
Es sind diese zwei Städte im Osten Europas, die mit Bu- beginnen und einer völlig anderen Geschichte enden. Budapest und Bukarest ähneln sich nur im Namen, im Herzen, in der Struktur und der Mentalität sind sie völlig verschieden. Nicht zuletzt auch, weil sie beide Hauptstädte unterschiedlicher Nachbarländer sind. Ungarn und Rumänien. Beide zu besuchen, liegt jedoch nahe, weil sich so ein abwechslungsreiches Bild von der Lebensart im Osten ergibt, das man in sich aufsaugen kann.
Budapest – Ankunft in der „Königin der Donau“

Ich lande an einem warmen Morgen, die Sonne blinzelt hell über Budapest. Mein Hotelzimmer hat Blick auf die Donau – ich bin sofort verzaubert. Die Stimmung auf der Donau ist magisch: Die Kettenbrücke spannt majestätisch zwischen Buda und Pest, das Wasser glitzert, das Stadtleben pulsiert. Ich beginne meinen Tag mit einem Frühstück im legendären Café Gerbeaud. Die prachtvolle Innenausstattung, das Kristalllicht, die Torten – ein Erlebnis aus vergangenen Jahrhunderten und doch höchst lebendig. Ein Stück Dobostorte, dazu feinster Mokka – und ich bin im Herzen Ungarns angekommen. Dann gehe ich zum ungarischen Parlamentsgebäude– einer der prächtigsten Parlamentsfassaden Europas, neogotisch, prunkvoll. Ich stehe vor den geschnitzten Fassaden, beobachte die Wachablösung, höre die Adern des Gebäudes mit ihren goldenen Verzierungen flüstern. Ich schlendere durch die Touring Zonen, sehe die imposante Kuppelhalle, die Kronjuwelen Ungarns…

Vom Parlament ist es ein kurzer Spaziergang zur St.-Stephans-Basilika. Ich stehe in ihrem Inneren, die Kuppel über mir, das Licht durch die bunten Kirchenfenster, die heilige Atmosphäre. Ich erklettere die Kuppeltreppe – und habe einen Blick über Budapest, die Donau, die Brücken, das Häusermeer. Später laufe ich die Váci utca hinunter – der berühmte Fußgängerboulevard, oft als „ungarische Champs-Élysées” bezeichnet. Elegante Boutiquen, Cafés, Menschen aus aller Welt. Hier probiere ich meinen ersten ungarischen Gulasch: saftig, würzig, Paprika-Kuss auf der Zunge. Dazu ein kleines Glas Tokajer Süßwein – eine perfekte Kombination.
Auf königlichen Spuren

Am Abend flaniere ich entlang der Donau: Die Abendstimmung ist magisch. Lichter spiegeln sich im Wasser, die Brücken – Kettenbrücke, Erzsébet-Brücke – erstrahlen in goldenem Licht. Ich genieße eine Bootsfahrt auf der Donau, die Stadt glitt in Szenerien aus Licht und Spiegelung: Buda auf der einen Seite, Pest auf der anderen, das Parlament wie ein leuchtender Palast. Ich atme: Budapest ist Romantik pur.

Tags darauf erkunde ich Buda, jenseits der Donau. Ich nehme die Standseilbahn hinauf zur Burgberg, vorbei an Parks, alten Stadtmauern, efeuberankten Mauern. Oben: Fischerbastei – weiße Türmchen, gotisierende Zwiebeldächer, Rundblick über Budapest, die Donau, die dahinter gelegene Pest-Ebene. Ich mache Fotos, lausche staunend, wie Zigeunermusik leise aus einem Café dringt – ein Streicher-Duett, Geige und Cimbalom: die Seele der ungarischen Volksmusik schwingt im Sommerwind. Ich spaziere durch die Burg – Schloss, Matthias-Kirche, Arkaden. Ich erinnere mich: Matthiasʼ Krönung, Kaiserin Maria Theresia, die Türken-Belagerung – Geschichte atmet in diesen Steinen. Ich kaufe ein kleines Souvenir – ein handgewebter Brokat Schal mit traditionellen Mustern, um den Hals gelegt, ein Stück Budapest, das ich mitnehme.
Thermalbäder und Gulasch

Dann laufe ich hinunter zum Thermalbad Gellért Therme, benannt nach der berühmten Gellért Hotelanlage. Innen: Jugendstil-Säulenhallen, Mosaikfliesen, warmes Thermalwasser, der Duft von Kräuterextrakten. Ich gleite durch verschiedene Becken, lasse heißen Wasserdampf meine Verspannungen lösen. Ich stoppe am Außenbecken, wo ich auf eines der Pools sehe, umgeben von Palmen und Tageslicht – ein Kontrast zwischen prunkvollem Stil und lebendiger Entspannung.

