Burgunder Magie in Chalon-sur-Saône

Chalon-sur-Saône
Markantes Wahrzeichen von Chalon-sur-Saône ist die beeindruckende Brücke. – Foto: Gabriela Greess / Mortimer Reisemagazin

Wer die charmante Stadt Chalon-sur-Saône auf einer Bootsfahrt entdeckt, genießt in vollen Zügen. In der südlichen Wein- und Gourmet-Region vom Burgund gleitet man in aller Gemütsruhe über die stillen Gewässer der Saône – vorbei an Kulturdenkmälern und nostalgischen Industriestätten einer längst vergangenen Zeit. In der zweitgrößten Stadt vom Burgund lebten die Menschen stets mit der Magie ihres Flusses, der ihr Schicksal mitbestimmte. Aber sie blickten einst auch an dessen Ufern auf die qualmenden Kamine von Creusot – einem historisch bedeutsamen Industrie-Quartier rund 40 Kilometer entfernt. Diese Epoche ist längst vorbei. Doch sie brachte bürgerlichen Wohlstand für die mittlerweile 45.000 Einwohner von Chalon-sur-Saône: vor allem durch den Bau vom Canal du Centre am Ende des 18. Jahrhunderts, den bereits Leonardo da Vinci sehr viel früher angedacht hatte. Die privilegierte Lage an dieser langen ruhigen Schifffahrtstraße, die in Frankreich als besonders gut befahrbar gilt, ist heute ein Quell der viel bewunderten Burgunder Lebenslust.

Schiff ahoi auf der Saône

Chalon-sur-Saône
Auf einem elegantem Boot gut gepolstert unterwegs in Chalon-sur-Saône. – Foto: Gabriela Greess / Mortimer Reisemagazin

Das einstige Aschenputtel Chalon-sur-Saône trumpft heute in den einstigen Industriehallen an den Kais mit Künstler-Ateliers und ist stolz auf ihr reiches kulturelles Erbe aus der Renaissance – voilà ein Geheimtipp in der französischen Provinz. Doch glücklicherweise schlummert die Stadtperle an der Saône mancherorts immer noch im bezirzenden Dornröschenschlaf. Das mag ein wenig verwundern, denn Flusskreuzfahrtschiffe mit Tagestouristen gehen auch hier gern vor Anker. Kein Wunder, steht die Saône doch quasi unter göttlichem Schutz und Segen. Ihr keltischer Namensursprung aus dem Jahr 1130 bedeutet sinngemäß „Heiliges Wasser“ – ein wunderbares Charisma in schwierigen Zeiten.

Flanieren an der Flusspromenade

Auch Flusskreuzfahrtschiffe landen regelmäßig in Chalon-sur-Saône an. – Foto: Gabriela Greess / Mortimer Reisemagazin

Chalon-sur-Saône bietet eine ganz eigene Mischung aus kleinstädtischem Charme und selbstbewusstem urbanem Esprit. Diese Mentalität speist sich aus einer bewegten Geschichte. Denn im benachbarten Le Creusot lag einst die französische Version vom deutschen Ruhrgebiet. Im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts wurde hier mit Eisen und Stahl die industrielle Revolution der Grande Nation eingeläutet, was die Menschen der Region bis heute mit Stolz erfüllt. Allerdings wurden in den damaligen Schmelzöfen mit Steinkohle auch die Kanonen für die französische Marine gegossen, was man sich beim entspannten Flanieren entlang der Saône heute kaum noch vorstellen kann.

Chalon-sur-Saône
Bänke laden an ruhigen Promenade der Saône zum Entspannen ein. – Foto: Gabriela Greess / Mortimer Reisemagazin

Wer an der Endstation des 112 Kilometer langen Canal du Centre entlang der wunderbaren Flusspromenade flaniert, spürt den so entspannten wie unaufgeregten Rhythmus der Burgunder Provinz – gerade mal 70 Kilometer entfernt von der Wein-Metropole Dijon, der pulsierenden mondänen Hauptstadt des Département Côte-d’Or. Doch die eleganten dickbauchigen Burgunder Rotweingläser, ideal für die exquisiten Rebensäfte der Region, stammen aus der historischen Kreativ-Schmiede an der Saône.

