froh, dass sie keine guten Klamotten anhaben“, wusste ich, was die Airline meint, wenn sie behauptet, das freundlichste Personal über den Wolken zu haben.
Nordafrikanische Gelassenheit
Anyway, als dann auch noch in Nordafrika mein Gepäck nicht angekommen war, war die Begeisterung noch größer.
Von der zuvor 50-minütigen Wartezeit an der Passkontrolle will ich gar nicht reden. Wenigstens gab es auf der Fahrt mit dem Taxi vom Flughafen zum Hotel in der malerischen Mdina kilometerlange Staus. So ein Taxifahrer will ja schließlich auch von irgendetwas leben. In diesem Sinne freue ich mich schon jetzt auf die Rückreise. Mal schauen, womit die einzelnen Vekehrsunternehmen mich dann begeistern können…
Buchtipp: Humor gegen Verkehrswahnsinn
Realität ist der Zustand, der aus Mangel an Alkohol entsteht, lehrt eine irische Trinkweisheit. Frei übersetzt bedeutet dies wohl, dass das Leben – nüchtern betrachtet – nur besoffen zu ertragen sei. Aber wir wollen die Vorliebe zum Alkohol nicht bewerten. Das muss ein jeder mit sich und seiner Leber alleine ausmachen. Gleichwohl kommt es immer wieder vor, dass der eine oder andere mal einen über den Durst trinkt. Dies bleibt zumeist ohne Folgen. Sieht man einmal von der Tatsache ab, dass sich so mancher in solchen Fällen den zuvor konsumierten Alkohol noch einmal durch den Kopf gehen lässt und dass das Bett mit einem Karussell zu fahren scheint.
Die Trinkgewohnheiten und -vorlieben vieler Zeitgenossen flossen dann auch in die augenzwinkernde Hommage an alle, die durchaus dem Alkohol nicht völlig abgeschworen haben, ein. So oder so dürfte bei den Geschichten rund um Bier, Wein, Champagner und andere hochgeistige Getränke, die Mortimer-Reisemagazin-Redakteur Karsten-Thilo Raab in seinem neuen Buch unter dem Titel Ich trinke, dann kannst du fahren zusammengetragen hat, kein Auge trocken bleiben.
So erfährt nicht nur der trinkfreudige Leser wie lange die Menschen rund um den Erdball für ein Glas Bier arbeiten müssen, wie viel Bier in den Schnäuzer dieser Welt hängen bleibt und wieso Wein sowohl die Intelligenz fördern können soll als auch vor intensiver Sonneneinstrahlung schützt. Daneben geht es beispielsweise um Kuriositäten wie Bier aus Käse oder Bier für Hunde oder um die Frage, warum auf Kreuzfahrten der Alkoholkonsum deutlich ansteigt.
Erhältlich ist Ich trinke, dann kannst du fahren (ISBN 978-3-7115-2765-3) von Karsten-Thilo Raab ab für 18 Euro sofort im Buchhandel.
Karsten-Thilo Raab
berichtet seit mehr als drei Jahrzehnten für eine Vielzahl von Zeitungen und Magazinen über Reiseziele weltweit. Zudem hat er sich einen Namen als Autor von mehr als 120 Reise-, Wander- und Radführern sowie Bildbänden gemacht.