Spät am Nachmittag gehe ich zur St.-Stephans-Basilika zurück, um den Sonnenuntergang zu beobachten. Der Dom nimmt Farben an – goldene, rote Lichtreflexe durch die Fenster. Der Eisverkäufer draußen preist Kürbiskern Pistazien Sorten, ich gönne mir zwei Kugeln in der Waffel, während die Glockentöne die Stadt überziehen. Am Abend lande ich im Café New York, einst das größte Café Europas, jetzt kulturelles Denkmal mit opulentem Interieur. Sie servieren mir Gulyásleves – Gulaschsuppe mit Sauerrahm, Kartoffeln, Rindfleisch – und live spielte ein kleines Ensemble Zigeunermusik: Geige, Kontrabass, Mandoline. Die raumhohen Säulen, der Kronleuchter, die Besucher in eleganter Kleidung – ich fühle mich in die Belle Époque versetzt, während ich löffle, nippe, lausche, träume.
Bummeln, Kaffee, Kulinarik

Den folgenden Tag beginne ganz gemächlich: Frühstück auf einer kleinen Terrasse mit Blick auf die Kettenbrücke und die Donau. Croissant und Latte und – natürlich – ein Stück Somlói galuska (ungarisches Dessert à la Rum Trifle) – perfekt. Ich mache noch einige Erkundungen in Pest: Ich gehe an der Donaupromenade entlang, hinter den Brücken stehen steinerne Schuhe – ein bewegendes Holocaust-Denkmal, das Leben und Leiden gedenkt – stille Mahnung am Wasser. Ich schlendere durch die Stadtteile, kaufe Paprikapulver, Pálinka als Mitbringsel. Ich entdecke kleine Gassen, in denen Straßenkünstler ungarische Romantik auf Gitarren oder Zigeunergeigen spielen, und ich bleibe stehen und lausche.

Zum Mittag hin besuche ich einen traditionellen Markt, den Großen Zentralmarkt, koste Lángos, überzogen mit Schmand und Käse – fett, köstlich, typisch ungarisch. Und passiere eine Gulasch-Küche – gebelecht pfannewarmen Gulasch mit Semmel – und sitze einfach mitten im Markt, lasse Geräusche, Gerüche, Menschen, Sprache auf mich wirken. Am Nachmittag fahre ich mit der Elisabethbrücke zurück nach Buda. Ich steige hinauf zum Gellértberg zu einem Aussichtspunkt, sehe Pest, die Donau, die Fischerbastei weit unten – ein Panorama, das Geschichten erzählt: Türkenzeit, österreichisches Kaiserreich, zwei Weltkriege. Am Abend genieße ich mein letztes ungarisches Abendessen: In einem charmanten alten Gasthaus esse ich Paprikahuhn mit Nockerln, dazu ein Glas kräftigen ungarischen Rotwein. Dann geht es auf die Donaupromenade, wo dämmriges Licht zwischen den Bäumen der Promenade streut – Budapest verabschiedet mich mit leiser Poesie.
Weiterreise nach Bukarest

Ich lande am Morgen in Bukarest – heiß und hell. Die Stadt empfängt mich mit Weite und Vielfalt. Ich checke ein im Cathedral Plaza Hotel, zentral gelegen unweit des Parlamentspalasts, mit Blick auf Bulevardul Unirii – weit, breit, monumental. Zuerst spaziere ich zur Altstadt (Lipscani Stadtviertel). Die verwinkelten Gassen, historischen Fassaden, Straßencafés, bunte Türen – eine Mischung aus charmant und leicht verfallen. Ich sehe Häuser mit französischer Architektur, Jugendstil trifft Barock trifft klassizistischen Stil – daher rührt der Beiname „Paris des Ostens“. Das Lipscani-Viertel pulsiert: Boutiquen, Galerien, Bars, kleine Theater – ein kreatives Zentrum der Gegenwart. Ich sehe das Roumanische Athenäum, ein prachtvoller klassizistischer Konzertsaal – die Kuppel, die Säulen, das Auditorium – ich lasse mich nicht vom Ticketkauf abhalten und löse eines für eine späte Führung. Ich bin beeindruckt von der Akustik und von der Geschichte – Gheorghiu-Dej, Ceaușescu – alle haben Musik hier gehört, Konzerte gesehen.