Chalon-sur-Saône
Fluss-Idylle: Begrünte Ufer entlang der Saône. – Foto: Gabriela Greess / Mortimer Reisemagazin

Le Creusot: Kristallmanufaktur im Schloss

Dass sich im einstigen Industrie-Areal nahe dem Fluss eine royale Kristallmanufaktur einnistete, zeigt die schillernde Bandbreite von Chalon-sur-Saône. Die von Ästhetik besessene Königin Marie-Antoinette gründete im Jahr 1786 das Château de La Verrerie, um für ihren Hof den standesgemäß brillierenden Zierrat an edlen Gläsern und Flacons für Parfüms fertigen zu lassen. Diese dienten als eine Art Ganzkörper-Deodorant, weil es in den prachtvollen Schlössern der Epoche keine ausreichende Wasserhygiene gab.

Kreativ-Lust entlang des Flusses & viel Kultur

Chalon-sur-Saône
Das historische Kloster von Chalon-sur-Saône – Foto: Gabriela Greess / Mortimer Reisemagazin

Nach dem berühmten Motto der Philip Glass Oper „Die Schöne und das Biest“ hat sich Chalon bis heute ihre Fähigkeit zum chamäleonhaften Wandel bewahrt – und zeigt sich gern im provokativen Spagat zwischen gewachsener Tradition & Hypermoderne. Dazu gehören spannende Avantgarde-Kunstprojekte wie auch beliebte Kultur-Festivals, in denen sich der Zeitgeist des 21. Jahrhunderts widerspiegelt: vom „Marathon der Weine“ an der Côte Chalonnaise und dem Heißluftballon-Festival Les Montgolfiades bis hin zu einem Karneval-Treiben, das mit als phantasievollstes in ganz Frankreich gilt.

Chalon-sur-Saône – Pionierstadt der Fotographie

Chalon-sur-Saône
Rund um die Kathedrale herrscht ein besonderes Flair. – Foto: Gabriela Greess / Mortimer Reisemagazin

Dass der berühmteste Sohn von Chalon-sur-Saône – der Erfinder der Fotographie – ausgerechnet in der Zeit der industriellen Revolution das Licht der Welt erblickte, wirft bei der Bootsfahrt im Land des Savoir-Vivre eine essentielle Frage auf: Womöglich hat die pulsierende Wasserader der Flussperlen-Stadt mit ihren nahen fruchtbaren Weinbergen die Kreativität der Menschen geradezu ungeheuerlich mit befeuert?

Chalon-sur-Saône
Das zentrum von Chalon-sur-Saône prägen einige prachtvolle Fachwerkhäuser. – Foto: Gabriela Greess / Mortimer Reisemagazin

In einem Dörfchen bei Chalon gelang Joseph Nicéphore Niépce (1765-1833) vor über 200 Jahren das erste Foto der Menschheitsgeschichte: mit der Technik der Heliografie, die als Urzelle der Lichtbildkunst gilt. Die griechische Namensbezeichnung helios (Sonne) und gráphein (zeichnen) versinnbildlicht dies auf perfekte Weise.

Chalon-sur-Saône
Erfinder der Fotografie anno 1826: Joseph Nicéphore Niépce. – Foto: Gabriela Greess / Mortimer Reisemagazin

Die Weltpremiere der Fotografie fand in einem bescheidenen Arbeitszimmer des Örtchens Saint-Loup de Varennes statt. Der findige Kreativgeist Joseph Nicéphore-Niépce hatte hier über acht lange Stunden das sanft hereinfallende Licht seines Innenhofs mittels einer Kamera Obscura gebündelt. Das photographische Abbild seiner Hof-Romantik verewigte der berühmteste Sohn von Chalon-sur-Saône auf einer mit Asphalt beschichteten Zinnplatte; und zwar mit Hilfe einem Gemisch aus Petroleum und Lavendelöl, das er sich aus der nicht allzu weit entfernten Provence liefern ließ.

