Liepãja im Kulturhauptstadt-Fieber

Liepãja
Dreh- und Angelpunkt des Kulturlebens in Liepãja ist das Konzerthaus „Großer Bernstein“. – Foto: Karsten-Thilo Raab / Mortimer Reisemagazin

Die lettische Küstenstadt Liepãja lädt 2027 als europäische Kulturhauptstadt zu einem Jahr voller Kontraste, Kreativität und kultureller Vielfalt. Unter dem Motto „(un) rest“ treffen Musik, Geschichte und Handwerkskunst auf moderne Kunst, Festivals und europäische Visionen. Ein Ort, an dem der Wind geboren wurde – und Kultur neu gedacht wird.

Großereignisse werfen bekanntlich ihre Schatten voraus. So auch das europäische Kulturhauptstadtjahr 2027 im lettischen Liepãja. Nach der Hauptstadt Riga im Jahre 2014 rückt nun die drittgrößte Stadt des Landes in den internationalen Fokus. Zusammen mit 14 weiteren Gemeinden will die 70.000-Seelen-Gemeinde an der Ostsse die kulturelle Vielfalt des Baltikums unter dem Motto „(un) rest“ – „(Un-) Ruhe“ – mit einem bunten Programm präsentieren.

Liepãja – Stadt der Gegensätze

Liepãja
Elizabete Hartmane stimmt schon jetzt auf Liepãja 2027 ein. – Foto: Karsten-Thilo Raab / Mortimer Reisemagazin

„Liepãja war immer geprägt von Gegensätzen und gilt nicht von ungefähr als lettische Musikhauptstadt“, weiß Elizabete Hartmane, Mitglied des Organisationskomitees von Liepãja 2027, zu berichten. Unter dem Slogan „(un) rest“ sollen die Kontraste und das Besondere der Stadt herausgearbeitet, aber auch Traditionen und Althergebrachtes in neues Licht gerückt und weiterentwickelt werden.

Gigantische Wandbilder sind Teil der Alltagskultur in Liepãja. – Foto: Karsten-Thilo Raab / Mortimer Reisemagazin

„Wie überall im Leben bedarf es einer Balance zwischen Ruhe und Unruhe, zwischen Aktivität und Passivität, zwischen Freude und Sorgen, vor allem auch zwischen Liebe und Hass“, fügt Elizabete hinzu. Gleichzeitig verweist die gertenschlanke Blondine darauf, dass in Liepãja, dass sich gerne als „die Stadt, in der der Wind geborenen wurde“, bezeichnet, im Luafe einer langen Geschichte immer vieles in Bewegung gewesen sei. Und dies nicht nur wegen der nahezu dauerhaften, mehr oder weniger starken Brise am Rande der Ostsee.

Zwischen Großem Bernstein und Rockmusik

Das Konzerthaus „Großer Bernstein“ ist auch architektonisch ein absolutes Highlight. – Foto: Karsten-Thilo Raab / Mortimer Reisemagazin

„Bei uns treffen kalter Nordwind und sonnige Strände aufeinander, aber auch die langen Schatten der russischen Herrschaft und die Tradition der Rockmusik“, ist Elizabete überzeugt mit der großen Vielfalt, die die Stadt zu bieten hat, ein internationales Publikum begeistern zu können. So darf sich Liepãja rühmen, über das älteste Symphony-Orchester des Baltikums zu verfügen. Die spektakuläre Heimat des Ensembles ist das grandiose, fast 15.000 Quadratmeter gro0e Konzerthaus „Großer Bernstein“, für dessen Akustik sich der deutsche Professor Karlheinz Müller verantwortlich zeigte.

Die Skulptur „Geisterbaum“ im Strandpark ist der Band Līvi gewidmet. – Foto: Karsten-Thilo Raab / Mortimer Reisemagazin

Ganz andere Töne schlagen zahlreiche Rock- und Heavy Metal-Musiker um Līvi, der wohl bekanntesten lettischen Band, ein, deren Wiege ebenfalls in Liepãja stehen soll. Ihnen wurde im Strandpark im Form des „Geisterbaum“ ein Denkmal gesetzt. Die sechs Meter hohe, silberfarbene Skulptur besteht aus nicht weniger als 4.000 Metallstäben, wobei die Äste die Umrisse von verschiedenen Musikinstrumenten darstellen. An den bereitstehenden Sitzbänken erklingen auf Knopfdruck die beliebtesten Songs von Līvi.

Kulturelle Drehscheiben mit Strahlkraft

Jäher Kontrast: Heruntergekommene Plattenbauten und der Prunk der russisch-orthodoxen Kirche in Karosta. – Foto: Karsten-Thilo Raab / Mortimer Reisemagazin

Weiterer kultureller Eckpfeiler in Liepãja sind das im Jahre 1907 gegründete Theater, das seit 1914 in einem neoklassizistischen Gebäude mit 468 Plätzen beheimatet ist, und das Liepãja Museum, das sich vornehmlich der Geschichte der Region widmet. Derweil haben im Craftsmen House insgesamt 16 Frauen alte Handwerkstechniken wieder zum Leben erweckt – vom Weben und Schneidern über Keramik- und Silberschmuck-Herstellung bis hin zum Korbmacher und zur Lederverarbeitung. Zudem beheimatet das Gebäude die mit 19,5 Kilogramm Gewicht und 123 Metern längste Bernsteinkette der Welt.

Die längste Bernsteinkette der Welt kann im Craftsmen House bewundert werden. – Foto: Karsten-Thilo Raab / Mortimer Reisemagazin

„Wir wollen den europäischen Gedanken mit Leben füllen, der Frage nachgehen, was Europa verbindet, was es spaltet“, ergänzt Elizabete und verspricht für das Kulturhauptstadtjahr 2027 spannende Angebote für alle Altersgruppen mit Schwerpunkten in Kunst, Literatur, Architektur, Umweltthemen und natürlich der Musik. Wobei rund ein Drittel des Programms von den Partnerstädten in den Regionen Süd-Kurzeme und Kuldiga, mit dem gleichnamigen Weltkulturerbe, gestemmt werden.

Einstimmung auf „Liepãja 2027“

Künstlerisch gestaltete Zelle im Karosta-Gefängnis. – Foto: Karsten-Thilo Raab / Mortimer Reisemagazin

Das abwechslungsreiche Programm, das im Februar 2026 komplett vorgestellt werden soll, umfasst neben zahlreichen Konzertveranstaltungen aller Musikrichtungen unter anderem ein Lichterfest im März, ein Wikinger-Festival im Mai, ein Sauna-Festival im Juni, Gedichttage im September, ein Animation Festival im Oktober sowie verschiedene Ausstellungen mit Werken von nationalen und internationalen Künstlern. Mehr zum europäischen Kulturhauptstadtjahr 2027 in Liepãja unter www.liepaja2027.lv.

Schokoladiger Vorgeschmack auf das europäische Kulturhauptstadtjahr Leipaja 2027. – Foto: Karsten-Thilo Raab / Mortimer Reisemagazin

Die Recherche fand – ohne Einfluss auf die journalistische Ausarbeitung – auf Einladung / mit Unterstützung von Latvia Travel, dem lettischen Fremdenverkehrsamt, statt.

Karsten-Thilo Raab

berichtet seit mehr als drei Jahrzehnten für eine Vielzahl von Zeitungen und Magazinen über Reiseziele weltweit. Zudem hat er sich einen Namen als Autor von mehr als 120 Reise-, Wander- und Radführern sowie Bildbänden gemacht.