Dann wandere ich zur riesigen Ruine des Parlamentspalasts, eines der größten Gebäude der Welt. Ich fühle die Monumentalität, die Schwere, die politischen Schatten – gebaut unter Diktator Nicolae Ceaușescu, Teil seiner Allmachtsvision. Die Pläne, die unterirdischen Tunnel, die Marmorhallen – ich nehme an einer Tour teil und höre von seinen vier Millionen Quadratmetern Fläche, den Millionen Zwangsumsiedlungen, Zerstörungen in der Stadt, neue Achsen, die er schaffen ließ. Ich spüre die Geschichte, die Architektur, die Widersprüche – und bin politisch wie ästhetisch beeindruckt. Anschließend bummle ich über den Bulevardul Unirii, eine breite Prachtstraße, flankiert von Bürokomplexen, Flachbauten, Hochhäusern – viele noch in sozialistischer Kühle, aber heute belebt mit jungen Leuten, Cafés und mobilen Verkaufsständen. Ich sehe drei unterschiedliche Baustil Epochen nebeneinander: rigorose post stalinistische Plattenbauten, moderne Glaspaläste, und dazwischen barocke Häuschen – das ist Bukarest in seiner Vielfalt.
Das „Paris des Ostens“

Zum Abend gehe ich zum Stavropoleos Kloster – ein kleines orthodoxes Refugium mit Innenhof, Rosen, bizarrer Holzschnitzerei – Oase der Ruhe mitten im lebendigen Zentrum. Ich setze mich in den Innenhof, zünde eine Kerze an, lausche den Mönchsgesängen – fast unheimlich in ihrer Tiefe und Hingabe. Bevor die Nacht beginnt, suche ich einen Geheimtipp: die Umbrella Straße – schmale Gasse mit bunten Regenschirmen über Kopf, am Ende die Pasajul Englez und Pasajul Macca Villacrosse – einst Rotlichtpassagen, jetzt Restaurants und Bars unter Glasdächern und Regenschirmvorhängen. Ich setze mich drinnen an einen Tisch, bestelle einen rumänischen Eintopf mit Schweinefleisch, Maisbrei (mămăligă) – dazu ein Craft-Bier aus Bukarest. Die Atmosphäre knarzt ein wenig alt, ist aber voller Geschichten und Gerüchte – Kunst, Geheimtreffen, Architektur der Gesellschaft. Ich lasse mich treiben – und finde mich im Nachtleben wieder, irgendwo in einem Jazzlokal, wo rumänische Musiker improvisieren, Trompete, Saxophon, in verrauchten Lichtern – die Stadt schläft nie, sie feiert Musik, Gespräche, Leben.

Ich beginne den nächsten Tag mit einem Café‐Frühstück nahe der St.-Josef-Kathedrale, eines prächtigen neugotischen Gotteshauses. Ich sitze im Schatten der Kathedrale, genieße Cappuccino und ein süßes Körnerbrot mit Honig – und sehe die bunten Glasfenster, den Turm, Menschen aus allen Kulturen. Ich spüre, wie Religion, Geschichte, Pragmatismus hier ineinandergreifen.
Dann geht es zur Ceaușescu-Villa, seinem ehemaligen Wohnsitz – heute Museum. Ich betrete Räume, sehe Kronleuchter, Seidentapeten, Museumsausstellung über das Leben einer Diktatur. Ich höre Audio-Guide-Texte über Pläne zur Atomraketenstation, über Protokolle, Protokollzimmer für Parteien-Delegierte. Ich bin erschüttert: Wie konnte eine Stadt fast vollständig umgestaltet werden? Gleichzeitig fasziniert: Architektur als Machtsymbol.
Historie, Religion, Kulinarik

Mittags gehe ich in ein kleines Restaurant in der Altstadt, lokal empfohlen als Bukarest Geheimtipp. Sie servieren Ciorbă de burtă (eine typisch rumänische Kuttelsuppe), säuerlich, kräutrig, kräftig – und danach ein Stück Papanași (gefüllte Quarkpfannkuchen). Ich genieße, während ich das Stadtleben draußen beobachte – Touristen, Einheimische, Kellner mit rumänischem Charme. Am Nachmittag mache ich einen Spaziergang durch Piața Unirii, umgeben von hoch aufragenden Wohnblocks aus der Ceaușescu Ära – symmetrisch, monumental –, davor ein Brunnen, Touristen, Verkäufer. Ich nehme mir Zeit: Ich lausche Straßenmusikern, kaufe in einem kleinen Handwerksladen. In der großen Halle eines ehemaligen Wasserwerks sammelt sich Licht, und ich stehe fasziniert vor Wandmosaiken und Glasfenstern – ein Ort, den nur wenige Besucher sehen.