Das Musée Niépce an der Flusspromenade von Chalon-sur-Saône. – Foto: Gabriela Greess / Mortimer Reisemagazin

Es vergingen rund 125 Jahre, bis die revolutionäre Erfindung von Joseph Nicéphore-Niépce anno 1952 in London entdeckt wurde – sicher aufbewahrt in einem Schrankkoffer. Damit war ein alter Rekord gebrochen. Denn zuvor galt die Daguerrotypie – 13 Jahre nach Nicéphore Niépce’s Heliografie ebenfalls von einem Franzosen erfunden –– als die historische Stunde Null der Fotografie.
Die imposante Statue von Joseph Nicéphore Niépce wie auch das ihm gewidmete Museum sind nur einen Sprung von der einladenden Flusspromenade entfernt.

Wenig bekannte Stadtperle im Burgund

Der Pionier der Fotografie thront erhaben über der wichtigsten Wasserverkehrstrasse des Burgunds, wo einst wichtige Kapitel der französischen Industriegeschichte geschrieben wurden. Vom Deck des Boots aus kann man mit Blick auf alte Industriedenkmäler nachvollziehen, wie sich die Stadt an der Saône von einer einst florierenden Metall-Schmiede zur hippen Kultur-Enklave am Fluss gewandelt hat. Kreativer Spirit scheint in Chalon magisch mit Wasser verbunden zu sein!

Phantasievolle Street Art in der Altstadt

Umbrella Sky Project – bunte Regenschirm-Gasse als globales Kunstprojekt – Foto: Gabriela Greess / Mortimer Reisemagazin

Chalon-sur-Saône trumpft mit Street-Art in der Altstadt und der Nostalgie alter Lagerhäuser entlang der Kais am Fluss, wo Künstler und schicke Lofts eingezogen sind. Internationales Straßentheater (Chalon dans la Rue) ist das angesagte Kultur-Spektakel im Juli. Dann präsentieren hunderte Theatergruppen aus ganz Europa mit teils spektakulärer Street Art ihr Können. Das ganze Jahr über gibt es im Espace des Arts, dem avantgardistischen Kulturzentrum, zudem innovative Projekte im Bereich Theater, Tanz und Musik.

Spaziergang rund um die Kathedrale Saint-Vincent

Chalon-sur-Saône
Gotische Kathedrale im Herzen von Chalon.– Foto: Gabriela Greess / Mortimer Reisemagazin

Eine kulinarische Oase liegt auf der Saône-Insel St-Laurent. In dieser gemütlichen Enklave haben sich exzellente Feinschmecker-Restaurants angesiedelt. Wer dort die leckeren Burgunder Weinbergschnecken probiert, wird sie vielleicht für alle Zeiten lieben. Um die „Escargots à la bourguignonne“ ranken sich sogar berühmte politische Anekdoten: wie vom beliebten friedensliebenden Zar Alexander I., der Ludwig XVIII. anno 1814 besuchte und bei dieser Gelegenheit großen Gefallen fand an dem Burgunder Schnecken-Rezept mit Butter, Knoblauch und Petersilie. Fortan verbreitete es sich in aller Welt.

Leckere Weinbergschnecken aus dem Burgund. – Foto: Gabriela Greess / Mortimer Reisemagazin

Rund um die imposante gotische Kathedrale pulsiert das Herz der Stadt. An der Place Saint-Vincent – benannt nach dem Schutzheiligen der französischen Winzer – laden zahlreiche pittoreske Gassen zum Flanieren ein. Der Patron Vinzenz wurde ausgewählt, weil die ersten drei Buchstaben (Vin) seines Namens auf Französisch „Wein“ bedeuten.

Der heilige Vinzenz, Schutzpatron der Burgunder Winzer.– Foto: Gabriela Greess / Mortimer Reisemagazin

Im Burgund gibt es auch viele Rebenfeste, die dem Heiligen Vinzenz gewidmet sind. Stilvolle Renaissance-Gebäude aus dem 16. Jahrhundert entführen einen an der Place Saint-Vincent in eine Zeit voll ästhetischer stilvoller Schönheit.

