Famose Laune der Natur: Meeresleuchten auf Sylt

Ein faszinierendes Naturschauspiel: Das Meeresleuchten in der Nordsee wie hier am Strandabschnitt Samoa auf Sylt. (Foto: Reik-Raschke)
Ein faszinierendes Naturschauspiel: Das Meeresleuchten in der Nordsee wie hier am Strandabschnitt Samoa auf Sylt. (Foto: Reik-Raschke)

Sylt, am Weststrand. Im Nirgendwo nördlich von Kampen. Ein heißer, schwüler Sommertag ist vorüber und müde schwappt das Meer auf den Sand. Der Leuchtturm schickt seine Lichtfinger in die dunkle Nacht, aus den Dünen ruft ein Austernfischer. Es ist eine eigentümliche Atmosphäre in dieser Alleinsamkeit zwischen Land und Meer. Es ist sonderbar still und an der Wasserkante leuchten die sich brechenden Wellen magisch auf. Gespenstisch fast und unheimlich; unheimlich schön.

Die Wellen ziehen den Betrachter in den Bann, wie sie so sanft und kalt leuchten und sachte auf den Strand auslaufen; in einem fahlen Licht, in einem geisterhaften Blau. Vergänglich und unwirklich. Streicht man vorsichtig über den Spülsaum, blinken kleine Punkte im nassen Sand wie die Sterne am Firmament, so als wollen sich Meer und Himmel in einer phantastischen Illumination vereinen. Wer das sagenhafte Meeresleuchten am nächtlichen Strand erlebt, dem läuft gewiss ein Schauer über den Rücken. Denn auch die Fußabdrücke schimmern nach, so als folge etwas Unsichtbares. Geisterstunde an der Nordsee. Im wahren Wortsinn unfassbar, denn schon ist es wieder verschwunden. Und auch nicht begreifbar; es verschwindet zwischen den Fingern wenn man versucht, es aufzuheben.

Das, was in den sich brechenden Wellen so schön schimmert und das Meer zum Glitzern bringt, ist ein natürliches Phänomen und es ist erklärbar: „Es handelt sich dabei um die sogenannte Biolumineszenz“, erklärt Kirsten Thiemann von der Schutzstation Wattenmeer: „Ein Licht aus dem Stoffwechsel von Meereslebewesen. Es stammt von kleinen Dinoflagellaten; Einzellern aus dem Plankton, die man theoretisch sogar mit bloßem Auge sehen könnte. Sie vermehren sich im warmen Wasser und bei ausreichend Planktonnahrung millionenfach und werden durch die Strömungen zusammengetrieben.“ Das, was nachts so mysteriös leuchtet, ist nicht die Nordsee selbst, sondern die Panzergeißel-Algen in ihr, so Thiemann. Sie leuchten, wenn sie eine mechanische Reizung spüren, wie den Wellenschlag oder eine Berührung. Diese Mikro-Organismen produzieren Licht, indem sie das Enzym Luziferase freisetzen, dass die Substanz Luziferin abbaut. So, wie die Glühwürmchen an Land.

„Wenn das Leuchten im Meer auftritt, streichen Sie mal mit der Hand über den nassen Sand am Spülsaum – wenn Sie Glück haben, wird es dort, wo sie den Sand – und damit die Einzeller – berührt haben, blinken und glitzern“, sagt erklärt Dr. Matthias Strasser, Biologe an der Wattenmeerstation Sylt des Alfred-Wegener-Institutes Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung und Geschäftsführer des Erlebniszentrums Naturgewalten Sylt. Ebenso verhält es sich mit dem Fußabdruck, der in einer dunklen Nacht am Strand magisch schimmert, die Schritte nachleuchten. „Kleine Pfützen, in denen die Meeresleuchttierchen gefangen sind, können leuchten, die Kettenreaktion läuft vom Punkt des Berührens wie eine Welle durch die Pfütze“, berichtet Kirsten Thiemann.

Temperatur und Nährstoffgehalt des Wassers, Wind- und Strömungsverhältnisse; viel muss passen und zusammenfinden, damit die Nordsee nachts zu Magie wird, erklärt Matthias Strasser. Aber: „Dieses Schauspiel ist schwer vorhersehbar, es wird meist zwischen Mai und August beobachtet. Ein paar Hinweise auf ein möglicherweise bevorstehendes Meeresleuchten gibt es aber schon: Die Konzentration der Einzeller im Meer muss besonders hoch sein. Wenn es dann Nachts auch noch windstill ist, ist die Chance am größten, das geheimnisvolle Leuchten zu beobachten“, erklärt Matthias Strasser, „am besten, wenn es auch schon tagsüber windstill ist und das Meer ruhig – sonst entladen die Leuchttierchen ihr ganzes Licht schon in den Wellen.“

Nun noch auf die Nacht warten. Einsam irgendwo am Strand sitzen, Wind und Wellen sind still, lassen dem Meeresleuchten das Mysterium allein. Ob Venus ihre Finger im Spiel hat und den Wanderer mit einem magischen Leuchten immer weiter fortlockt in die Nacht? Dorthin, wo das Meer in geisterhafter Stille blinkt und leuchtet. Weitere Informationen auf www.sylt.de.

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