Später besuche ich erneut das Rumänische Athenäum, diesmal bei einer Abendvorstellung: Orchester spielt Enescu, Beethoven – das Konzert hallt unter der klassizistischen Kuppel, das Publikum ist gebannt. Die Atmosphäre – sie ist tief, sie ist emotional – Bukarests Kulturherz schlägt hier. Abends gehe ich wieder in die Umbrella-Straße. Heute ist Straßenfestival: Akustik-Gitarristen, Trommelgruppen, junge Maler zeigen Werke im Freien. Ich bekomme ein Glas Riesling, sitze unter bunten Regenschirmen, laufe dann weiter zur Macca-Villacrosse-Passage – Live-Musik in einer Glasgasse, Neonlichter, winzige Bühne, spontane Tanzpaare – ich verliere mich in den Rhythmen Bukarests.
Zwei Städte, zwei Welten, zwei Herzen

Am Morgen genieße ich einen ruhigen Moment im Hotel: Ich sitze auf der Dachterrasse des Cathedral Plaza, blase den Dunst vom Vortag weg, sehe die Sonne über Bukarest aufsteigen – ein Panorama aus Monumenten, Plattenbauten, Kuppeln, Klettergerüsten. In meinen Notizen lese ich: „Drei Baustil Epochen nebeneinander – das ist Bukarest in seiner urbanen DNA.“ Ich gehe ein letztes Mal durch Lipscani: Ich kaufe eine Vintage-Rumänien-Flagge, ich winke einem Straßenkünstler, ich nehme Abschied von dieser Melange aus Alt und Neu, Geschichte und Moderne.

Zum Mittagsessen gönne ich mir noch einmal rumänisches Gulasch (Mici mit Paprika, Zwiebeln, Senf), frisches Brot, ein Krug Mineralwasser – und setze mich in ein kleines Straßencafé in der Nähe des Stavropoleos. Die Mönchsbläser stimmten gleich an, und ich schließe die Augen, höre Glocken, Stimmen, Musik, sehe Sonnenflecken auf Kopfsteinpflaster. Am Nachmittag spaziere ich zum Flughafen: Ich lasse die Stadt Revue passieren – Budapest und Bukarest, zwei unterschiedliche, aber verwandt im europäischen Geist. Ich stelle fest: Budapest bezauberte mich mit Pracht, Musik, Eleganz, Thermalbädern; Bukarest faszinierte mit Widersprüchen, Geschichte, Lebenslust, Kreativität. Beide Städte sind Dokumente der europäischen Geschichte – und doch mehr: Städte voller Poesie, Kontraste, Überraschungen.
Hintergrundinformationen

- Budapest: Stadt der Donaumetropolen, der Architektur vom ungarischen Parlament über St. Stephan bis zur Fischerbastei – Ort der Musik (Zigeunermusik), der Kaffee Tradition (Gerbeaud, New York), der Thermalbäder (Gellért), der milde Sommernächte – getragen von Geschichte, geprägt von Habsburgern, Revolutionen, 1956-Unruhen, EU-Beitritt – eine Renaissance Stadt mit Vergangenheit und Aura.
- Bukarest: früher „Paris des Ostens“, mit französischer Architektur, klassizistischen Prachtbauten, modernen Strukturen, sozialistischer Monumentalarchitektur – eine Stadt, die diverse Umbauten durch Ceaușescu überlebt hat, die das Rumänische Athenäum, die Altstadt-Lipscani mit Pasajul Englez und Macca Villacrosse, die geheimen Ecken, die Musik, die Küche, die Spiritualität und die Brutalität der Diktatur in sich trägt.

- Die Küche: Ungarischer Gulasch, Tokajer, Lángos, Somlói galuska, ungarische Paprikahuhn; in Bukarest Ciorbă de burtă, Mămăligă, Mici, Papanași – Herz und Seele der Länderkosten, gewürzt mit Geschichten und Gewürzen.
- Die Musik: Zigeunermusik in Budapest, Budapest-Klänge im Café New York; in Bukarest Jazz, klassisches Orchester im Athenäum, Straßenmusik, kreative Festivalbeats – Musik als Ausdruck städtischer Identität.
- Die Architektur: Budapest im neogotischen, secessionistischen, barocken Gewand; Bukarest im mix aus französischer Klassik, Jugendstil, sozialistischer Monumentalbaukunst – drei Epochen direkt nebeneinander – urbane Lernprozesse sichtbar gemacht.

- Die Geschichte: Budapest – Krieg, Revolution, kommunistisches Erbe; Bukarest – Königreich, Diktatur Ceaușescu, Revolution 1989, Übergang in Demokratie – jede Stadt erzählt ihre Geschichte in Stein und Licht.
- Die Geheimtipps: Donau-Abendstimmung und Boat Ride in Budapest; Café New York, Gellért Therme; in Bukarest: Umbrella Straße, Pasajul Englez, Macca Villacrosse, Lipscani-Gassen, Stavropoleos Innencour, Ceaușescu Villa, lokale Restaurants.


Philip Duckwitz
unternahm 2007 seine erste Pressereise nach Guatemala. Damals ahnte er nicht, dass er seitdem mehr als 90 Länder besuchen würde. Der Germanist und Politologe ist als Weltenbummler bis heute stets auf der Suche nach unbekannten Regionen, interessanten Menschen und ungewöhnlichen Stories.