Fassaden voller faszinierender Details

An den historischen Fassaden des Burgunder Stadt-Juwels entdeckt man allerorts stilvolle schmucke Details. Außergewöhnlich sind die Verzierungen an den Fenstern, die so genannten Lambrequins. Diese dekorativen Zierblenden waren einst der perfekte Rahmen für wohlhabende Stadtfrauen, wenn sie sich am Fenster ihrer feinen Domizile zeigten, um einen Ausblick auf vollbeladene Pferdekutschen zu erhaschen, mit denen Pelzwaren und Kristallgläser transportiert wurden – den einst wertvollsten Waren von Chalon.

Chalon-sur-Saône
Am Rathaus-Platz, der Place de l‘Hôtel de Ville, gibt es feine Schokoladen & Konfekt. – Foto: Gabriela Greess / Mortimer Reisemagazin

Natürlich gibt es wie überall im Burgund auch in Chalon eine exquisite Konditorei, in der man sich schönste Schokoladen-Träume erfüllen kann. Die Pâtisserie Chocolaterie Allex hat sich auf dem Rathausplatz in einem stattlichen Bürgerhaus eingenistet, wo edle Marmorsäulen das Eingangsportal geradezu pompös umrahmen. Wer dort ein Törtchen aus Blätterteig (Mille-feuilles) genießt, gefüllt mit Vanille-Crème aus Madagaskar, hat nur noch eine Sorge: Gleich vor Ort ein Körbchen mit Ballotin orangettes vernaschen – den begehrten kandierten Orangenschalenstreifen mit dunkler Schoko-Kuvertüre –oder sie doch lieber einpacken?

Chalon-sur-Saône
Ehemalige Benediktiner-Kirche Saint-Pierre.– Foto: Gabriela Greess / Mortimer Reisemagazin

Die majestätische Pfarrkirche Saint-Pierre am Place de l‘Hôtel de Ville entstand aus einer Benediktiner-Kapelle und wurde von italienischen Architekten im Barockstil gebaut. Bemerkenswert ist, dass sich nach dem sonntäglichen Gottesdienst mancher Kirchgänger gleich an den weltlichen Köstlichkeiten des beliebten bunten Wochenmarkts labt. Der findet in Chalon-sur-Saône sogar am Heiligen Tag der Woche statt – gleich gegenüber dem Gotteshaus des Heiligen Petrus wie auch vis-à-vis der Kathedrale. Diese Regelung geht auf einen kommunistischen Bürgermeister des letzten Jahrhunderts zurück, der mit der Kirche wohl auf Kriegsfuß stand und das volkstümliche Markttreiben ganz einfach vom Samstag auf den Sonntagvormittag verlegte.

Altes Kloster mit modernem Pfiff

Saint-Vicent Kloster benannt nach Schutzpatron der Winzer. – Foto: Gabriela Greess / Mortimer Reisemagazin

Der kunstvoll renovierte Kreuzgang vom Saint Vicent Kloster ist der richtige Ort, um der besonderen Aura von Chalons-sur-Saône in aller Ruhe nachzuspüren. Dabei empfiehlt es sich, die phantasievollen Kapitell-Figuren der Bildhauerin Laetitia de Bazelaire, gefertigt aus Burgunder Saint-Marc-Kalkstein, einmal genauer in Augenschein zu nehmen. Die international bekannte Bildhauerin aus Dijon spezialisierte sich auf sakrale Kunst. Das kirchliche Thema der Tugend hat sie provokant-süffisant mit ganz eigenwilligen Skulpturen interpretiert – sie schuf einen Kreuzgang mit kulturellem Pfiff. Wer ihrem stilisierten Fuchs ins schlaue Auge blickt, wird an die legendäre französische Fabelwelt von Jean de La Fontaine (1621-1695) erinnert und lernt noch nebenbei, dass in Chalon einst die französische Pelzindustrie zuhause war.

