„Wir sind schon zum dritten Mal dabei!“ Anne und Alex strahlen übers ganze Gesicht, während ihnen ihre farbenfrohen Kopfbedeckungen angepasst werden. Die beiden Engländer waren zum ersten Mal auf der Blumeninsel Madeira, zufällig gerade zur Karnevalszeit, als sie im Porta Mare Hotel angesprochen wurden, ob sie nicht am Umzug in einer Sambagruppe teilnehmen wollten.
„Bei uns in Lincoln, überhaupt in England, kennen wir das nicht, mal abgesehen vom einen oder anderen Sommerkarneval. Und weil uns hier keiner kennt und das nach Abwechslung und großem Spaß aussah sagten wir zu.“ Sofort verliebten sich die beiden in die Ausgelassenheit der Rhythmen, in die unbändige Lebensfreude und die lässige Gastfreundschaft der Madeirenser.
Alex, der vier Jahre bei der britischen Army in Düsseldorf stationiert war, kannte aus dieser Zeit natürlich einige Rituale und die Glaubensfragen um Helau und Alaaf. „Aber das hier ist ganz was anderes. Vor allen Dingen, weil die Temperaturen höher sind und der Samba sofort in die Beine geht.“
Nachdem im ersten Jahr nur 15 Hotelgäste das neue Angebot wahrnahmen, hat sich die Zahl mittlerweile verdoppelt. „Und die Kostüme werden auch immer schöner“, freut sich die blonde Anne, die später beim Umzug ganz weit vorne mitmischt.
Vorm großen Spiegel übt die international zusammengewürfelte Truppe ihre Sambaschritte in voller Montur und unter fachkundiger Leitung von Elena. Schnell erkennt sie die unterschiedlichen Talente ihrer Eleven und gibt ihnen einige Empfehlungen mit auf den Weg: „Wenn Sie nicht mehr weiter wissen, einfach fröhlich winken. Hauptsache immer in Bewegung blieben und mit dem Publikum kommunizieren. Das Ganze ist ziemlich anstrengend, und die Musik macht keine Pausen!“
Damit entlässt sie ihren temporären Tanzverein und kredenzt die typischen Krapfen mit süßem Sirup zur Stärkung. Und natürlich einen Poncho, die hochprozentige Mixtur aus Rum, Honig, Zitronen- und Orangensaft, der seine wärmende Wirkung während des Umzugs dann nicht verfehlt, obwohl die Rhythmen heiß und die Außentemperaturen sehr angenehm sind.
Auch die beiden Berliner, Mausi und Bert, die bis vor Kurzem ebenfalls Wahldüsseldorfer waren, fiebern ihrem großen Auftritt entgegen. „Karneval gesehen, ja, das hatten wir schon, mitgemacht aber nie.“ Stolz die hohen bunten Hüte auf den Köpfen balancierend gehen sie schließlich zurück auf ihr Zimmer, nicht ohne den einen oder anderen Türrahmen mit den roten Federn zu touchieren.
Professioneller aufgestellt ist die vielköpfige Gruppe der Associacao de Animacao Gerinconca, die sich wenige Stunden vor der Parade in einem gepflegten Chaos zu befinden scheint. In dem Gebäude neben einer Schule am Rande des Stadtzentrums von Funchal geht es höchst turbulent zu. Die Dekorateure verschwinden in einem blau-weißen Wust aus Tüll, Seide, Glitter und Strass, dazwischen wedeln Federboas und Styropor-Sterne, während sie die letzten Feinheiten zum Anpassen der Kostüme erledigen. Gegenseitig schminken sich nebenan die Gruppenteilnehmer vor großen Spiegeln. Lärm und Stimmengewirr sind kaum auszuhalten, doch jeder weiß genau was er zu tun hat, denn kurze Zeit später tanzen und wirbeln die oft nur knapp bekleideten Damen und Herrn glamourös und ausgelassen über die Hafenpromenade.
Große Scheinwerfer tauchen den Karnevalsboulevard in gleißendes Licht, Tribünen säumen den Weg der Tanzgruppe, etwas bescheidener aber doch fast so wie beim großen Vorbild von Rio. Längst bedecken Konfetti und Luftschlangen den Asphalt. Unablässig dröhnen die Sambarhythmen, alles ist in Bewegung: die Zugteilnehmer wie die zahlreichen Zuschauer, die fröhlich mitsingen und sich an den bunten Kostümen, den einfallsreichen Tanzchoreografien und dem bezaubernden Lächeln der Tänzerinnen erfreuen.
Zwischendurch sind jedoch auch grell geschminkte Männer zu sehen, die die gleichen knappen Kostüme wie die Damen tragen und den Aspekt des Geschlechtertauschs verkörpern, einen der grundlegenden Bestandteile der Karnevalstradition. Gerade dies verdeutlicht der allegorische Karnevalsumzug am Faschingsdienstag. Weitaus weniger spektakulär wie die gigantische Sambaparty am Samstagabend, ist diese nachmittägliche Parade fast etwas für Insider.
Die Kritik am Establishment, an Politikern und wirtschaftlichen Ungereimtheiten kommt völlig authentisch daher, ohne Übersetzung oder Erklärung für die Touristen, die dem Treiben der grotesken Masken und skurril Kostümierten zuweilen etwas verständnislos beiwohnen. Viele Kinder sind dabei, verkleidet auch unter den Zuschauern. Für sie gibt es Süßigkeiten. Der Zug ist recht kurz, doch danach strömen die Karnevalisten in die schmalen Kopfsteinpflastergassen der Altstadt Funchals und feiern noch lange ausgelassen.
Information: Allgemeine Auskünfte gibt es beim Portugiesischen Fremdenverkehrsamt in Berlin, Telefon 030/25401060, www.visitportugal.com. Für Madeira ist vor Ort das Fremdenverkehrsbüro in der Avenida Arriaga in Funchal zuständig, Telefon 00351/291 211 900, www.vistmadeira.pt.
Termin: Zwischen dem 11. und 18. Februar findet der Karneval auf der Blumeninsel 2015 statt. Am 14. Februar gibt es den bunten südamerikanisch angehauchten, abendlichen Umzug, während die Narren am 17. Februar die Straßen unsicher machen.
Anreise: Mit TAP AirPortugal von Düsseldorf über Lissabon nach Funchal (die Landebahn dort ist mittlerweile verlängert und erfordert keinerlei waghalsige Bremsmanöver mehr) Preis ab EUR 280.
Übernachten: Das Hotel mit der eigenen Sambagruppe ist das Vier-Sterne-Hotel Porto Mare, Rua Simplício Passos Gouveia, 21, 9004-565 Funchal, Telefon 00351/291 703700, www.portobay.pt. Eigenes Restaurant, Wellnessbereich, großer Pool und Garten, Minigolfplatz. Liegt etwas westlich des Stadtzentrums. Alternativ zwischen Funchal und dem Flughafen das ebenfalls 4-Sterne Hotel Rocamar, Caminho Cais da Oliveira, Caniço de Baixo, 9125-028 Caniço, Telefon 00351/291 934334.
Weitere Impressionen vom Karneval auf Madeira gibt es hier.
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