Chalon-sur-Saône – eine Stadt der leisen Töne

Chalon-sur-Saône
Pittoresk ist das Café an der Place Saint-Vicent. – Foto: Gabriela Greess / Mortimer Reisemagazin

Chalon ist eine unaufgeregte Stadt der leisen Töne und versteckten Reize. Wer genauer hinschaut, wird reich belohnt und entdeckt beispielsweise am Fachwerk des Café Le Majorelle den Schutzheiligen der Winzer – den im Burgund stets verehrten Saint-Vicent (Heiliger Vinzenz). Vielleicht wird man deswegen an der Place Saint-Vicent nach dem Besuch im Kloster schnell wieder zum Lebemenschen in bester Tradition eines französischen Bon Vivant; und lässt sich in der Altstadt von Chalons-sur-Saône in einer der kleinen hübschen Bars nieder, die sich an fest jeder Straßenecke finden.

Einer der schönsten Wochenmärkte im Burgund

Sonntäglicher Wochenmarkt auf dem Rathausplatz.– Foto: Gabriela Greess / Mortimer Reisemagazin

Wer an einem Freitag oder Sonntag durch die pittoresken Gassen der Altstadt promeniert, ist mittendrin in einem der lebhaftesten Bauernmärkte der Region Bourgogne Franche-Comté. In der lebenslustigen Kleinstadt an der Saône bieten sich alle Köstlichkeiten des Burgunds zum Verkosten an – natürlich auch Schoppen mit Rot- und Weißwein. Die lokalen Produzenten sind meist immer in bester Plauder-Laune. Es gibt viele Bio-Produkte und die Bauern stellen selbstbewusst Schilder auf, die ihre ökologische Landwirtschaft zertifizieren.

Unterkunft nahe den Weinbergen: Le Clos Saint-Martin

Charmantes Ferien-Domizil (Gîte) mit Pool & Garten: Le Clos Saint-Martin. – Foto: Gabriela Greess / Mortimer Reisemagazin

Von Chalon gerade mal gut zehn Kilometer entfernt liegt Le Clos Saint-Martin – eine herausragende Ferienadresse, die sich im alten Gemäuer einer Winzer-Familie eingenistet hat. Im kleinen Weinort Mellecey zeigt sich das ländliche Burgund von seiner allerschönsten Seite. Die Pariserin Marie Enderlen Debuisson, einst Lifestyle-Journalistin für Magazine der Seine-Metropole, hat sich abseits jeden urbanen Trubels ihren Lebenstraum verwirklicht. Die von ihr vermieteten Appartments wie auch Gemeinschaftsräume sind zeitgemäß minimalistisch eingerichtet, aber dennoch gemütlich. Ihre Lust an Dekoration lebt Marie mit wohlüberlegt platzierten, hübschen Details aus, an denen sich alle Gäste erfreuen.

Ein Eldorado für Ruhesuchende – Le Clos Saint-Martin. – Foto: Gabriela Greess / Mortimer Reisemagazin

Seit 2016 führt die sympathische Französin nahe den Weinbergen der Côte Chalonnaise ihre Ferienunterkünfte in einem uralten historischen Winzeranwesen – so erfüllte sich ihr Traum von einem erdverbundenen und sinnerfüllten Leben in der Provinz. Die geräumigen komfortablen Gästezimmer und Wohnungen (Chambres d’hôtes et Gîtes) eignen sich genauso für Ruhe suchende Paare und Singles wie Familien mit kleinen Kindern.

Hausherrin Marie Enderlen Debuisson mit opulenter Käseplatte. – Gabriela Greess / Mortimer Reisemagazin

Wer hier im großen verwunschenen Garten des uralten Winzer-Domizils am beheizten Pool einen Aperitif genießt, ist einfach nur noch wunschlos glücklich. Zum Frühstück gibt es frisches Baguette, selbstgemachte Marmeladen und eine feine Käse-Auswahl aus der Region Franche-Comté. Auf dem langen rustikalen Holztisch lockt meist ein hausgemachter Kuchen und frisches Obst garantiert die kulinarische Achtsamkeit in der Gourmet-Region Burgund.

Romantisches Gartenhaus im einstigen Winzer-Domizil Le Clos Saint-Martin.– Foto: Gabriela Greess / Mortimer Reisemagazin

Die Eltern von Marie Enderlen Debuisson leben ebenfalls auf dem großen Grundstück. Sie stammen aus dem Elsass, sprechen Deutsch und erzählen gern von ihrer Zeit in der einst französischen Kolonie Kamerun. Aber noch lieber vermitteln sie historische Details aus der spannenden Geschichte des kleinen Winzerorts Mellecey. Abgesandte des Enkels von Karl dem Großen trafen sich hier im 9. Jahrhundert, um die Zukunft des Fränkischen Großreichs zu verhandeln. Deswegen unbedingt in der etwas versteckten Kapelle vorbeischauen, um mit eigenen Augen die Relikte alter Grenzsteine zu bestaunen.

Freigehege für Exoten im Garten der Ferienunterkunft.– Foto: Gabriela Greess / Mortimer Reisemagazin

Wer sich am Anblick exotischer Vögel erfreut, findet im Garten ein malerisches Gehege mit viel Platz für die bunt gefiederten Lieblinge von Marie Enderlen Debuisson. Die Mutter dreier Kinder weiß genau, was Familien wünschen – genauso wie sie auf die Bedürfnisse urlaubsreifer Großstadt-Singles eingeht und bei rechtzeitiger Vorbestellung ein leckeres Abendessen auf den Tisch zaubert.

Im Garten des malerischen Winzer-Anwesens sind vielerlei Büsche, Bäume und Blumen zu beschnuppern und zu bestaunen. Auf der benachbarten Koppel stehen für Gäste Pferde zum Ausritt bereit. Mit dem E-Bike kann man ganz relaxt die Weinberge der Côte Chalonnaise erkunden. Gerade mal eine Viertelstunde entfernt liegt das Dörfchen Mercurey, das in aller Welt für seine edlen Reben geschätzt wird.

Kleine feine Weingüter der Côte Chalonnaise

Blick vom Château Chamirey auf die Weinberge. – Foto: Gabriela Greess / Mortimer Reisemagazin

Wer die vier kleinen feinen Anbaugebiete der Côte Chalonnaise erkunden will, ist mit der deutschen Stadtführerin Karoline Knoth bestens beraten. Die renommierten Weinexpertin ist seit vielen Jahren in der Region ansässig und kann spannende Geschichten über die besten Terroirs erzählen. In bevorzugter Hanglage werden hier die gelobten Burgunder Rebsorten Pinot Noir (für vollmundigen Premium-Rotwein) wie auch edler Chardonnay (für teuren Weißwein) angebaut. Es herrscht garantiert sehr viel weniger touristischer Trubel wie an der Côte d’Or südlich von Dijon. Denn die hat sich mittlerweile zum Eldorado für Wein-Pilger aus aller Welt entwickelt.

Château de Chamirey – eine traditionsreiche Winzer-Dynastie

Weingut aus dem 18. Jahrhundert: Château de Chamirey – Foto: Gabriela Greess / Mortimer Reisemagazin

Im malerischen Dorf Mercurey, das über eine eigene Appellation (Herkunftsbezeichnung) verfügt, liegt das schmucke Château de Chamirey. Es wurde bereits im 18. Jahrhundert erbaut und verweist auf eine lange Tradition. Der Eigentümer des 37 Hektar großen Weinguts, Amaury Devillard, stammt aus einer alteingesessenen Winzer-Dynastie, die vier Güter bewirtschaftet. Der kosmopolitische Weinliebhaber verkörpert sein Familienerbe mit allen Fasern und führt dieses soweit als möglich mit ökologisch integrierter Landwirtschaft.

Weingut-Besitzer Amaury Devillard bietet selbst Verkostungen an. – Foto: Gabriela Greess / Mortimer Reisemagazin

Amaury Devillard erzählt spannende Anekdoten: „Der Spitzname unserer Winzer heißt Wölfe. Denn es gibt viel zu verteidigen hier in Mercurey, der bedeutendsten Appellation für Rotwein in der Region Côte Chalonnaise,“ bemerkt der Winzer verschmitzt bei einer Verkostung. Die führt er gern selbst in Eigenregie durch, wenn er nicht gerade auf internationalen Weinmessen im Ausland unterwegs ist.

Kleine feine Terroirs vom Château de Chamirey. – Foto: Gabriela Greess / Mortimer Reisemagazin

Vom großen Balkon der bodenständig-elegant gestylten Kellerei genießt man mit Monsieur Devillard das phantastische Panorama auf die kleinen Parzellen der Côte Chalonnaise: „Das sind unsere goldenen Terroirs, jede Anbaufläche hat ihren ganz eigenen Charakter“, bemerkt er stolz mit Blick auf die begehrten Reben, aus denen die großen Spitzenweine Premier Cru reifen werden.

Domaine Lefort: Weinfass aus Keramik in Ei-Form

Rustikales Bio-Weingut Domaine Lefort im Weiler Rully.– Foto: Gabriela Greess / Mortimer Reisemagazin

Etwa zehn Autominuten weiter liegt ein nur fünf Hektar kleines Weingut im hübschen Weiler Rully. David Lefort, studierter Mediziner mit Hang zur Philosophie, ist seit 2010 Besitzer der kleinen Domaine. Er entschied sich in ganz jungen Jahren, aus seiner Leidenschaft für feine Tropfen einen Beruf zu machen und ist heute überaus engagiert im biodynamischen Weinbau.
Dem auch im Burgund spürbaren Klimawandel trotzt der junge Winzer mit den ganz eigenwilligen Konzepten seiner Weinkellerei Domaine Lefort.

Weinexpertin Karoline Knoth bei Verkostung mit David Lefort, Eigentümer des Winzerkellers.– Foto: Gabriela Greess/Mortimer Reisemagazin

David Lefort experimentierte über viele Jahre mit ganz unterschiedlichen Weinfässern. Das brachte den vielfach prämierten Einzelkämpfer auf einen kuriosen Einfall, der seinesgleichen sucht: Er nutzt ein riesiges Keramik-Behältnis in Ei-Form, um seinen außergewöhnlichen Grand Vin de Bourgogne zu produzieren.

 

Hausherr David Lefort produziert Bio-Weine auch in einem Fass in Ei-Form. – Foto: Gabriela Greess / Mortimer Reisemagazin

Merci! David Lefort versteht sich exzellent darauf, die komplexen reichen Aromen der Burgunder Reben in seine Flaschen zu zaubern. Nach der Verkostung in der rustikalen Bio-Kellerei Domaine Lefort wird kaum jemand bereuen, die Burgunder Genussregion der Côte Chalonnaise abseits der traditionellen Pilgerwege für Weinliebhaber erkundet zu haben.

Wissenswertes rund um Chalon-sur-Saône

Chalon – eine schmucke Stadtperle am Fluss Saône. – Foto: Gabriela Greess/Mortimer Reisemagazin

Informationen: www.burgund-tourismus.com und www.achalon.com

Anreise: Chalon-sur-Saône hat einen direkten SNCF-Bahnhof. Mit dem Flugzeug zum Airport Lyon-Saint Exupéry und weiter mit Mietwagen 140 Kilometer. Wer mit dem Auto anreist: direkte Ausfahrt an der Autoroute de Soleil, die Paris mit Lyon verbindet.


Die Recherche fand – ohne Einfluss auf die journalistische Ausarbeitung – auf Einladung / mit Unterstützung der Tourismuszentrale Bourgogne-Franche-Comté statt.

Gabriela Greess

Gabriela Greess

arbeitete auf Kuba. Das inspirierte sie, um später als Reisejournalistin und Autorin über Zigarren und Lifestyle aus aller Welt zu berichten. Die Romanistin hat ein Faible für spanisch- und französischsprachige Länder wie auch für hippe Metropolen.